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Freimüllers Reisebericht: News aus Tschechien

von Bernd Freimüller Foto: © GEPA

Nur kurze Zeit nach der Slowakei-Tour stand für LAOLA1-Scout Bernd Freimüller die tschechische Extraliga auf dem Reise-Programm. Was ist der Status Quo? Wer sind die großen Stars? Wie schlagen sich Ex-EBEL-Spieler? 

Auf der To-Do-Liste standen fünf Spiele in sechs Tagen, vom westlichsten Böhmen mit Karlovy Vary über den Norden an der deutsch-polnischen Grenze (Liberec) bis nach Schlesien (Ostrava), dazu noch zwei Zwischenstopps in Brünn.

Immer wieder wird dabei klar: Die höchste tschechische Eishockey-Liga ist im europäischen Vergleich eine starke, sie leidet aber in mehreren Aspekten unter der KHL:

Grundsätzlich ist die Tipsport-Liga eine, die ich das ganze Jahr über beobachte, da mit Brünn, Olmütz und Zlin drei Städte in Fahrdistanz von Wien liegen.

Samstag-TV-Spiel ermöglicht Wochenend-Triple-Header

Im Gegensatz zur Slowakei, die strikt an ihrem Freitag-Sonntag-Rhythmus (mit einigen Dienstag-Runden) festhält, gibt es in Tschechien eine bessere Chance auf gute Schedules. Jeden Samstag ist ein TV-Spiel angesetzt, was einen Wochenend-Triple-Header ermöglicht.

Dazu kommen noch viele Spiele an Wochentagen, der Grund dafür ist logisch: Im Gegensatz zur Slowakei (und der EBEL) gibt es viele Mehrzweck-Arenen, Konzerte und ähnliche Gigs machen Verschiebungen nötig.

Freimüller auf Reisen: Was passiert in Slowakei? Eishockey - International Der LAOLA1-Experte war wieder beim Nachbarn und zeichnet ein tristes Bild.

Die Arenen

Lange her, dass eine Eishalle nur ein "Zimni Stadion" war, in den letzten Jahren kamen mit Karlovy Vary (Karlsbad), Liberec (Reichenberg), Chomutov, Trinec und natürlich Prag einige neue und wunderschöne Arenen dazu. Die Hallen in Brünn, Pardubice, Vitkovice (Ostrava) und Hradec Kralove (Königgrätz) wurden renoviert, das macht neun (relativ) moderne Hallen.

Alt, aber mit guten Sichtlinien ausgestattet, sind Zlin sowie die immens steilen Ränge in den Hallen in Plzen und Litvinov – drei Stadien für Eishockey-Romantiker. Im Gegensatz zur Skoda-Stadt Mlada Boleslav (mit 4200 Plätzen die kleinste Halle) und Olmütz (ziemlich versifft und eisig) macht auch dort ein Besuch auf der Tribüne Spaß.

Die Namen sind mittlerweile Schall und Rauch – die Sponsor-Namen in den Arenen, die ich besuchte, lauteten "DSFG", "Realistic", "Home Credit" und "Ostravar". Wer dahintersteckt, ist nicht wichtig, nach ein paar Jahren kommt ohnehin ein neuer Sponsor und damit ein neuer Name.  In Zlin (Ludek Cajka) und Litvinov (Ivan Hlinka) wurden die Hallen nach ehemaligen Spielern benannt, lediglich in Olmütz steht noch ein "Zimni Stadion" (Eishalle).

Der amerikanische Einfluss ist nicht nur bei Sponso-Nnamen sichtbar. Am Eingang zum VIP-Club in Liberec stand zu lesen: Dress Code – Smart Casual. Das kenne ich sonst nur aus US-Restaurants. Liberec ist auch die einzige mir bekannte Arena, wo im Fanbereich Prosecco und Aperol ausgeschenkt wird…

Das Niveau

Wichtig, dass fast alle Spiele knapp waren, nichts ist mehr lähmend als bald klare Scores. Das Tempo ist sicher höher als in der Slowakei, der "Left-Wing-Lock" ist bei einigen Teams aber weiter modern.

