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Fünf Visionen für Marcel Hirscher

ÖSV-Superstar am Höhepunkt seiner Karriere. Wie könnte es weitergehen?

Fünf Visionen für Marcel Hirscher

Was nun?

Marcel Hirscher hat inzwischen bekanntlich alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt, und befindet sich mutmaßlich am Höhepunkt seiner sportlichen Schaffenskraft.

Fast alles, um ganz genau zu sein - ein Abfahrts-Sieg fehlt dem Triumphator von 57 Weltcup-Rennen noch. Auch Ingemar Stenmarks Allzeit-Rekord von 86 Weltcup-Siegen wäre noch ein legitimes Ziel, wenngleich eine ziemlich hohe Hürde.

Menschen brauchen Herausforderungen, Sportler ganz besonders. Menschen sind aber auch verschieden, Sportler sowieso. Manche können von der Jagd nach neuen Rekorden gar nicht genug bekommen, bei anderen erzeugen Seriensiege eher die Gefahr von Langeweile.

Und Marcel Hirscher?

Der gewinnt in Serie, jagt einen Rekord nach dem anderen - kokettiert jedoch zumindest zwischen den Zeilen trotzdem bisweilen mit dem Thema Langeweile oder zumindest einem gewissen Desinteresse an noch ausstehenden Rekorden.

Ansonsten würde es als frisch gebackener 29-Jähriger kaum einen Grund geben, einen weiteren Olympia-Start in Frage zu stellen oder gar ein Antreten in der kommenden Weltcup-Saison, schließlich ist die Konkurrenz zu einem guten Teil nicht gerade jünger als er.

"Trainieren werde ich sowieso. Ob ich nächstes Jahr weiterfahre oder nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich dann irgendwann mit der Bierwampen hier hocke", verspricht er zumindest intensives Training über den Sommer.

Die Wahrscheinlichkeit, dass der Salzburger 2018/19 die Mission achter Gesamtweltcup in Folge und die Verteidigung seiner beiden WM-Titel in Angriff nimmt, ist zumindest sehr, sehr hoch.

Die Frage, welche Visionen es mittelfristig für seine (sportliche) Berufs-Laufbahn gibt, stellt sich dennoch. Es wäre keine Überraschung, würde Hirscher auch selbst darüber grübeln. Seine Trainer tun es auf jeden Fall - Stichwort: Abfahrt.

LAOLA1 nennt fünf Visionen, wie es mit Hirscher in Sachen sportlicher Herausforderung und Motivation weitergehen könnte - manche vermutlich näher an der Realität, manche ein wenig fantasievoller.


Als Speed-Spezialist die Karriere verlängern:

Die Gefahr des plötzlichen Motivations-Verlustes scheint auch dem ÖSV bewusst zu sein. Herren-Chefcoach Andreas Puelacher drängt seinen Superstar durchaus eindringlich zum Umsatteln auf die Abfahrt. Es ist kein Geheimnis, dass Hirscher als passionierter Motorsportler gerne dem Geschwindigkeits-Rausch frönt. Nach Jahren der Dominanz in den technischen Disziplinen wäre es eine naheliegende Option, sich auf den langen Latten neuen Herausforderungen zu stellen. Die Idee spukt jedenfalls schon länger in seinem Kopf herum. "Es wäre das Verrückteste, einen Super-G und eine Abfahrt zu gewinnen", meinte er im Oktober 2015, ehe er knapp zwei Monate später in Beaver Creek im Super-G triumphierte. "Ich würde nicht sagen, dass ich das meiste Talent für die Disziplinen mitbringe, aber sicherlich nicht weniger als für andere Disziplinen", so Hirscher im März 2016. Das Potenzial schlummert also in ihm. Nach einer Rekord-Saison wie der aktuellen böte sich die ideale Gelegenheit, es auszuschöpfen und gleichzeitig die Jagd nach dem "depperten Glasbecher" bleiben zu lassen. Im ÖSV würden ihm alle Türen geöffnet werden, um ihn auch auf der Abfahrt zum Sieger zu machen. Sei es sofort oder nach dem folgenden WM-Jahr. Gelingt das, könnte er seinen Legenden-Status in diesem Sport, den er ohnehin schon hat, noch einmal auf ein anderes Level heben. Hirscher als Triumphator auf der Streif? Ein mehr als reizvoller Gedanke! Außerdem ist mehrfach bewiesen, dass sich auch weit jenseits der 30 große Erfolge in den Speed-Disziplinen einfahren lassen. Ließe sich Hirscher tatsächlich auf dieses Projekt ein, wäre es zur Freude vieler Fans wohl auch eine Karriere-Verlängerungs-Maßnahme, denn in einem Jahr ließe sich die Transformation zum Spitzen-Speed-Fahrer kaum bewerkstelligen. Hier müsste man in größeren Zeiträumen denken.


