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Teil 2: Bernd Freimüllers Olympia-Lupe

Der LAOLA1-Scout knöpft sich die verbleibenden acht Eishockey-Teams vor:

Teil 2: Bernd Freimüllers Olympia-Lupe

Am Montag nahm LAOLA1-Scout Bernd Freimüller Gruppe A des olympischen Eishockey-Turniers in Peking unter die Lupe, erklärte den Modus und welche Spieler mit von der Partie sind - Hier geht es zu Teil 1 der großen Olympia-Vorschau >>>

Im zweiten Teil der großen Vorschau geht es den verbleibenden acht Teams, aufgeteilt auf die Gruppen B und C, an den Kragen. Zählt Titelverteidiger Russland erneut zum engsten Favoritenkreis? Inwieweit ist mit Schweden und Finnland zu rechnen? Wie wird es Dänemark mit den ICE-Cracks Nicolai Meyer, Sebastian Dahm und Emil Kristensen ergehen?

Fragen über Fragen, die Bernd Freimüller beantwortet:

Gruppe B

Russland

Noch dürfen die Russen wegen Dopingvergehen nicht unter eigener Flagge oder Namen antreten, aber auch unter dem Sobriquet „Russian Olympic Committee“: Der Titelverteidiger gehört wieder zum engsten Favoritenkreis. Die Vorbereitung ist die längste aller Teilnehmer – offiziell aus Covid-Gründen wurde die KHL schon am 15. Jänner unterbrochen, zwei Wochen Camp in Novogorsk ergaben den Endkader für die China-Reise.

Coach Alexei Zhamnov löste während der Saison Valeri Bragin ab, seine angeblich besseren Kontakte nach Übersee (wie auch die des frischgebackenen General Managers Ilya Kovalchuk) wurden aufgrund der Absage der NHL natürlich obsolet. Zhamnovs Coaching-Erfahrung beschränkt sich auf ein paar Monate bei HK Spartak Moskau, zuletzt war er Jugendleiter beim Hauptstadtklub. Nicht viel mehr Routine hinter der Bande weisen seine nicht weniger prominenten Assistenten Sergei Gonchar und Sergei Fedorov auf.

Im reinen KHL-Aufgebot stehen natürlich viele Cracks, die Bragin über die Jahre in den U20-Nationalteams betreute hatte. Die Altersspanne reicht von 20 Jahren (Defender Alexander Nikishin und Stürmer Arseni Gritsyuk) bis zum 34-jährigen Vadim Shipachyov, der mit 67 Punkten in 48 Spielen eindeutiger KHL-Topscorer ist. Ebenfalls ein bekannter Routinier: Center Artyom Anisimov, der nach knapp 800 NHL-Spielen im letzten Sommer nach Russland zurückkehrte.

Auch wenn wie so oft im russischen Eishockey nicht alles einer genaueren Überprüfung standhält – der Spielerpool aus der KHL ist so solide, dass Russland wieder ganz vorne mitspielen sollte.

Tschechien

Coach Filip Pesan bietet ein Gemisch aus KHL-, SHL- und NL-Legionären auf. Lediglich fünf Cracks aus der eigenen Extraliga (spielt während Olympia durch) schafften den Sprung nach Peking – die reichlich routinierten Tomas Kundratek (32), David Krejci (35), Michael Repik (33) und Vladimir Sobotka (34) bringen auch mehr (Krejci, Sobotka) oder weniger (Kundratek und Repik) NHL-Erfahrung mit.

Aber das Team weist doch einige Fragezeichen auf: Kann Simon Hrubec die für eine Nummer Eins notwendigen Leistungen abliefern? Nach Covid-Problemen könnte er auch Roman Will den Vortritt lassen. Gibt es in der Abwehr, in der mit Libor Sulak (sollte in der Hierarchie bereits ein Leader sein) auch ein Ex-EBEL-Crack steht, genügend Leistungsträger?

Libor Sulak
Foto: © getty

Kann Roman Cervenka, der neben Krejci als Offensivleader deklariert wurde, mit 36 Jahren noch das Tempo gehen? Mit Krejci, Jan Kovar und Michael Spacek hofft man auf eine starke Center-Achse, wobei sich Krejci zuletzt aber schon dem Extraliga-Niveau anpasste.  

Überhaupt ist das Team mit einem Durchschnittsalter von knapp 30 Jahren fast ein wenig überwuzelt, Spacek, ein Ex-Winnipeg-Pick, ist mit 24 schon das Teambaby. Es drohen wieder einige mühevolle Spiele in der Vorrunde und ein schnelles Aus danach, auch wenn Pesan durch die NHL-Absage die Karten neu gemischt sieht.

