Finnland Finnland FIN
Österreich Österreich AUT
Endstand
2:3
2:0, 0:1, 0:2
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ÖEHV-Team: Darf der Klassenerhalt noch das Ziel sein?

Plötzlich wirkt das Viertelfinale näher als der Abstieg. Doch der A-WM-Verbleib bleibt das erklärte Ziel. Darüber hinaus zu denken, sei verschwendete Energie.

ÖEHV-Team: Darf der Klassenerhalt noch das Ziel sein? Foto: © GEPA

Hand hoch: Wer hätte aus den Spielen gegen Rekordweltmeister Kanada und Olympiasieger Finnland mit vier Punkten gerechnet?

Wohl niemand, doch Weltmeisterschaften sind immer wieder für Wunder da. Alleine zwei gab es nun schon bei der aktuellen Endrunde - beide gehen auf die Kappe von Österreich. Dem "Liliput-Land", wie es das finnische Medium "Ilta-sanomat" formulierte.

Nun, die größte Eishockey-Nation sind wir gewiss nicht. Doch das ÖEHV-Team zieht reihenweise Fans wie Journalisten in seinen Bann. Und wird am Freitag auch im Ausland auf den Titelseiten zahlreicher Zeitungen zu sehen sein.

Die Jubelbilder gehen um die Welt, die Sensation gegen die "Ahornblätter" wurde gegen die "Suomi" nochmal überboten. "Ich habe gehört, dass es der erste Sieg für Österreich gegen Finnland war", sagte Teamchef Roger Bader etwas ungläubig. "Das habe ich gar nicht gewusst."

Dänemark war eine Ohrfeige zum richtigen Zeitpunkt

Der Schweizer war glücklich, dass sich die Mannschaft für die neuerliche Aufholjagd entsprechend belohnen konnte. Österreich lag nach dem ersten Drittel noch 0:2 zurück. "Wir haben nach einem schwierigen Start ins Spiel zurückgefunden, erneut riesige Moral gezeigt."

Mario Huber erzielte im Mittelabschnitt den Anschlusstreffer, Thimo Nickl stellte in der 50. Minute den Ausgleich her. Zuvor wurde Dominic Zwerger noch das vermeintliche 2:2 verwehrt. Benjamin Baumgartner sorgte 0,1 Sekunden vor Spielende für grenzenlose Freude.

"Manchmal braucht es so eine Ohrfeige."

Teamchef Roger Bader

Ganz allgemein ist der Turnaround nach dem WM-Auftakt gegen Dänemark, welcher doch gründlich in die Hose gegangen war, nicht hoch genug zu bewerten. "Manchmal braucht es so eine Ohrfeige", erklärte der 59-Jährige beim ORF.

"Das war ein Spiel, was bei den Meetings dann entsprechend so behandelt wird, um den letzten Ruck rauszuholen." Dadurch wurden die Sinne nochmal geschärft, seitdem legt Österreich gegen die Top-Nationen erfolgsbringende Tugenden an den Tag.

Das Team schwimmt auf der (Erfolgs-)Welle

(Artikel wird unterhalb des Videos fortgesetzt)

Der Teamchef strich besonders die Moral und den Charakter im Team hervor. "Wir hatten ein nicht so gutes Startspiel, sind gegen die Schweiz und Kanada zurückgekommen, jetzt auch gegen Finnland. Das zeigt, dass die Mannschaft sehr intakt ist."

Benjamin Baumgartner bestätigte den tollen Teamspirit, welcher ein Mitgrund dafür sei, dass man sich in einem "Flow" befindet. "Wir haben so eine gute Zeit im Hotel, abseits vom Eis verstehen wir uns alle richtig gut, halten super zusammen. Das macht die Gruppe so speziell."

Jeder Spieler ordnet sich dem Team unter, hält sich an den Gameplan. "Wir kämpfen füreinander, legen alles rein. Das zahlt sich aus", sagte der Schweiz-Legionär.

Die Chemie stimmt, dazu ist die nötige Qualität in den eigenen Reihen vorhanden. "Wir sind keine schlechte Mannschaft", betonte Baumgartner.

