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Paschings Cupsieger: Ein Hallodri und ein Eisenfuß

Hans-Peter Berger stellt die Helden des historischen Triumphs einzeln vor.

Paschings Cupsieger: Ein Hallodri und ein Eisenfuß Foto: © GEPA

Was so mancher jüngerer User vielleicht nur aus Wikipedia weiß: Es gab im österreichischen Fußball eine Zeit, in welcher der FC Red Bull Salzburg kein Titelabo hatte.

Besonders verrückt ging es in diesem Zusammenhang 2013 zu.

Austria Wien krönte sich unter Anleitung von Peter Stöger zum letzten Meister, bevor Salzburg die laufende Serie startete.

Im ÖFB-Cup wiederum legte Regionalligist Pasching eine denkwürdige Serie bis zu einer der größeren Sensationen der rot-weiß-roten Fußball-Historie hin.

Nachdem die damals von Red Bull unterstützten Oberösterreicher unter Anleitung von Trainer Gerald Baumgartner in den ersten drei Runden die drei Austrias aus Salzburg, Lustenau und Klagenfurt eliminiert hatten, warfen sie im Viertelfinale Rapid und im Halbfinale RB Salzburg aus dem Wettbewerb - und das jeweils auswärts.

Am 30. Mai 2013 folgte der historische Final-Coup gegen den frischgebackenen Meister Austria Wien.

Ein unvergessener Triumph, den Torhüter Hans-Peter Berger im LAOLA1-Interview Revue passieren lässt. Zudem stellt der damalige Führungsspieler alle Mitglieder der einzementierten Startelf vor:

Die Pokalübergabe an den Sensations-Cupsieger
Foto: © GEPA

LAOLA1: Der Cupsieg mit Pasching ist inzwischen acht Jahre her. Kommen immer noch Emotionen hoch?

Hans-Peter Berger: Gerade mit dieser Mannschaft war es etwas ganz Besonderes. Wir hatten einen unpackbaren Spirit in der Mannschaft, wie ich ihn selten erlebt habe. Das war vielleicht noch vergleichbar mit dem Aufstieg mit der SV Ried 2005. Das war ähnlich emotional. Aber der Cup-Titel ist gerade als Drittligist das Größte und Schönste, das man erleben kann.

LAOLA1: Inwiefern wurde diese Geschichte noch spezieller, weil man mit Rapid, Red Bull Salzburg und dem damaligen Meister Austria drei Top-Teams besiegt hat, und das auswärts?

Berger: Wir waren damals mehr oder weniger wie der FC Liefering, eine Filiale von Red Bull. Das wurde immer ein bisschen kritisch beäugt. Wir als Spieler wollten einfach nur überzeugen. Dass wir die großen Kaliber Rapid, Salzburg und Austria gezogen haben, war ein Wahnsinn. Jeder wusste natürlich, dass es in jedem dieser Spiele um alles oder nichts geht. Wir hatten einige Spieler mit Bundesliga-Erfahrung und haben uns gesagt: "100 Prozent werden nicht reichen, da müssen wir noch ein paar Prozenterl drauflegen." Dass natürlich alles inklusive Spielverlauf so geklappt hat, ist ein Wahnsinn. Dass wir dann im Finale in Wien, bei dem eigentlich nur Austria-Fans im Stadion waren, dieses Team auch noch biegen, war sensationell.

LAOLA1: Ihr wart eine Profi-Truppe mit vielen erfahrenen Spielern. Wurdet ihr angesichts des Etiketts "Regionalligist" trotzdem unterschätzt? Salzburg hat beispielsweise im Halbfinale Jonatan Soriano oder Valon Berisha auf der Bank gelassen.

Berger: Definitiv. Ich denke schon, dass sie sich gesagt haben, da kommt ein Drittliga-Team, da können wir vielleicht den einen oder anderen schonen. Aber uns war das egal, weil wir so oder so nicht beeinflussen konnten, ob der oder der gegen uns spielt. Unsere Aufgabe war zu schauen, dass wir unsere Topleistung bringen. Bei Rapid ist nach dem Spiel Peter Schöttel entlassen worden. Unsere Gegner haben kein Lösungsmittel gefunden, um gegen uns zu spielen. Am Ende des Tages muss man sagen, es war verdient, so wie wir die Spiele gespielt und die taktischen Vorgaben von Gerry Baumgartner umgesetzt haben.

LAOLA1: Du hast die Liefering-Rolle bereits angesprochen. War es im Hinblick auf die Kooperation mit Red Bull am Ende kontraproduktiv, die "Bullen" in Salzburg zu eliminieren?