Schweiz

Die Schweiz rang in der Vorbereitung mit den Corona-Protokollen. Zuletzt mussten sich Denis Malgin und Dario Simion in Isolation begeben, vor allem der Ausfall von Puckhandler Malgin würde ein offensives Loch reißen.

Immerhin können die Eidgenossen auf Gregory Hofmann zurückgreifen. Die Columbus Blue Jackets lösten seinen Vertrag nach dem unzeremoniellen Abschied auf, bei einer Leihe nach Zug wäre er als NHL-Property nicht spielberechtigt gewesen.

Gregory Hofmann
Foto: © getty

Coach Patrick Fischer griff wie einige seiner Kollegen auf ein routiniertes Aufgebot zurück, Calvin Thürkauf ist mit 24 Jahren der Jüngste im Aufgebot. Am anderen Ende der Altersskala: Andres Ambühl (38) und Raphael Diaz (36), auch das Goalieduo Reto Berra (35)-Leonardo Genoni (34) hat seine erste Jugend schon hinter sich.  

Die größten Offensivhoffnungen kann Fischer sicher in Hofmann, Sven Andrighetto und Joel Vermin setzen, aber das Toreschießen könnte den Schweizern auf diesem Niveau nicht so leicht von der Hand gehen. Der zweite Gruppenplatz hinter den übermächtigen Russen wird wohl im Duell gegen Tschechien entschieden.

Dänemark

Das dänische Eishockey, einstmals ein durchaus guter NHL-Produzent, stagniert schon seit Jahren, verglichen mit Gruppengegner Schweiz auf einem noch niedrigeren Niveau. Kein Wunder also, dass sich das Olympia-Aufgebot von Coach Heinz Ehlers (ein Defensivfanatiker vor dem Herrn) aus altbekannten Namen zusammensetzt.

Mit Sebastian Dahm, Emil Kristensen und Nicolai Meyer stehen auch drei ICE-Cracks im Aufgebot, Dahm und Kristensen sollten auch regelmäßig zum Einsatz kommen. Dahms Backup Fredrik Dichow ist der einzige NHL-Prospect (Montreal Canadiens) im Kader.

Sebastian Dahm
Foto: © GEPA

Philip Bruggisser – beim KAC gewogen und zu leicht befunden, in der DEL eine große Nummer – und Kristensen sollten Powerplay-Zeit bekommen.

Im Angriff stehen mit Julian Jakobsen (34) und Morten Madsen (35) zwei reichlich angegraute Kaliber. Der Star des Teams ist Frans Nielsen (37), der nach langen NHL-Jahren heuer in Berlin anheuerte. Peter Regin oder Frederik Storm sind weitere langjährige Nationalspieler, die Jahr für Jahr im Aufgebot stehen.

Kann das Team noch das Tempo von ebenfalls älteren Gegnern wie der Schweiz oder Tschechien mitgehen? Alles andere als eine Heimkehr nach vier Spielen wäre eine Sensation, den KAC, Pustertal oder Wien würde eine baldige Rückkehr ihrer Cracks sicher freuen.

Gruppe C

Schweden

Vor allem für Schweden wurden die Karten nach der NHL-Absage völlig neu gemischt. Headcoach Johan Garpenlöv berief ein Aufgebot ein, dass sich aus der SHL, KHL und NL zusammensetzt.

Einige Rollen sind klar: Lars Johansson und Magnus Hellberg sollten sich im Tor die Einsätze aufteilen, Johansson blickt in St. Petersburg auf eine starke Saison zurück.

Henrik Tömmernes ist schon seit Jahren ein ganz starker Blueliner, Jonathan Pudas hat sich in der SHL als PP-Spezialist einen Namen gemacht. Ebenfalls mit überdurchschnittlichen Puckskills in der Defensive: Philip Holm (Jokerit Helsinki).

Philip Holm
Foto: © getty

In der Offensive ist das Team gleichmäßig stark besetzt, NL-Legionäre wie Anton Lander oder Marcus Krüger verfügen über reichlich NHL-Erfahrung, allerdings eher als Rollenspieler. Ein für mich dagegen nicht so bekannter Mann: Mathis Brome vom HC Davos, der nach ein paar Spielen in Detroit nach Europa zurückkehrt und sein erstes großes Turnier mit dem Nationalteam bestreitet.

Einziger NHL-Prospect im Team: Stürmer Pontus Holmberg, der im letzten Sommer einen Entry-Level-Deal in Toronto unterschrieb, aber noch in Växjö blieb.

Finnland

Routine, wohin man schaut – in einem Turnier mit vielen älteren Teams stellen die Finnen mit einem Durchschnittsalter von fast 31 Jahren den Rekord auf.

