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Michi Raffl und die Stars - die Zahlen passen

von Bernd Freimüller Foto: © getty

Die dritte NHL-Station für Michael Raffl: Nach den Philadelphia Flyers und den Washington Capitals nun die Dallas Stars.

Der 32-Jährige unterschreibt im Süden der USA für ein Jahr, kassiert dafür 1,1 Millionen US-Dollar und steht im Roster eines Teams, das in Sachen Stanley Cup sicher nicht chancenlos sein wird - ferner Raffl überhaupt so lange an Bord bleibt.

LAOLA1-Scout Bernd Freimüller wirft einen Blick auf den neuen Vertrag des Villachers und wie dieser die Gehaltssituation in Dallas beeinflusst:

Aus meiner Vorschau auf die Free Agency: "Michi Raffl strebt dem Vernehmen nach einen Zwei-Jahres-Deal an. Angesichts seiner überschaubaren Produktion würde ich mich nicht daran klammern, auch sein Gehalt wird sicher nach unten gehen. Ist er dazu bereit, könnte er bei so manchem Team mit Cap-Problemen, das billigere und vielseitige Spieler zur Auffüllung des Kaders braucht, zum Zuge kommen."

Genau so kam es auch: Raffl bekam einen Ein-Jahres-Vertrag, statt 1,6 Millionen wie zuletzt (im Schnitt) verdient er nun 500.000 Dollar weniger. Angenehmer Nebeneffekt aber: Dallas ist einer von acht US-Bundesstaaten ohne Einkommenssteuer! Der Kontrakt ist ein Ein-Weg-Vertrag, ohne jegliche Klauseln oder Zusätze.

Raffls Verträge über die Jahre (ohne Performance Boni):

2013/14: 792.500 USD

14/15: 1 Mio

15/16: 1,2 Mio

16/17: 2,35 Mio

17/18: 2,35 Mio

18/19: 2,35 Mio

19/20: 1,8 Mio

20/21: 1,4 Mio

21/22: 1,1 Mio

Raffls Drei-Jahres-Vertrag in Philadelphia von 2016-19 war sein ertragreichster, der auch das Resultat seiner punktebesten Saison 2014/15 war (31 Punkte in 82 Spielen). Zuletzt korrelierten Punkteausbeute und abfallendes Gehalt ziemlich. Ob es Raffls Idee oder die von seinem Agenten Jerry Buckley war, nicht vergangenen Vertragshöhen nachzutrauern, weiß ich nicht, aber das ist durchaus ein probates Mittel, sich nicht aus der NHL rauszupreisen. Heuer gab es etwa 100 offene Spots in der Liga für UFAs, 150 Kandidaten standen bereit.

Der Kader wirkt sehr aufgeräumt

Wie ich auch geschrieben habe: Raffls Vertrag passt gut in ein Team wie Dallas, das am oberen Ende der Salary Cap anstreift bzw. schon darüber hinaus ist.

Die Stars stehen derzeit mit einem Gehaltsgesamtvolumen von 84,5 Mio. da, drei Millionen also über der wegen Corona gleichbleibenden Obergrenze von 81,5 Mio. Was bedeutet das?

General Manager Jim Nill hat im Gegensatz zu vielen seiner Amtskollegen keine größeren offenen RFA-Verträge mehr. Lediglich die Minor Leaguer Joseph Cecconi und Jerad Rosburg müssen noch unterschreiben, Qualification Offers bekamen sie. Keiner der Beiden spielte letzte Saison auch nur ein Spiel in der NHL, ihre Verträge dürften daher keine Belastung darstellen.

Den letzten echten NHLer auf der Reserve List, den finnischen Flügel Joel Kirvanta, stattete Nill am Samstag mit einem neuen Zwei-Jahres-Vertrag zu je 1,05 Millionen aus. Raffl ist damit in der nächsten Saison im Gehaltsranking der neuntteuerste Angreifer, insgesamt bekommen 17 Stars mehr als der Villacher.