"Wir haben vorne und hinten sehr viel Potenzial. Wir haben Goalies, die uns jedes Spiel den Arsch retten, die unglaublich fangen", lobte er die bisherigen Leistungen von David Madlener und David Kickert. Letzterer wurde gegen Finnland sogar zum Man of the Match gekürt.

Hinzu kommt, dass keine Spur von Überheblichkeit zu erkennen ist. Aus den bisherigen Begegnungen wurden jeweils die richtigen Schlüsse gezogen, gleichzeitig wird das bereits Erreichte ausgekostet. Eine gefährliche Mischung für die Kontrahenten, wie es scheint.

"Wir denken nicht zu weit nach vorne, glauben auch nicht von uns, dass wir die Superstars sind. Wir spielen ziemlich simpel und kämpfen einfach", lieferte Kickert dahingehend die richtigen Worte.

So spielen sich die ÖEHV-Cracks nicht nur in die Herzen der tausenden Fans vor Ort und in der Heimat, sondern gewissermaßen auch in einen Rausch.

Viertelfinale? Der Klassenerhalt bleibt das Ziel

Allmählich ist man dazu verleitet, die Trauben etwas höher zu hängen - sprich das Ziel Klassenerhalt zu revidieren. Doch inmitten der großen Euphorie treten die Spieler selbst auf die Bremse.

"Der Klassenerhalt ist immer noch das Ziel", stellte Baumgartner klar. "Wir gehen von Spiel zu Spiel." Eine Sportarten-übergreifende Floskel, doch alles andere sei "Energieverschwendung", fügte der Angreifer hinzu.

Trotzdem musste die Frage nach einem möglichen Viertelfinale gestellt werden. Bader grätschte beim ORF sofort dazwischen: "Es ist noch vermessen, darüber zu sprechen, weil man für das Viertelfinale zwölf Punkte braucht."

Diese Ausbeute hätte man in den letzten Jahren zumindest gebraucht, "kaum jemand hat mit weniger als zwölf Punkten das Viertelfinale erreicht." Nach aktuellem Stand könnte Österreich theoretisch 13 Zähler erreichen, daran denkt jedoch niemand.

Pure Emotionen! Die Jubelbilder zum ÖEHV-Sieg über Finnland

Er fordert Demut: "Wir dürfen jetzt nicht so tun, als wären wir plötzlich gegen Norwegen und Großbritannien Favorit, das wäre total falsch. Wir müssen gegen diese beiden Mannschaften, genauso wie gegen Tschechien, mit dem gleichen Mindset wie in die letzten drei Partien gehen, sonst geht es schnell in eine andere Richtung."

Der Schweizer zog außerdem die WM 2022 in Tampere heran, als das ÖEHV-Team ähnlich sensationelle Resultate gegen die USA und Tschechien einfuhr, vor dem letzten Gruppenspiel gegen Großbritannien aber ebenfalls nur bei vier Punkte hielt und nach 40 Minuten vor dem Abstieg stand.

"Wir haben unser Ziel noch nicht erreicht, das werde ich der Mannschaft auch ganz klar sagen", so Bader. Das sei auch die Pflicht der Coaches. "Wir sind sachlich und werden es schaffen, die Mannschaft am Boden zu halten."

"Morgen ist ein neuer Tag"

Lauschte man den Worten der Cracks, schaffen sie dies auch alleine. Rossi sei als Beispiel hervorgehoben: "Heute können wir glücklich sein, aber morgen ist ein neuer Tag. Da wartet Tschechien."

Eine weitere Top-Nation, die jedoch eine etwas neue Situation bringt. Denn anders als bisher wird das ÖEHV-Team das Publikum gegen sich haben. "Sie werden die volle Unterstützung haben", wusste Rossi. 

Der Minnesota-Legionär strahlte große Vorfreude auf das Kräftemessen mit dem Gastgeber vor über 18.000 Zuschauern aus, erwartete im selben Atemzug aber ein sehr hartes Spiel. "Dafür müssen wir bereit sein."

In den nächsten Stunden geht es darum, sich zu erholen und neu zu fokussieren. Dann wird die Jagd nach dem nächsten Wunder von Prag eröffnet.



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