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Die neue Rolle von Tausendsassa Ralph Krueger

Ralph Krueger zwischen Premier League und NHL - im großen LAOLA1-Interview:

Die neue Rolle von Tausendsassa Ralph Krueger

Es ist eine höchst ungewöhnliche, ja einzigartige Karriere, auf die der seit Ende August 60-jährige Ralph Krueger bereits zurückblicken darf: Eishockey-Spieler in Deutschland, -Trainer in Österreich (Europacup-Sieger mit Feldkirch) und Teamchef in der Schweiz (beachtliche Erfolge bei WM und Olympia), dann sogar Head Coach in der National Hockey League in Edmonton und im September 2016 Cheftrainer von "Team Europe" beim World Cup of Hockey.

Danach Fußball-Präsident beim FC Southampton in der Premier League und nun zurück in der NHL in Buffalo – das schafft wohl nur einer wie Krueger - Trainer, Motivator, Vordenker – nicht nur im Sport.

Gerhard Kuntschik traf den Deutsch-Kanadier, der auch den Schweizer Pass besitzt, an seiner neuen Wirkungsstätte im Key Bank Center in Upstate New York.

LAOLA1: Wie kommt ein Erfolgs-Trainer im Eishockey zum Präsidenten-Amt im britischen Fußball – und retour auf einen Head-Coach-Posten der NHL?

Ralph Krueger: Ich war ab 2010 in diversen Wirtschafts-Foren sehr aktiv. Während meiner Olympia-Reise mit Team Canada 2014 wurde ich zu einem internationalen Kongress für Führungspersönlichkeiten eingeladen. Das inspirierte mich zu einer ganz anderen Rolle. Da kam ich in Kontakt mit Katharina Liebherr, der Besitzerin des FC Southampton (aus der Unternehmerfamilie Liebherr, Cousine der Weltklasse-Springreiterin Christina Liebherr, wohnhaft am Schweizer Bodensee-Ufer, Anm.). Sie ersuchte mich um Unterstützung. Das war zuerst einmal nur schnuppern, nach einigen Wochen entschieden wir: Okay, ich mach für ein Jahr den Präsidenten. Nun ... (schmunzelt), aus einem Jahr wurden fast sechs... Hauptziel war der Verkauf des Klubs, das erreichten wir (2018 wurden 80 Prozent an den chinesischen Investor Gao Jisheng abgegeben, Anm.). Ich blieb noch zwei Jahre für den Übergang. Aber ich wusste, es würde ein neues Leben geben. Ich hätte auch in der Premier League bleiben können, es gab Angebote.

Krueger mit Katharina Liebherr in Southampton
Foto: © getty

LAOLA1: Und wie führte der Weg zurück in die NHL?

Krueger: Die Kontakte rissen ja nie ab. Es gab Angebote, Klub-Präsident zu werden, aber ich dachte mir: In welcher Position kann ich mein Wissen am besten einsetzen? Für mich war das wieder der Trainer-Job. Der Kontakt zu den Sabres reicht sehr lange zurück, in die Zeit, als ich Konsulent der Carolina Hurricanes war, 2005 bis 2010. Der General Manager da, Jimmy Rutherford, wechselte später nach Pittsburgh und bot mir schon 2014 den Head-Coach-Posten an, als ich gerade den Job in Southampton annahm. Wir verloren den Kontakt nie. 2017 gab es das erste Gespräch mit Buffalos GM Jason Botterill, da passte es noch nicht, heuer war die Zeit aber reif - und so bin ich hier.

LAOLA1: Als Head Coach von Team Europe im Weltcup 2016 hast du wohl auch Kontakte aufgefrischt?

Krueger: Na klar. Das war ein spezielles Projekt, erstmals eine Mannschaft aus Stars aus acht Ländern aufzubauen. Ein Jahr dauerte die Vorbereitung mit Franz Reindl und Miroslav Satan – für vier Wochen Spielzeit! Das Projekt hatte sehr viel Risiko, es war völlig neu. Es lief aber sehr gut. Ohne die Erfahrung dieses Weltcups – in dem ja Thomas Vanek in unserer Mannschaft stand – wäre ich nicht hier in Buffalo.

LAOLA1: Die Sabres waren das Überraschungsteam der ersten Saison-Wochen. Hast du das so erwartet oder gar geplant?

Krueger: Es war weder eine Überraschung, noch haben wir diesen Start erwartet. Ich sagte kürzlich: Wir laufen einen Marathon, haben aber erst fünf Kilometer hinter uns. Wir lassen uns nicht ablenken, was immer passiert. Wir würden gleich weiterarbeiten, wäre der Start ganz anders verlaufen.

