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Marco Rossi: Aller (NHL-)Anfang ist schwer

von Maximilian Girschele Foto: © getty

Die Lage von Marco Rossi bei den Minnesota Wild ist verzwickt.

Nach einer starken Rookie-Saison in der AHL und einer beeindruckenden Preseason ging der 21-Jährige mit großen Vorschusslorbeeren und Selbstvertrauen in sein erstes NHL-Jahr, 16 Spiele später ist all das jedoch Geschichte.

Der Vorarlberger wurde beim 6:1-Heimsieg gegen die Winnipeg Jets zum zweiten Mal in Folge und zum dritten Mal insgesamt in dieser Saison von Head Coach Dean Evason "gescratched". Der zwischenzeitliche Gang in die AHL rückt immer näher, wenngleich es für Rossi nicht der bevorzugte Schritt wäre (HIER nachlesen >>>).

Rossi wird nicht auf die Straße gesetzt

Auch die Wild sind sich noch unsicher, was sie mit dem Center machen sollen. "Wir diskutieren verschiedene Optionen für Marco, aber nur weil er die letzten paar Spiele verpasst hat, heißt das nicht, dass es das Ende der Welt ist", sagt General Manager Bill Guerin.

"Das heißt nicht, dass wir ihn auf die Straße setzen oder so etwas. Das ist ein Teil davon, ein junger Spieler in dieser Liga zu sein. Es läuft nicht immer so, wie man will", so der 52-jährige US-Amerikaner, hinter dessen Aussagen mehr als nur ein Fünkchen Wahrheit steckt.

Für die Entwicklung eines jungen Cracks ist Spielzeit extrem wichtig. Und dafür kann ein Rückschritt oftmals die Initialzündüng für eine umso größere Zukunft sein. Es gibt unzählige Beispiele, die Rossi in der aktuell schwierigen Situation Mut machen sollten.

First-Overall-Picks versprechen nicht gleich Punkte

Da wäre Joe "Jumbo" Thornton. Der inzwischen 43-jährige Kanadier wurde im NHL-Draft 1997 von den Boston Bruins an erster Stelle gewählt. Doch in seinem Rookie-Jahr hatte der Center richtig zu kämpfen.

In seinen ersten 25 NHL-Spielen verbuchte der spätere Hart-Trophy-Gewinner nur ein Tor. Rossi hält nach 18 Partien in der stärksten Eishockey-Liga der Welt bei einem Assist. Die Saison schloss Thornton mit sieben Punkten aus 61 Begegnungen ab, nur um in den Folgejahren zu einem Weltklasse-Center heranzuwachsen.

Gleich sieben Mal wurde Thornton ins All-Star-Team einberufen, zwischen 2005 und 2008 verbuchte er jeweils die meisten Assists aller NHL-Spieler. Drei Mal schloss er eine Saison mit über 100 Punkten ab, nur der Stanley Cup blieb ihm in Boston, San Jose, Toronto und Florida verwehrt. Dafür hängen WM- und Olympia-Gold in seinem Trophäenschrank.

Seine Bilanz nach 1.714 NHL-Spielen: 430 Tore, 1.109 Assists, 1.539 Punkte.

Die Bilanz späterer Center-Stars nach 25 NHL-Spielen:

Ähnlich erging es Vincent Lecavalier, der ein Jahr später zum First-Overall-Pick der Tampa Bay Lightning avancierte. Nach einem durchwachsenen Rookie-Jahr legte er eine starke Sophomore-Saison hin und führte das Team mit 25 Toren und 67 Scorerpunkten an.

Einige Jahre später gewann der Center mit den "Bolts" den Stanley Cup (2003/04), am Ende seiner Laufbahn fehlten ihm nur 51 Punkte auf die 1.000er-Marke. Auch viele aktive Stars hatten in den Anfängen ihrer NHL-Karriere mit der hohen Erwartungshaltung ihre Probleme.

Steven Stamkos etwa, den Tampa Bay zehn Jahre nach Lecavalier zum ersten Pick des NHL-Drafts 2008 machte.

Der schussstarke Center startete nach anfänglichen Schwierigkeiten (elf Punkte aus 25 Spielen) voll durch, ist mittlerweile Tampas All-Time-Leader in Toren und Powerplay-Toren. Zehn von 14 Spielzeiten beendete er mit einem Schnitt von mehr als einem Punkt.

Couture und Giroux mit Rossi vergleichbar

Die NHL-Einstiege von Logan Couture und Claude Giroux weisen Parallelen zu jenem von Rossi auf.

Couture wurde von den San Jose Sharks bereits 2007 an neunter Position gewählt, sein erstes NHL-Spiel bestritt der Kanadier allerdings erst während der Saison 2009/10, als ihn die Sharks nach beeindruckenden AHL-Leistungen (53 Punkte in 42 Spielen) hochzogen. Der endgültige Sprung gelang ihm im darauffolgenden Jahr.

Giroux, ein Jahr vor seinem Landsmann von den Philadelphia Flyers gewählt, schaffte den Aufstieg in die NHL auch erst im Jänner 2009. Zuvor konnte er sich im Saisonvorbereitungscamp der Flyers nicht für einen Kaderplatz empfehlen, überzeugte dann aber in der AHL und war sogar Spieler des Monats Dezember.

Couture, ähnlich wie Rossi ein Two-Way-Center, hält nach 14 Jahren in der NHL bei 652 Punkten aus 867 Partien - Giroux verbuchte gar schon 941 Scorerpunkte.