Berger: Das ist zu weit hergeholt. Wir waren das verkappte FC Liefering und wollten in die 2. Liga aufsteigen. Letztlich waren wir aber ein eigenständiger Verein, das muss man auch betonen. Das war auch gut so, das hat Gerry Baumgartner sehr gut ausgehandelt. Dass unterm Strich dieser Erfolg rauskommt und wir als Drittligist plötzlich auch noch Europacup spielen, war natürlich der Wahnsinn. Die ganze Zeit dort war absoluter Wahnsinn. Wir waren zwar in der Regionalliga, du bist aber wie ein Spieler in der Bundesliga behandelt worden. Wir haben auch gespielt wie in der Bundesliga. Am Wochenende hattest du zwar kleinere Gegner, musstest das tägliche Brot erledigen. Aber unter der Woche hattest du die Zuckerl gegen die großen Kaliber.

Dies ist die damalige Stammelf, die gegen Rapid, Salzburg und die Austria zu Spielbeginn am Feld stand - vorgestellt und eingeschätzt von Hans-Peter Berger:

DANIEL KERSCHBAUMER:

DANIEL KERSCHBAUMER:
Foto: © GEPA

Aktueller Verein: Union Weißkirchen

"Kerschi" war ein Typ bei uns in der Mannschaft. Jedes Mal, wenn ihm etwas nicht gepasst hat, hat er auf den Putz gehaut. Wir haben ihn immer "Kampfgelse" genannt, weil er wirklich in jedem Match - egal ob in der Regionalliga oder in den großen Spielen - 100 Prozent abrufen konnte. Er galt lange als Zweitliga- oder Regionalliga-Kicker, hat sich dann aber zu Mattersburg in die Bundesliga gekämpft. Für uns war er enorm wichtig, weil wir wussten: Egal welcher Gegenspieler über unsere rechte Seite kommt - da wird nichts passieren!

MARTIN GRASEGGER:

MARTIN GRASEGGER:
Foto: © GEPA

Aktueller Verein: SKU Amstetten

Martin habe ich schon aus Rieder Zeiten gekannt. Er war immer ein extrem kopfballstarker Spieler, der sich mit der Aufgabe gesteigert hat. Martin war hinten immer eine verlässliche Bank. Da konnte man als Gegner probieren, was man wollte - Martin hat sehr, sehr wenige Fehler gemacht.

DAVORIN KABLAR:

DAVORIN KABLAR:
Foto: © GEPA

Aktueller Verein: Union Natternbach

Der Lange mit seinen knapp zwei Metern war hinten unser Funkturm, der alles organisiert und die taktischen Geschichten umgesetzt hat. Er hat die Mannschaft von hinten raus geführt. Wenn es - etwa bei Standardsituationen - gebrannt hat, hat er uns mit seiner Größe enorm geholfen. Er war, und das muss man betonen, maßgeblich für den Höhenflug verantwortlich. Warum er Kapitän war und nicht ich, ist leicht erklärt: Er war der älteste Spieler im Kader und "Baumi" wollte immer einen Feldspieler als Kapitän.

MARK PRETTENTHALER:

MARK PRETTENTHALER:
Foto: © GEPA

Aktueller Verein: --- (Karriereende)

"Pretti" - unser Eisenfuß auf der linken Seite! Man kennt ihn natürlich aus Sturm-Graz-Zeiten, er hat Bundesliga und Europacup gespielt. Mit seiner Erfahrung hat er uns sehr gut getan. Egal wer über seine Seite gekommen ist, er hat diesen Gegenspieler aufgearbeitet. Deswegen ist über die linke Seite auch ganz selten etwas angebrannt.

THOMAS KRAMMER/MARCO PERCHTOLD:

THOMAS KRAMMER/MARCO PERCHTOLD:
Foto: © GEPA

Aktueller Verein: GAK (Perchtold) / Karriereende (Krammer)

Thomas Krammer und Marco Perchtold waren unsere beiden Wichtigsten. Wir haben mit zwei Sechsern gespielt, und diese beiden Kämpfer im Mittelfeld haben Kilometer gefressen, das war ein Wahnsinn! Beide sind mit einer Pferdelunge ausgestattet und haben uns die Bälle vor der Abwehr weggehalten. Ich hätte nicht gewusst, welcher Spieler aus der Bundesliga mehr Kilometer macht, wer öfter in die Zweikämpfe geht, wer mehr nach vorne verteidigt. Damals war das sicherlich das Nonplusultra.

