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Büchel: So schaufelt sich der Skisport sein eigenes Grab

Wie Marco Büchel die Zukunft des Skisports sieht, warum ihm bei Shiffrin der Rock 'n' Roll fehlt und er immer öfter zu einem Gewehr greift, verrät er Niki Hosp.

Büchel: So schaufelt sich der Skisport sein eigenes Grab Foto: © GEPA

Nicole "Niki" Hosp und Marco "Büxi" Büchel sind ehemalige Ski-Stars und Kollegen, die sich im Weltcup-Zirkus immer wieder über den Weg laufen.

Beide verbindet ihre innige Liebe zum Skisport, beide arbeiten als TV-Experten. Hosp ist für den ORF als Kamerafahrerin und Co-Kommentatorin im Einsatz, Büchel analysiert die Skirennen für den deutschen Sender ZDF.

Die Tirolerin Hosp war Riesentorlauf-Weltmeisterin 2007 in Are und gewann 2006/07 den Gesamtweltcup, der Liechtensteiner Büchel war Vizeweltmeister im Riesentorlauf 1999 in Vail/Beaver Creek und jubelte über insgesamt vier Weltcupsiege (2x Abfahrt, 2x Super-G). 

"Niki trifft..." ist ein Format, in dem ehemalige Kolleginnen und Wegbegleiter der dreimaligen Weltmeisterin aus der Tiroler 800-Einwohner-Gemeinde Bichlbach bei Reutte zu Wort kommen.

Die Gewinnerin von drei olympischen Medaillen (2006 Silber im Slalom und 2014 Silber in der Kombination sowie Bronze im Super-G) nützte eine Rennpause, um sich mit Marco Büchel auszutauschen.

Der charismatische 51-Jährige hatte viel zu erzählen und überraschte Hosp mit der einen oder anderen Aussage. Wie "Büxi" die Zukunft des Ski-Weltcups sieht und wo sich für den Liechtensteiner die besten Skigebiete der Welt befinden, erklärt er bei seinem Treffen mit Niki Hosp.

Büchel: "Ich würde meinen Job auch ohne Lohn machen!"

Büchel:
Büchel beim Weltcup-Abschied im März 2010
Foto: © GEPA

Der in Balzers aufgewachsene Büchel wurde insgesamt acht Mal zu Liechtensteins "Sportler des Jahres" gewählt. Niki Hosp war 2007 Österreichs "Sportlerin des Jahres".

Beide lieben ihren neuen Job und Büchel meint gegenüber Hosp sogar: "Ich mache das jetzt in meinem 13. Jahr und ich sage dir das jetzt ganz leise - ich würde diese Arbeit sogar ohne Lohn machen, weil ich diesen Job so liebe. Aber, das muss natürlich beim ZDF niemand wissen. Dabeizusein, dem Skisport, den ich über alles liebe, nahe zu sein und meine Einschätzung geben zu können, warum was passiert, das fasziniert mich total."

"Ich weiß nicht wie es dir gegangen ist", sagt mir Büchel, "aber nach meinem Rücktitt von der aktiven Laufbahn ist quasi mein Lebensinhalt komplett weggefallen. Und die Frage war für mich immer, was erfüllt mich. Und ich kann mich an die erste ZDF-Sendung erinnern. Plötzlich ist da das rote Licht an der Kamera und in meinem Ohr wird mir gesagt, ihr seid live. Plötzlich habe ich Emotionen gespürt, die nicht so intensiv sind wie beim Rennfahren, aber plötzlich war wieder so ein Aha-Erlebnis da. Das hatte einfach was. Auf den Punkt liefern in kurzen und prägnanten Sätzen, das fand ich schon spannend."

Da geht es mir genauso. Würde dich nicht auch die Kamerafahrt vor dem Rennen reizen?

Kamerafahrt? "Da stehen Risiko und Outcome nicht im Einklang"

"Ich habe vier Jahre lang Kamerafahrt gemacht, aber beim ZDF läuft das ja ein wenig anders als beim ORF, da wir ja immer den Wechsel mit dem ARD haben. Das bedeutet, wir beginnen beispielsweise mit Sölden, das nächste Event ist dann Levi oder Zagreb oder was auch immer. Bei diesem Wechselspiel der Sender kann es passieren, dass dann mein erster Einsatz auf einer Abfahrt in Kitzbühel erfolgt. Da war ich dann ein Jahr nicht auf Abfahrtsskiern unterwegs und dann gleich Kitzbühel zu fahren, das habe ich in den ersten vier Jahren gemacht. Dann habe ich aber festgestellt, die Abwägung Risiko und Outcome war nicht mehr im Einklang. Es war natürlich genial, aber irgendwann ist dann auch Schluss damit."

Das Risiko kann auch ich nicht leugnen, aber die Frauen fahren ja nicht in Kitzbühel... Wie bist du eigentlich mit den aktuellen Sportlerinnen und Sportlern vernetzt? Bist du Mentor, Helferlein, Einsager im Hintergrund oder ähnliches?