Valtteri Filppula (37), Marko Anttila (36), Leo Komarov (35) und Defender Juuso Hietanen (36) sind dabei die Super-Senioren im Team, unter 26 (Niko Ojamäki) war keiner zugelassen.

Coach Jukka Jalonen griff vor allem auf Legionäre aus der KHL (17) und NL zurück. Aus der heimischen Liiga, die durchspielt, schafften es nur Ohtamaa und Angreifer Saku Mäenalanen in den Kader. Nur logisch: Alle jungen Talente wechseln entweder in die NHL oder zum großen Geld nach Russland oder der Schweiz.

Valtteri Filppula
Foto: © getty

Sami Vatanen sollte im Powerplay von der blauen Linie die meisten Akzente setzen können, im Angriff blicken Ojamäki (Podolsk), Harri Pesonen (Langnau) und der schnelle Toni Rajala (Biel) auf starke Saisonen zurück.

Das Duell mit Schweden sollte über den ersten Platz in der Gruppe entscheiden – trägt die Routine und Sisu die Finnen wieder einmal tief ins Turnier?

Slowakei

Normalerweise wäre die Slowakei in einer solchen Gruppe die klare Nummer Drei, einen Bauchweh-Sieg gegen Lettland vorausgesetzt. Aber eine goldene Generation könnte das lange darbende Eishockey in den nächsten Jahren stark aufwerten.

Von den goldenen Jahrgängen 2004 und 2005 stehen mit Defender Simon Nemec und Flügel Juraj Slafkovsky zwei 04er im Kader, die auch hier für den anstehenden NHL-Draft Pluspunkte sammeln können. Nemec (spielt in Nitra) ist ein immens smarter Defender mit guter Beinarbeit, Slafkovsky (TPS Turku) ein schussstarker Flügel. Zwei Jahre älter und bereits von Columbus gedraftet: Defender Samuel Knazko, der das Erwachsenen-Eishockey in Turku gegen die WHL in Seattle eintauschte.

Ein Name, auf den NHL-Teams neben Nemec und Slafkovsky ein Auge werfen könnten: Peter Ceresnak – zwar schon 29, aber in Plzen mit einer ganz starken Saison. Er kann viel Eiszeit wegdrücken und auch offensive Akzente setzen.

Peter Ceresnak
Foto: © getty

Im Aufgebot von Craig Ramsey stehen neben Nemec nur vier weitere Cracks aus der heimischen Liga, wobei der 30-jährige Samuel Takac von Slovan Bratislava nicht einmal im Juniorenbereich zu Turnieren einberufen wurde und zwischenzeitlich sogar in Frankreich spielte.

Auf der blauen Linie verfügt Ramsey mit Ceresnak, Miroslav Rosandic und Frantisek Gernat über einige brauchbare Puckmover, ein eventueller Mangel an Größe ist sowieso kein Problem.

Im Angriff wiesen Marek Hrivik, Peter Cehlarik, Tomas Jurco und Libor Hudacek immer wieder Scorerfähigkeiten nach, Marko Dano und Michal Kristof sollten auch brauchbare Center abgeben.

Wenn sich von den Goalies (Konrad, Rybar, Tomek) jemand als Einser etablieren kann (zuletzt bei den WMs immer wieder eine Rotation wegen überschaubarer Leistungen), könnte die Slowakei vor einem guten Turnier stehen.

Lettland

Die Letten sind natürlich der große Außenseiter in dieser Gruppe, Coach Harijs Vitolins gab aber der Versuchung nicht nach, wie andere Teams vor allem auf Senioren zu setzen.

Klar, einige langjährige Cracks wie Oskars Cibulskis (33), Kaspars Daugavins (33), Martins Karsums (35) oder Lauris Darzins (37) sind weiter mit von der Partie. Allerdings nominierte er auch einige jüngere Cracks wie etwa Defender Nauris Sejejs (20), den Sohn des langjährigen Teamspielers Normunds.

Renars Krastenbergs
Foto: © GEPA

Villach muss nach den vielen Verletzungen der letzten Tage hoffen, dass wenigstens Renars Krastenbergs gesund zurückkehrt. Der schnelle Flügel spielte sich in der Teamhierarchie im letzten Jahr weit nach oben.

Nachdem die KHL für sie beendet ist, könnten sich einige Cracks von Dinamo Riga noch nach Auslandsengagements umsehen. Auch wenn etwa die Statistiken von Defender Ralfs Freibergs (zwei Assists in 34 Spielen) nicht viel hergeben, kenne ich ihn aus der KHL noch als überaus soliden Mann, der viel Eiszeit verträgt.

Alles andere als eine vorzeitige Rückkehr nach vier Spielen wäre für Lettland sicher eine Sensation…    


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