PHILIPP SCHOBESBERGER:

PHILIPP SCHOBESBERGER:
Foto: © GEPA

Aktueller Verein: SK Rapid Wien

"Schobi" war immer so ein bissl ein Hallodri, ganz unbekümmert, locker. Er hat sich nicht an viele Regeln gehalten, muss man ganz ehrlich sagen. Er war immer so munter drauf los. Am Anfang hast du "Schobi" immer alles ganz genau sagen müssen: "'Schobi', jetzt musst du dorthin laufen. 'Schobi', jetzt musst du weglaufen." Er war eben einfach so schnell, dass gar keiner nachgekommen ist - in der ganzen Bundesliga nicht. Das haben wir natürlich gewusst. Sobald er einen Raum gekriegt hat, war er unschlagbar. Das hat er dann mit seinen Läufen und Toren auch gezeigt.

Für ihn war Pasching ein super Karrierestart, aber dass er einmal bei einem Topklub landen wird, war damals nicht so klar, weil eben die Disziplin damals nicht so da war. Aber er hat sich gesteigert, und Martin Hiden, der sich meistens um ihn gekümmert hat, hat einen Top-Job gemacht und ihn in das Profi-Thema eingeführt. Was muss ein junger Spieler machen, um nach oben zu kommen? Da heißt es einfach zu arbeiten, und sie haben mit ihm gearbeitet. Er hat das dann perfekt umgesetzt, weshalb er zurecht dort ist, wo er ist, bei Rapid Wien.

DANIEL SOBKOVA:

DANIEL SOBKOVA:
Foto: © GEPA

Aktueller Verein: FC Schaan

Wie soll ich den "Soberl" beschreiben? Er war eine Wundertüte. "Soberl" ist einer gewesen, der ungern gelaufen ist, muss man ehrlich sagen. Er war ein bissl die Diva bei uns in der Mannschaft. Wenn es ihn gefreut hat zu laufen, hat's ihn gefreut. Wenn nicht, dann nicht. Die ideale Position für ihn war immer der Zehner, denn dann konnte er vorne stehen, kriegt den Ball hingespielt und kann dann natürlich gleich schießen. Seine Schusstechnik! Ich kenne keinen, der so schießen konnte wie er.

Er hat Bälle aus 30, 40 Metern aufs Tor gebracht, und sie waren einfach unhaltbar, weil sie so geflattert sind und einfach unpackbare Richtungsänderungen hatten. Mit der Zeit hat er gesehen, er hat Qualität und er muss diese Qualität immer und immer wieder abrufen. Dann hat er mehr trainiert als normal und ist in einen Flow gekommen. Das hat uns natürlich extrem nach vorne gebracht. Mit seinem Siegtor im Cup-Finale ist er auch belohnt worden.

IVAN KOVACEC:

IVAN KOVACEC:
Foto: © GEPA

Aktueller Verein: ASV Siegendorf

"Kova" war für mich einer der besten Außenspieler, die ich kennengelernt habe. Er ist in der Mannschaft ein schwieriger Typ gewesen, weil er Ecken und Kanten hatte. Aber sobald er auf den grünen Rasen rausgegangen ist, war er ein Wahnsinn. Er war beidfüßig, schnell, groß gewachsen, hatte einen super Körper - dadurch war er natürlich prädestiniert für ein Spiel wie gegen Red Bull auswärts, bei dem er auch ein Tor gemacht hat. Es war ein Riesen-Glück, dass wir so einen Außenspieler überhaupt gekriegt haben. Er hat es sich selbst erarbeitet, dass er in der Folge weiter raufgekommen ist.

NACHO CASANOVA:

NACHO CASANOVA:
Foto: © GEPA

Aktuell vereinslos

Unser Prellbock und unsere Seele. Er ist ein Typ gewesen, der mit seiner Mentaität für Lockerheit gesorgt hat. Aber sobald der Schiri angepfiffen hat, konntest du ihm keinen Ball abnehmen, weil er groß und breit war, und den Ball abgedeckt hat wie kein Zweiter. Man konnte sehen, dass er durch die spanische Fußball-Schule eine super Ausbildung genossen hat. Wenn ein Ball in den Sechzehner geflogen ist, wurde es meistens brandgefährlich, weil er einerseits die Verteidiger für die anderen Spieler geblockt hat und andererseits natürlich selbst sehr torgefährlich war.