"Es gibt noch ein, zwei Athleten, die kommen jeweils zu mir um mein Feedback abzuholen und um meine taktischen Gedanken zu teilen. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich bin jetzt 13 Jahre nicht mehr dabei als Fahrer. Und da kommt eine neue Generation. Und diejenigen, mit denen ich einst noch gefahren bin, da hören die allerletzten jetzt auch auf - Beat Feuz, Johan Clarey oder Dominik Paris. Die Jungen kennenzulernen ist manchmal schwierig. Ich stelle mich den Fahren als ZDF-Experte vor und versuche so einen Austausch zu finden. Aber Mentor bin ich keiner."

"Ich wurde von jungen Fahrern schon mit Serviceleuten verwechselt. Ich habe mich vorgestellt und dann bekam ich zur Antwort, du bist doch der Servicemann von dem oder jenem. Das ist so. Meine Antwort ist dann immer: Ich bin auch einmal Ski gefahren. Nicht so gut wie du, aber auch einmal."

Kitzbühel ist größer als die WM oder Olympia!

Kitzbühel ist größer als die WM oder Olympia!
WM 2013, als Büchel einst Niki Hosp interviewte
Foto: © GEPA

Welches Highlight der Saison fällt dir immer wieder sofort ein?

"Kitzbühel! Vielleicht noch der 2. Durchgang des Riesentorlaufs in Adelboden, aber nein, es ist dann doch die Abfahrt in Kitzbühel. Mit dem ganzen Drumherum und der Bedeutung des Rennens sind das für mich die Highlights. Diese Rennen sind für mich größer als die Weltmeisterschaft oder die Olympischen Spiele. Diese Rennen in Kitzbühel oder in Adelboden zu kommentieren, erfüllen mich am meisten. Weil ich da aus dem Vollen schöpfen kann. Weil ich da auch aus eigener Erfahrung so viel weiß und diese Rennen sind unglaublich spannend. Ich lebe in Kitzbühel immer voll mit und vergesse mich dabei fast selber am Mikrofon."

Wo war dann dein Renn-Highlight als Fahrer? War das auch Kitzbühel, als LAOLA1 nach deinem Triumph im Super-G 2008 von "Kitz-Büchel" geschrieben hat?

"Wenn man Kitzbühel gewinnen darf, dann ist es natürlich das Highlight schlechthin! Es gab zwei Rennen, die mir emotional extrem viel bedeutet haben. Am 60. Geburtstag meines Vaters fand 2006 die Abfahrt in Lake Louise in Kanada statt. Ich habe im Sommer zu ihm gesagt, zum deinem Geburtstag gewinne ich dir das Rennen. Dann habe ich mir fünf Tage vorher eine Rippe gebrochen und wider Erwarten habe ich dann tatsächlich gewonnen. Dann habe ich ihn aus dem Zielraum angerufen und ihm zu Geburtstag gratuliert und gesagt, ich hoffe, das Geschenk gefällt dir. Das war emotional ein absolut genialer Moment."

"Der zweite unvergessene Moment war, als ich zwölf Monate vor meinem Rücktritt das Ende meiner Karriere angekündigt und gesagt habe, es gibt jetzt nur noch ein großes Ziel - ein Podestplatz in Wengen. Und ich wurde dann am Lauberhorn Dritter mit einer Hundertstelsekunde Vorsprung auf den Vierten. Das waren zwei ganz spezielle und emotionale Momente meiner Karriere. Aber natürlich, wenn du Kitzbühel gewinnst, dann checkst du das erst drei Tage später, was da eigentlich poassiert ist. Da prasselt so viel auf dich herein, das ist ein Overload, dein Gehirn schaltet ab und du nimmst nichts mehr auf. Das verdaust du tatsächlich erst später."

Großartig! Welch tolle Momente, Büxi! Kommen wir zurück in die diesen Winter. Wer ist aktuell für dich der beste Skifahrer und die beste Skifahrerin?

"Marco Odermatt ist unglaublich beeindruckend!"

"Bei den Männern ist es Marco Odermatt. Es geht nicht nur darum, dass er sehr viel gewinnt, sondern auch die Art und Weise wie er siegt. Als Experte ist es so schwierig einzuschätzen, warum er so schnell ist. Er fährt so einen kurzen, prägnanten, schönen, genialen Schwung. Er kann die Skier früher flach legen als andere, obwohl er dabei aussieht, als ob er ganz langsam wäre. Er kann unter Druck hervorragend arbeiten. Er ist alleine auf weiter Flur, was das Material anlangt. Was Odermatt da mitbringt als Gesamtpaket - das ist schon unglaublich beeindruckend."