2010er-Picks hatten es schwer

Bei Tyler Seguin sind es zwar ebenso beachtliche 702 Torbeteiligungen in 844 Begegnungen, doch auch seine Rookie-Saison verlief nur schleppend - wenngleich er 2011 mit den Boston Bruins über den Gewinn des Stanley Cups jubeln durfte.

Mika Zibanejad hatte ebenfalls keinen leichten Start in seine NHL-Karriere, wurde nach neun Spielen zu Beginn der Saison 2011/12 zurück nach Schweden geschickt, wo er in der SHL für Djurgardens IF auflief. 2014/15 spielte sich der Center mit iranischen Wurzeln im NHL-Kader der Ottawa Senators fest, die ihn 2016 an die New York Rangers abgeben sollten.

Mark Scheifele - der 2011 direkt nach Zibanejad an siebter Stelle gewählt wurde - war früh ein Wandervogel. Die Winnipeg Jets schickten ihn zurück in die OHL, dann in die NHL und zum Saisonende schließlich für die Playoffs in die AHL. Das folgende Jahr startete er wieder in der Ontario Hockey League, ehe ihm 2013/14 der fixe Sprung in die NHL gelang.

Aleksander Barkov dagegen war nach der Talenteziehung 2013 sofort ein Teil der Florida Panthers, die ihm trotz mäßiger Leistungen immer die Stange hielten und die Entwicklung des finnischen Centers damit auch nachhaltig förderten.

Die aktuelle Karrierebilanz der Center-Stars in der NHL:

Draisaitl musste gar zurück in die WHL

Das wohl bekannteste Beispiel, vor allem aus deutschsprachiger Sicht, ist Leon Draisaitl. Im NHL-Draft 2014 von den Edmonton Oilers an dritter Stelle gepickt, erkämpfte sich der Kölner sofort einen Platz im Lineup der kanadischen Franchise. Die zu diesem Zeitpunkt auf der Center-Position noch dünn besetzt war.

Nach 37 Spielen, in denen er neun Scorerpunkte verbuchte, schickten ihn die Oilers im Jänner 2015 allerdings zurück in die WHL, wo er bei den Kelowna Rockets zum wertvollsten Spieler der Playoffs ausgezeichnet wurde, den Gewinn des Memorial Cups durch eine Niederlage im Finale gegen die Oshawa Generals jedoch verpasste.

In der folgenden NHL-Preseason bestritt Draisaitl sämtliche Spiele für die Oilers, allerdings auf der Position des linken Flügelstürmers. Trotzdem wurde er zwei Tage vor dem Saisonstart aus dem NHL-Kader gestrichen und zum AHL-Farmteam Bakersfield Condors geschickt.

Ende Oktober 2015 wurde er wieder in die NHL hochgezogen, nach einer Verletzung von Connor McDavid kehrte er auch wieder auf die angestammte Center-Position zurück. Der Deutsche wirkte gereifter, verbesserte sich insbesondere im Bereich der Athletik und des Skatings.

Das Jahr schloss er mit 51 Scorerpunkten ab, 2016/17 waren es schon deren 77. Seine bislang erfolgreichste Saison absolvierte Draisaitl 2019/20, als er nach 110 Torbeteiligungen in 71 Partien die Art-Ross-Trophy, die Hart-Trophy und den Ted-Lindsay-Award holte. 

Gemeinsam mit Connor McDavid bildet er das Rückgrat der Edmonton Oilers und soll die kanadische Franchise zum ersten Stanley Cup seit 1990 führen.

Nicht jeder ist ein McDavid

Es zeigt sich, dass eine (offensiv) durchwachsene Rookie-Saison keineswegs einen Beinbruch auf dem Weg zum NHL-Star darstellt.

Nicht jeder ist ein Connor McDavid oder Auston Matthews, die sofort einschlugen und sich den Superstar-Status erarbeiteten. Die Erwartungshaltung ist - insbesondere in heimischen Gefilden - natürlich hoch, immerhin war Rossi der erste österreichische NHL-Erstrundenpick seit Michael Grabner 2006.

Trotzdem muss man die Kirche im Dorf lassen. Ja, Rossi muss spielen. Ein Platz auf der Tribüne bringt ihm genauso wenig wie den Minnesota Wild. Ja, ein Punkt aus 16 Spielen ist zu wenig. Das weiß Rossi auch selbst. Doch defensiv war das bislang grundsolide, der Einsatz passt und der Vorarlberger ist ohnehin als harter Arbeiter bekannt.

Der 21-Jährige musste in seiner Karriere schon viele Rückschläge verdauen, ist aber eben erst 21. Er hat noch seine gesamte, hoffentlich lange Karriere vor sich. Und er wird aus diesem Tief viel mitnehmen. Vielleicht sogar mehr, als wenn er in die AHL geschickt wird.

Aber es ist eben "nicht viel Platz" im Lineup, wie Bill Guerin selbst betonte. Und Selbstvertrauen lässt sich aktuell wohl eher in Iowa sammeln. Aber diese Entscheidung liegt schlussendlich sowieso nicht in Rossis Händen, sondern in jenen der Verantwortlichen.

Und die werden schon die richtige Entscheidung treffen. Genauso wie dem ÖEHV-Juwel weiter eine große NHL-Laufbahn bevorsteht.

Vanek über Rossi: "Er denkt zu viel nach" Eishockey - NHL Österreichs ehemaliger NHL-Star verfolgt die Leistungen des Wild-Rookies ganz genau. So schätzt Vanek die aktuelle Situation ein.
Textquelle: © LAOLA1.at