Der Stars-Roster sieht im Gegensatz zu vielen anderen so aufgeräumt und übersichtlich aus, dass ich Nill fast verdächtige, auf seinem Schreibtisch die Bleistifte nach Größe zu ordnen. Wie gesagt, keine offenen RFAs, daher auch keine Arbitration. Keine offenen Summen von Buyout-Spielern, kein "Dead Cap" von übernommenen Vertragsteilen getradeter Cracks. Keine Leichen auf ewiger "Injured Reserve", auch keine "Recapture"-Strafe für ältere, zurückgetretene Spieler. Wären doch nur alle NHL-Roster so leicht zu lesen.

Torhüter sind zu viele da

Mit drei Torhütern, sieben Defendern und 14 Stürmern mit echter NHL-Erfahrung könnte die Saison für die Stars fast schon morgen beginnen. Aber gerade auf der Goalie-Position muss und wird noch etwas passieren, damit Dallas unter die Cap-Obergrenze kommt. Nill holte in der Free Agency überraschend Braden Holtby, der aber in Vancouver nie an seine besten Zeiten in Washington anschließen konnte. Mit ihm, Anton Khubodin und Ben Bishop verfügen die Stars über drei NHL-erfahrene Goalies. Dazu kommt noch Jake Oettinger, der letzte Saison 29 größtenteils blitzsaubere Partien hinlegte und dem die Zukunft gehört. Oettinger ist neun Jahre jünger als Holtby, zwölf bzw. dreizehn als Bishop und Khubodin, sollte eigentlich die Chance bekommen, sich weiter zu beweisen.  

So aufgeräumt Nills Roster sonst dasteht, scheint also die Torhüterriege überdimensioniert. Doch Bishop liegt schon seit neun Monaten nach einer Meniskusoperation flach. Die einzige Frage: Setzt ihn Nill auf die Off-Season Long-Term-Injured-Reserve oder macht er das erst nach Saisonbeginn? Das ergibt verrechnungstechnisch einen Unterschied, die Probleme beginnen erst, wenn sich Bishop fit meldet. Da müsste Nill hoffen, dass es für einen seinen Goalies einen Markt gibt. Oettinger wird auf jeden Fall bleiben, für ihn ist von der Nummer 1 bis zum AHL-Starter alles möglich. Bishop und Khubodin haben beide (modified) No-Movement-Clauses, können also nicht so ohne Weiteres getradet werden. Holtby könnte auf einem Markt, auf dem es nur wenige Goalies gibt, sicher wertvoll sein, ein interessiertes Team müsste aber sein Gehalt von zwei Millionen Dollar übernehmen.

Ein Trade ist im Bereich des Möglichen

Zurück zu Raffl: Er muss auch durchaus damit rechnen, dass er die Saison nicht in Dallas beenden wird. Spieler wie er, die im letzten (bzw. einzigen) Vertragsjahr stehen und überblickbares Geld machen, sind für so manches Team zur Trading Deadline zur Kaderauffüllung interessant. Im reichlich geriatrischen Stars-Aufgebot (sieben Spieler sind 34 und älter, dreizehn über die 30 hinaus) muss über kurz oder lang eine Blutauffrischung her, einige zusätzliche Draftpicks würden hier guttun. Ryan Suters neuer Vertrag, den er nach seinem Buyout in Minnesota unterschrieb, trägt ihn in sein 40. Lebensjahr.

Immerhin laufen die Kontrakte von anderen Oldies wie Andrej Sekera, Blake Comeau, Alexander Radulov (alle 35) und Joe Pavelski (37) im Sommer 2022 aus, die von Bishop und Khubodin ein Jahr später.

Die Stars schossen letzte Saison mit Platzpatronen, 158 Tore in der Vorsaison waren zu wenig für das Erreichen der Playoffs und das ein Jahr nach dem Erreichen des Stanley-Cup-Finales. Auch wenn Tyler Seguin und Alexander Radulov wieder fit sein sollten, sind große offensive Ausbrüche nicht zu erwarten.

Raffls Stärken und Schwächen sind nach acht Saisonen mittlerweile bekannt. Ein offensives Aufflackern in engen Partien könnten seine und die Chancen der Dallas Stars erheblich erhöhen.

Textquelle: © LAOLA1.at