Ralph Krueger als Teamchef der Schweizer "Nati"
Foto: © GEPA

LAOLA1: Wie sieht der Weg aus?

Krueger: Jeden Tag besser werden. Immer wieder. Die Erfolge zu Beginn der Saison brachten uns überhaupt nicht vom Weg ab. Ich denke oft an meine Zeit in Feldkirch zurück, das war meine längste Klubtrainer-Zeit. Nach zwei Titeln dachte ich, was machst du jetzt? Aber es lief wie bei einer Maschine, in drei Bewerben – heimische Liga, Alpenliga, Euroliga. Das prägte mich. So ist es auch hier in Buffalo – wir arbeiten konsequent weiter.

LAOLA1: Welche Neuerungen hast du ins Team gebracht? Das System, Motivation, Selbstvertrauen?

Krueger: Vor allem Motivation, und die basiert auf offener und ehrlicher Kommunikation. Ich lege Wert auf Transparenz-Kultur, was in der NHL nicht so üblich ist. Wir sind zwischen Trainern und Spielern sehr offen in der Diskussion. Die Kaderveränderungen im Sommer waren alle im Team abgestimmt, ich nahm Einfluss, aber die Entscheidung war eine gemeinsame der Führung.

LAOLA1: Und im System?

Krueger: Ich vertrete den Weg, dass jeder Spieler Verantwortung hat. Da bin ich sehr streng, auch mit meinen besten Offensivspielern, wenn es um Defensivarbeit geht.

"Diese Erinnerungen sind unauslöschlich, das, was wir damals erlebten. Das bleibt immer eine spezielle Geschichte. Das haben nur wenige Klubs in Europa erlebt. Für mich war es meine Ausbildungszeit. Die Reise war einfach komplett – daher reizte es mich nachher nie wieder, Klubtrainer in Europa zu sein. Ich hatte Head-Coach-Angebote aus der Schweiz, Russland, Schweden – die waren alle ohne Reiz. Das Kapitel Feldkirch ist für mich ein heiliges."

Krueger über Feldkirch-Zeit

LAOLA1: Das erinnert an die Philosophie von Pierre Pagé in Salzburg, der immer betonte, "Five players, no position". Siehst du das auch so?

Krueger: Ja, grundsätzlich spielen wir so. Im modernen Eishockey verschwimmen die Aufgaben. Alle müssen verteidigen. Ich bin über die Einstellung meiner Spieler sehr glücklich.

LAOLA1: Du hast kürzlich "play connected" als deine Philosophie vorgestellt...

Krueger: Ja, es geht um das Verbunden-Sein der gesamten Mannschaft. Auf dem Eis, abseits davon. Wir müssen eine Einheit sein. Wer unter sich die Verbindung verliert, wird auch das Ziel verlieren.

LAOLA1: Welche Erinnerungen hast du an Feldkirch?

Krueger: Diese Erinnerungen sind unauslöschbar, das, was wir damals erlebten. Das bleibt immer eine spezielle Geschichte. Das haben nur wenige Klubs in Europa erlebt. Für mich war es meine Ausbildungszeit. Die Reise war einfach komplett – daher reizte es mich nachher nie wieder, Klubtrainer in Europa zu sein. Ich hatte Head-Coach-Angebote aus der Schweiz, Russland, Schweden – die waren alle ohne Reiz. Das Kapitel Feldkirch ist für mich ein heiliges. Klubtrainer in Europa war danach keine Herausforderung oder Entwicklungsmöglichkeit. Und nach den langen Jahren als Schweizer Nationalcoach gab es nur noch die Variante NHL. In Feldkirch wurde etwas möglich, weil wir an Prinzipien glaubten, und die Prinzipien werden auch hier in Buffalo gelebt.

LAOLA1: Gibt es noch Kontakte zu den Feldkircher Legenden?

Krueger: Ja, man sieht doch einige immer wieder, ich habe Kontakt mit früheren Mitarbeitern der VEU, mit Per Lundell, der jetzt Spielervermittler ist, und einigen mehr.

LAOLA1: Vielleicht macht beim nächsten NHL-Draft mit Marco Rossi ein Feldkircher Schlagzeilen?

Krueger: Wow! Ich erinnere mich an seinen Vater Michael, der hatte auch viel Talent.

LAOLA1: Bleibt Zeit, sich über die Ereignisse im deutschen, Schweizer und österreichischen Hockey zu informieren?