Rekordjagd: Weiter, immer weiter!

Es wäre nur allzu menschlich, wenn Hirscher früher oder später eine neue Herausforderung - sei es im Skisport oder außerhalb - brauchen würde. Aber, und dies ist ein großes Aber: Niemand außer ihm selbst weiß, ob dies so kommt. Er wäre nicht der erste Sportler, der seine größte Motivation aus der weiteren Einzementierung des Legenden-Status beziehen würde, der seine eigenen Bestleistungen immer und immer wieder ausbauen möchte, kurzum: Für den Siege eine positive Sucht sind und niemals Langeweile. Auf der Piste gibt es so gesehen bislang nicht das geringste Anzeichen einer "Amtsmüdigkeit". Und es würde durchaus noch einige Marken geben, die es verdienen, angestrebt zu werden. Nur als Beispiel ist vor allem das "Fernduell" mit Ingemar Stenmark auch abseits der Zahl 86 ein spannendes. Der Schwede nennt insgesamt 18 große und kleine Kristallkugeln sein eigen, Hirscher ist mit deren 17 noch Zweiter. Gerade bei den "kleinen" Kugeln hat der Salzburger noch Aufholbedarf. Stenmark eroberte acht Mal den Slalom- und sieben Mal den RTL-Weltcup - jeweils Rekord. Der ÖSV-Star schlug in den Disziplinen-Wertungen jeweils fünf Mal zu und ist damit auf Herren-Ebene jeweils die Nummer zwei, im Riesenlslalom gleichauf mit Ted Ligety. Auch in den Einzelsiegen ist Stenmark voran - im RTL steht es 46 zu 27, im Slalom 40 zu 27. Im Slalom wäre mit Alberto Tomba (35) auch noch eine männliche Legende zu überholen, mit Marlies Schild (35), Vreni Schneider (34) und Mikaela Shiffrin (30) zudem drei Damen, wobei Shiffrin noch genügend Zeit hat, ihre Siegbilanz auszubauen. Aber unabhängig von diesen statistischen Details: Quer durch alle Sportarten wurden in der Sportgeschichte schon genügend Legenden davon angestachelt, ihre Statistiken so weit wie möglich nach oben zu schrauben. Für den Fall, dass Hirscher die Werte von Stenmark tatsächlich erreicht, dürften sich daran ebenfalls einige Generationen die Zähne ausbeißen. Ganz zu schweigen davon, wenn Hirscher weiterhin den Gesamtweltcup als höchstes Gut betrachtet und seine Rekord-Serie weiter ausbauen sollte.


Motorsportler werden und die Dakar gewinnen:

Für den Fall, dass Hirscher seine Mission auf zwei Brettern als erfüllt ansieht, aber vom Profisportler-Dasein noch lange nicht genug hat, wäre ein Wechsel in den Motorsport ein ebenso reizvolles wie nicht unrealistisches Szenario. Hirscher bezeichnet sich selbst zwar nur als Hobby-Motorsportler, sein Talent (u.a. am Motocross-Bike) hat er aber schon mehrfach unter Beweis gestellt und von einem der Besten der Zunft bescheinigt bekommen. "Ich bin mir nicht sicher, ob er nicht einmal die Dakar im Auto oder am Erzberg mitfährt. Er ist schon extrem Motorsport-fanatisch", sagte Hirscher-Freund und Dakar-Champion Matthias Walkner, der mit dem 29-Jährigen schon mehrmals durchs Gelände gebrettert ist, gegenüber "krone.at". Walkner scherzt, er würde seinen Offroad-Buddy auch immer wieder anstacheln, sich motorisiert einem Wettkampf zu stellen. Er selbst sagt zwar, dass er auch im Skifahren noch Luft nach oben habe, der Reiz einer anderen Sportart würde in ihm womöglich aber noch mehr frischen Ehrgeiz entfachen. "Wenn man mitfahren kann um einen Sieg, ist das schon Motivation genug. Leute melden sich ja auch bei Hobby-Wettkämpfen an. Sonst fahre ich halt bei Autorennen mit, oder im Motocross-Hobbycup. Da habe ich auch wieder einen Wettkampf. Es läuft wahrscheinlich eh immer bei mir auf das Gleiche hinaus", sagt Hirscher über seinen Spaß am sportlichen Wettkampf. Durch seinen Freund Walkner und die Partner KTM und Red Bull könnte die Basis für eine Motorsport-Karriere idealer kaum sein, es liegt also ganz an ihm.