Ein Spieler fehlt noch, um die damalige Stammelf zu vollenden - der Torhüter. Das sagt Hans-Peter Berger über seine Pasching-Zeit:

HANS-PETER BERGER:

HANS-PETER BERGER:
Foto: © GEPA

Eine wunderschöne zeit. Ich war damals mehr oder weniger der verlängerte Arm von "Baumi". Mit meinem Antrieb, den ich eigentlich immer hatte, war ich der Gasgeber in der Mannschaft, der probiert hat, die Jungs zu pushen und zu motivieren, das Level immer auf 100 Prozent zu halten, nicht nachzulassen. Mit meiner Erfahrung aus dem In- und Ausland habe ich versucht mitzuhelfen, dass wir jedes Spiel gewinnen. Das ist uns super gelungen. Ich denke, den Job, für den ich damals noch von Oliver Glasner und von Gerry Baumgartner geholt worden bin, habe ich super erfüllt.

LAOLA1: Du hast in der Bundesliga gespielt, warst in Portugal unter Vertrag. Ordnest du persönlich den Cupsieg in deiner Vita ganz oben ein?

Berger: Einen Titel muss man einfach ganz oben einordnen, auch in Kombination mit dem Europacup. Dass dieses "Red-Bull-Pasching-Projekt" so durch die Decke geht, konnte ja vorher niemand erträumen. Aber der Aufstieg mit Ried oder vor allem meine Auslands-Jahre in Portugal siedele ich schon sehr weit oben an – Ausland ist Ausland, das kannst du mit Österreich nicht vergleichen. In Portugal werden einige der besten Spieler der Welt ausgebildet. Das ist noch mal etwas anderes. Aber in Pasching haben wir gegen die großen Mannschaften in Österreich einen Titel geholt. Das hat richtig etwas.

LAOLA1: Das eigentliche Ziel damals war der Aufstieg, in der Regionalliga musstet ihr euch aber einem nicht gänzlich unbekannten Verein geschlagen geben, und zwar Nachbar LASK.

Berger: Stimmt, das waren ganz heiße Matches. Im Frühjahr haben wir durch ein abgefälschtes Tor mit 0:1 verloren. So ist es leider nichts geworden mit dem Meistertitel. Im Cup haben wir es umgedreht und sind in den Europacup gekommen. So ist der Fußball, es entscheiden Kleinigkeiten.

LAOLA1: Euer Sieg gegen Salzburg ist immer noch die vorletzte Cup-Niederlage der "Bullen", die seither nur im Finale 2018 gegen Sturm Graz ausgelassen haben.

Berger (lacht): Das ist eigentlich richtig arg. Auch das ist eine Geschichte, wie sie nur der Fußball schreibt – und das ist auch schön so. Deswegen sind wir ja alle so fußballverliebt.

LAOLA1: Wie wurde der Erfolg damals gefeiert?

Berger: Wir waren auf Mallorca, und das war richtig kurios. Zuerst waren wir natürlich in Wien unterwegs – ich weiß gar nicht wo überall, wahrscheinlich in ganz Wien. Dann sind wir nach Mallorca geflogen und haben uns wie jede Mannschaft dort dementsprechend feiern lassen. Man hat uns auch erkannt, weil auf Sky vermeldet wurde, dass Pasching österreichischer Cupsieger wurde – und wir sind mit unseren Pasching-Trikots und Cupsieger-Leiberl am Strand gestanden. Die deutschen Touristen haben natürlich gefragt, ob wir der Cupsieger aus der dritten Liga sind. Aber kurios war etwas anderes.

LAOLA1: Und zwar?

Berger: Wir sind am Strand gelegen und haben einmal den Abend davor verdauen müssen. Auf einmal läutet das Telefon und Gerry Baumgartner ruft an. "Coach, was ist los?", hebe ich ab. Er sagt: "Du, wir müssen heimfliegen, wir haben ein Cup-Match!" Ein Cup-Match? Ich habe ihm erklärt, dass wir kein Spiel mehr spielen, sicher nicht heimfliegen und er mit irgendeiner anderen Mannschaft spielen soll. Es ging um ein Oberösterreich-Cup-Match gegen Donau Linz, für das wir nach einer der größten Sensationen der letzten 15 oder 20 Jahre unbedingt heimfliegen hätten sollen. Nach zwei oder drei Tagen sind wir dann doch in den Flieger gekrabbelt und haben mit Ach und Krach gewonnen. Ich kann mich erinnern, dass "Kerschi" damals am Strand gerufen hat: "Hans, leg auf, leg auf! Schmeiß das Telefon weg! Es ist wurscht, wir sind nicht da, die erreichen uns nicht." Das sind Anekdoten, wie sie normalerweise nicht passieren. Der ganze Cupsieg ist eine Wahnsinns-Geschichte, die so nicht so schnell wieder passieren wird.

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