Krueger: Ja, vor allem durch meinen Sohn Justin. Und ich habe Kontakt mit Reinhard Divis (Ex-Feldkirch- und Salzburg-Meister-Goalie, Tormann-Trainer Nationalteam, Anm.).

LAOLA1: Was hältst du von den beiden NHL-Österreichern Michael Grabner und Michael Raffl?

Jahrhundert-Sensation! Ralph Krueger gewann mit VEU Feldkirch die European Hockey League 1998
Foto: © GEPA

Krueger: Beide nahmen eine sehr, sehr positive Entwicklung. Grabner war auf der Liste für den Weltcup der erste Ersatzmann, aber niemand verletzte sich. Er war wirklich knapp dran und hat alle Hoffnungen bestätigt. Auch Raffl hat eine tolle Karriere hingelegt, die auf seinem Charakter basiert. Ich habe beide ja lange beobachtet. Und Vanek war natürlich ein Top-Spieler.

LAOLA1: Wie fühlst du dich in der "Provinz" in Buffalo? Da gibt es ja vor allem die Sabres und die NFL-Footballer der Bills, aber kaum Ablenkungen wie in den großen Metropolen?

Krueger: Oh nein, hier gibt es mehr Ablenkung, als man denkt! Für mich ist Buffalo die europäischste Stadt, die ich in Nordamerika bisher kennenlernte. Es ist viel Europa hier in Kultur und Gastronomie. Der Vorteil war, dass es hier in den 1970er- und 1980er-Jahren kein Geld für Wahnsinnsprojekte gab. Hier wurden alte Gebäude geschützt. Wir wohnen etwas außerhalb im Grünen, da hast du Natur pur, kleine Lokale, Fußgängerzonen, Erholung am Fluss. Und Buffalo hat keinen Auto-Stau. Die Lebensqualität ist für meine Frau und mich eine der größten Überraschungen. Die Europäer sind hier sehr präsent. Ich wollte in keine Großstadt wie New York oder Los Angeles.

LAOLA1: Wenn du abends in ein Restaurant gehst, wirst du erkannt?

Krueger: Ja, die Leute hier sind wirklich sehr freundlich, ich meine echt freundlich.

LAOLA1: Was ist dein Saisonziel mit den Sabres, die jahrelang auf eine Playoff-Teilnahme warten?

Krueger: Das Ziel ist, im Rennen zu sein. Auch noch im Jänner, Februar. Zu den 20 zu gehören, die die Playoffs schaffen können. Ob es dann reicht, darüber reden wir nicht. Jetzt wollen wir einmal im Rennen bleiben.

LAOLA1: Buffalo begann auch vor einem Jahr stark und fiel dann aussichtslos zurück. Ist dieser Absturz noch in den Köpfen der Spieler drinnen?

Krueger: Ganz sicher. Aber ich meine das positiv. Es gab so viel Schmerzen in der vergangenen Saison, dass diese helfen, heuer neue Energie zu schöpfen.

LAOLA1: Wer ist Favorit für den Stanley Cup?

Krueger: Im Moment ist Boston klar die stärkste Mannschaft der Liga, die Bruins spielen wie Tampa Bay letztes Jahr. Aber es gibt 15 Teams, die den Cup holen können. Die Ausgeglichenheit ist gewaltig. Du musst vor jedem Respekt haben.

 

Zur Person:

Ralph Krueger. geboren am 31. August 1959 in Winnipeg, Kanada.
Eltern aus Deutschland ausgewandert, drei Pässe (Kanada, Deutschland, Schweiz).
Verheiratet mit Glenda - eine Tochter, die - wie auch Mama und Papa - seit April 2019 die Schweizer Staatsbürgerschaft besitzt.
Sohn Justin spielt beim SC Bern und war deutscher Nationalspieler.
Eishockey-Profi (rechter Flügel) in Deutschland (350 Spiele) und im Nationalteam 1979-89.
Trainer der VEU Feldkirch 1991-98. Ddabei fünf Mal ÖEHV-Meister, drei Mal Gewinner der Alpenliga, European-Hockey-League-Sieger 1998.
Schweizer Nationaltrainer 1998-2010 (WM-Vierter 1998).
Assistenztrainer Edmonton Oilers (2010-12) und Cheftrainer (2012/13).
Konsulent Team Canada (2013/14), Cheftrainer Team Europe beim World Cup 2016 (2.).
Seit 15. Mai 2019 Head Coach Buffalo Sabres (Dreijahres-Vertrag).
Von 2014 bis 2019 Chairman FC Southampton (Premier League). 

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