Den richtigen Zeitpunkt erwischen:

Eine der schwierigsten Fragestellungen für jeden erfolgsverwöhnten Sportler ist jene nach dem richtigen Zeitpunkt für den Rücktritt. Eine richtige oder falsche Antwort darauf gibt es kaum, außer wenn einem die Meinung von außen besonders wichtig ist. Warum nicht "zu früh" abtreten, so lange es, wie es so schön heißt, am schönsten ist? Warum nicht hinterherfahren und den Spott der Öffentlichkeit ertragen, wenn man selbst noch Spaß an der Sache hat, obwohl man leistungstechnisch bereits der nächsten Generation den Vortritt lassen muss? Gregor Schlierenzauer ist derzeit tendenziell ein gutes Beispiel für die zweite Variante. Aber so lange es den "Adler" nicht zu sehr stört, dass sein Nimbus der Unbesiegbarkeit längst dahin ist (oder so lange er daran glaubt, diesen wieder zu erlangen), ist es sein gutes Recht, die Karriere fortzusetzen. Letztlich spüren Sportler ohnehin meist, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Aber gerade Ausnahmekönnern wie Hirscher ist es zu wünschen, dass sie in dieser Frage das richtige Timing erwischen - nicht zu früh, um potenzielle Heldentaten liegen lassen, und nicht zu spät, um das eigene Denkmal ankratzen.

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Stratege einer modernen Ski-Zukunft:

Zum Schluss ein etwas weiter in die Zukunft gerichtetes Gedankenspiel. Man kann wohl außer Streit stellen, dass es wünschenswert wäre, wenn das Know-how Hirschers für den alpinen Skisport nach seinem Karriereende, wann auch immer das sein mag, nicht verloren ginge. Ski-Fans hören es vielleicht nicht allzu gerne, aber abseits der alpinen Kerngebiete hat dieser Sport in punkto öffentlicher Wirksamkeit durchaus noch Steigerungspotenzial - und dabei muss man nicht zwingend nur in die weite Ferne zu den leeren Tribünen bei Olympia in Pyeongchang blicken. Eine wunderbare Vision wäre es, wenn Hirscher irgendwann einmal als eine Art Stratege oder Manager den Weltcup-Zirkus vorantreiben würde. Ein Job, den es so momentan nicht wirklich gibt. Als abgetretener Superstar muss man nicht zwangsläufig Co-Kommentator, Privatier, Werbe-Ikone, Hotelier oder Skischulbetreiber werden. Hirscher wäre nicht nur wegen seines Bekanntheitsgrads dazu geeignet, den Alpinbereich in moderne Zeiten zu führen. Schon früh in seiner aktiven Laufbahn hat er über den ÖSV-Tellerrrand geblickt und sich ein zeitgemäß denkendes, funktionierendes und wirklich nichts dem Zufall überlassendes Umfeld zusammengestellt. Es wäre verwunderlich, wenn Hirscher selbst oder führende Köpfe aus diesem Umfeld nicht gute Ideen für eine Weiterentwicklung des Skisports hätten. Dass dies viel Arbeit (und Bürokratie) bedeuten würde, die der Salzburger nach seinem Karriereende nicht mehr notwendig haben wird, liegt auf der Hand. Aber "seinem" Sport würden seine Inputs fraglos gut tun. Vielleicht weckt dies seinen Ehrgeiz.


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