"Bei den Frauen würde ich gerne Sofia Goggia sagen, aber ihr Fahrstil gefällt mir nicht. Der ist einfach vom Risiko geprägt, aber technisch nicht über jeden Zweifel erhaben. Ich muss jetzt einfach Mikaela Shiffrin nennen. Sie fährt einen Fahrstil, der von Ökonomie geprägt ist. Sie macht keine Bewegung zuviel, das muss ich ihr lassen. Sie hat einfach astrein Hüfte, Unterschenkel, Oberschenkel in der richtigen Stellung. Die Winkel passen. Sie hat keine zu breite Skistellung. Sie fährt technisch und taktisch sehr clever, aber ich finde sie (Anm.: Büxi denk sehr lange nach) - farblos ist das falsche Wort. Sofia Goggia bringt viel Farbe mit. Das ist wie einst bei Bode Miller. Sieg oder Sturz. Bei Mikaela ist diese Farbe, diese Tongebung nicht so da. Sie hat enorm Klasse und fahrtechnisch muss ich sie über alle loben, aber bei ihr fehlt mir Rock 'n' Roll. Es ist business as usual."

Wie siehst du die Zukunft für den Weltcup und den Skisport?

"Schwierige Frage. Da könnten wir jetzt stundenlang diskutieren. Eines darf man nicht vergessen: Das Format Slalom, Riesenslalom plus die Abfahrt, das gibt es seit 1966, als der Ski-Weltcup damals auf der Seidlalm in Kitzbühel gegründet wurde. Da wurde nichts verändert. Dass das noch funktioniert, überrascht mich. Das Interessante ist, die TV-Einschaltquoten stagnieren auf hohem Niveau - was heutzutage kein schlechtes Zeichen ist - aber ich denke schon, dass jetzt einige Diskussionen zu führen sind. Nur, jede Änderung muss Bestand haben. Man kann nicht etwas für ein halbes Jahr oder ein Jahr probieren und dann wieder aufhören damit. Deshalb befremdet mich die Diskussion bezüglich der Kombination und dem Parallel-Bewerb. Das ist für mich irgendwie schwer verständlich."

Mit dem Material schaufeln wir uns unser eigenes Grab!

"Jetzt kommt der zweite Punkt - das Material! Diese Carving-Ski - ich habe die Wandlung von den langen schmalen Skiern zum Carving-Material mitgemacht - das ist ein Segen und der größte Fluch zugleich. Wenn wir die Liste an Verletzungen anschauen, dann ist das der größte Fluch. Da muss sich etwas ändern, wir haben zu viele Verletzte und das ist für die Familien, die überlegen, ihr Kind in den Skisport zu geben, ein zu großes Problem."

"Wenn du mit 14 Jahren schon einen Kreuzbandriss hinnehmen musst, dann ist das ein Problem. Da schaufeln wir uns unser eigenes Grab. Dann kommt der Klimawandel dazu, dann kommt die Reiseplanung dazu und die Anzahl der Rennen, der Skirennsport steuert auf schwierige Zeiten zu - er ist trotzdem der geilste Sport, den es gibt! Der Sport ist so faszinierend und auch die Charaktere im Weltcup sind ganz besondere Menschen.

Es gibt auch ganz besondere Skigebiete. Welche drei Regionen zählen zu deinen Lieblingsgebieten?

Büchel und Cuche herzen Hosp bei der WM 2013
Foto: © GEPA

"Natürlich ist das einmal Malbun in Liechtenstein (lacht). Losgelöst von meiner Heimat ist es für mich Lech am Arlberg, dann Vail/Beaver Creek - das liegt mir sehr, sehr am Herzen und als drittes Gebiet würde ich sagen - wenn das Wetter passt - St. Moritz!"

Was isst und trinkst du auf der Skihütte?

In der Schweiz Rösti und in Österreich gibt es einen Germknödel und dazu muss es immer ein Weißbier sein. Ich liebe Weißbier. Auf einer Hütte trinke ich immer Weißbier, aber ich fahre nicht mehr so gerne Ski. Ich mache gerne Skitouren, Ski fahren ist nicht mehr so meins.

Und Apres Ski?

"Natürlich! Das muss sein."

Und welcher Ohrwurm muss dann laufen?

Während der WM war ich im "La Folie Douce" in Courchevel, einer der berühmtesten Apres-Ski-Bars in Europa. Da läuft Techno und kein Schlager. Weil Skihütte und Schlager, das geht mir mit der Zeit auf den Sack. Daher ist mir Techno schon lieber. Oder Rock 'n' Roll, oder normale Musik. Schlagermusik halte ich nicht lange aus.

Was treibst du eigentlich nach der Skisaison und im Sommer?

"Ich habe vor Jahren begonnen - und der eine oder andere wird das vielleicht nicht glauben - aber ich laufe Alpin-Marathons, ich bin Trailrunner geworden. Das bin jetzt schon mit viel Begeisterung acht, neun Marathons gelaufen. Aber ich habe ein neues großes Hobby. Ich bin Tontaubenschütze! Seit fünf Jahren bin ich begeisterter Tontaubenschütze, ich investiere unglaublich viel Zeit dafür. Andere spielen Golf, ich schieße Tontauben! Das ist ein Riesen-Hobby."

Büxi, vielen Dank für die interessanten Einblicke in dein Leben.

Niki's Versicherungs-Tipp: Den Lieblingssport der Österreicher:innen übt man am besten nur gut versichert aus – einfach. klar. helvetia.



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