news

Schlierenzauer steht auf der Bremse

Gregor Schlierenzauer über seine durchwachsene Saison und Gedanken abseits des Sports:

Schlierenzauer steht auf der Bremse Foto: © GEPA

Gregor Schlierenzauer springt aktuell eher höher als weiter.

Die Corona-Krise zwang die Skispringer Mitte März zu einer verfrühten Landung, seither hält sich der Tiroler auf der eigenen Terrasse fit und zeigt dabei seine beeindrucke Sprungkraft. Aus dem Stand überspringt Schlierenzauer eine Hürde, die ihm bis zur Brust reicht (siehe Video unten).

Die ganz großen sportlichen Sprünge sind dem 30-Jährigen in der abgelaufenen Saison nicht gelungen.

Ich habe nicht ganz das erreicht, was ich mir vorgenommen habe“, gibt Schlierenzauer gegenüber LAOLA1 zu. „In Anbetracht der Ausgangsposition bin ich aber nicht unzufrieden. In der Vorsaison habe ich selten einen zweiten Durchgang erlebt, bin zu Recht aus dem WM-Aufgebot und der Nationalmannschaft geflogen.“

"Es hätten mehr Ausreißer nach vorne dabei sein können"

Nach dem Kreuzbandriss 2016, einer Sinnkrise und einer weiteren Knieverletzung musste Schlierenzauer mit der Nicht-Nominierung für die Heim-WM in Seefeld 2019 einen weiteren Tiefschlag einstecken, der ihn auch über seine Karriere grübeln ließ.

Doch der einstige „Superadler“ raffte sich wieder auf und hat sich - mit Hilfe von Werner Schuster - zum Ziel gesetzt, mittelfristig wieder „in den elitären Kreis der Top-10“ zurückzukehren.

Die abgelaufene Saison war ein erster Schritt dahin. „Das Ziel war, die technischen Umstellungen, die wir im letzten Sommer vorgenommen haben, zu stabilisieren, Konstanz in die Leistung zu bringen und mich in die Mannschaft und erweiterte Weltspitze zurück zu kämpfen.“

Das hat mal besser, mal schlechter funktioniert. Schlierenzauers bestes Saisonergebnis war ein vierter Platz in Nizhny Tagil, dazu gab es drei weitere Top-Ten-Plätze im Einzel.

„Ich habe mich in den Top 20 etabliert, aber es hätten mehr Ausreißer nach vorne dabei sein können“, sagt der Tiroler, der mit 53 Weltcup-Siegen immer noch Rekordsieger ist.

„Ich war mitunter näher dran, als es den Anschein hatte, allerdings ist das Wenige, das es noch braucht, ein sehr sensibler Prozess."

Schlierenzauer über das Ziel Podestplatz

Den 54. Weltcupsieg oder zumindest das Podest sieht Schlierenzauer dennoch in Griffweite.

„Ich war mitunter näher dran, als es den Anschein hatte, allerdings ist das Wenige, das es noch braucht, ein sehr sensibler Prozess. Die technische Umsetzung muss hundertprozentig am Punkt sein, ein wenig Glück braucht es bei einem Freiluftsport auch, dazu kommen die Selbstverständlichkeit und Geduld. Und klar ist: Je breiter die Brust, umso einfacher geht’s von der Hand. Aber das Selbstvertrauen wächst erst, wenn sich die Leistung auch in der Ergebnisliste widerspiegelt.“

(Text wird unter dem Video forgesetzt)

Die Zusammenarbeit mit Schuster, der bereits im Skigymnasium Stams zu seinen Förderern zählte, soll auch unter dem neuen ÖSV-Cheftrainer Andreas Widhölzl fortgesetzt werden.

Mit dem 43-jährigen „Swider“ hat Schlierenzauer nun erstmals einen Cheftrainer, mit dem er selbst noch zusammen in einem Team gesprungen ist. Der 30-Jährige sieht darin weder Vor- noch Nachteil.

„An den Aufgaben und Zielen ändert sich nichts, ich habe bisher von jedem Trainer etwas lernen können und bin mir absolut sicher, dass dies auch jetzt der Fall sein wird. Der gegenseitige Respekt und die Wertschätzung sind definitiv groß, ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit.“

"Mich beschäftigen Fragen, die mehr Relevanz haben als der Sport"

Bis Schlierenzauer und Co. wieder abheben, dauert es allerdings noch ein wenig. Der April ist traditionell ein etwas ruhigerer Monat - auch ohne Corona.

„In der Regel dauert unsere Saison bis Ende März, im April stehe ich dann bewusst auf der Bremse, mache Urlaub und beginne langsam mit der Weichenstellung für das Sommertraining und die bevorstehende Saison. So gesehen ist es nicht ungewöhnlich, in dieser Phase des Jahres Zeit zu haben und diese auch zu Hause zu verbringen, der gravierende Unterschied sind die Umstände und Auswirkungen“, sagt Schlierenzauer, der eine Wohnung außerhalb von Innsbruck besitzt.

Dort spult der 30-Jährige auch in der „Offseason“ sein Fitness-Programm ab. „Was das körperliche Training anbelangt suche ich keinen Abstand, im Gegenteil. Ich brauche die Bewegung, um mich zu spüren und wohl zu fühlen. Ich versuche bestmöglich im Rhythmus zu bleiben, nutze mein Equipment zu Hause für tägliche Workouts.“

Mental hingegen sei er aktuell „weiter weg“ vom Spitzensport. „Mich beschäftigen Fragen, die mehr Relevanz haben als der Sport“, sagt Schlierenzauer. „Es braucht nach wie vor Vernunft und Disziplin, man macht sich schon sehr viele Gedanken.“

Kommentare