Was mir immer wieder auffällt und auch ein großer Unterschied zur EBEL ist: Die Liga wurde über die Jahre größer, vor allem die Defender sind meist wahre Hünen. Auch wenn die Größe natürlich nicht mit übermäßigen Puckskills Hand in Hand geht (Puck Moving Defenders sind Mangelware) – die meisten von ihnen sind brauchbare bis gute Eisläufer und bringen vor allem Reichweite mit.

Natürlich kann das Niveau in Tschechien nicht mit dem bei uns verglichen werden, aber als Regelwert gilt: Nimm einen österreichischen Crack, addiere bessere Beine und Hände und etwa sieben Zentimeter und 15 Kilo – die Addition davon macht den Unterschied zwischen einem Team wie Tschechien (im zweiten Level hinter der Weltspitze) und Österreich (im Aufzug zwischen A- und B-Gruppe).

Die Extraliga steht für mich klar hinter der KHL und Schweden, das Skill-Level ist für mich aber höher als in der aufgeblähten finnischen Liga, die allerdings noch mehr unter der riesigen Abwanderung leidet.

Ein Quervergleich dieser beiden Ligen mit der Schweizer National League wäre sicher interessant, eine definitive Aussage fällt mir schwer. EBEL-Teams sind natürlich in einzelnen Spielen gegen tschechische Teams nicht chancenlos, dafür sorgt schon die immense Anzahl an Legionären hierzulande. Doch das klare Ausscheiden von Bozen gegen Pilsen (damals noch gar nicht in Hochform) zeigt den Unterschied der beiden Ligen.

Teams wie Trinec, Liberec oder Kometa Brno zählen für mich auch in Europa zu den besseren Teams, Pilsens Aufstieg ins CHL-Halbfinale spricht auch dafür, dass die Extraliga ihr Niveau zumindest halten konnte.

Die Stars

Von den Spielern in Übersee abgesehen, leidet das tschechische Eishockey natürlich vor allem unter der KHL, wo gleich 24 Cracks gutes Geld verdienen. Diese Spieler gehen der Extraliga natürlich stark ab, sodass die besten Teams zwei offensiv gute Blöcke, die schwächeren maximal einen aufbieten können.

Dennoch gibt es immer wieder einige Tschechen, die nach ihrer NHL-Karriere zu ihren Ex-Teams zurückkehren, obwohl sie noch anderswo gutes Geld verdienen könnten. Dazu gehören etwa der souveräne Defender Ladislav Smid (Liberec) oder Center Jan Kovar – der KHL-Klassemann nahm heuer einen Anlauf in Boston, seine "X-Beine" erwiesen sich wenig überraschend als zu hohe Hürde. Nach seiner Rückkehr hob er Pilsen gleich auf ein weit höheres Niveau. Ebenfalls vor Jahren in seine Heimatstadt zurückgekehrt: Rostislav Olesz (Vitkovice), der aber auf eine ellenlange Verletzungsakte zurückblickt.

Langjährige Extraliga-Stars: Sniper Martin Ruzicka (Trinec), der smarte Center Jan Koukal (Hradec Kralove) oder der auch mit 37 Jahren noch immer muntere Defender Martin Sevc (Liberec).

Powerplay-Spezialisten von der blauen Linie sind natürlich eine Rarität – entwickelt sich einer wie vor zwei Jahren Radim Simek in Liberec, wird er natürlich sofort von der NHL oder wenigstens der KHL aufgesogen.

Die Goalie-Posten sind ebenfalls nicht unbedingt optimal besetzt, auch wenn es einige interessantere Leute wie Patrick Bartosak (Vitkovice) oder Karel Vejmelka (Brünn) im noch heiratsfähigen Alter gibt. Einen NHL-Kandidaten wie vor Jahren David Rittich, der jetzt in Calgary ein Super-Einser ist, kann ich aber nicht ausmachen.

Die Sorgenkinder

Zu Beginn der Saison sah es so aus, als ob Ex-DEB-Teamchef Uwe Krupp Sparta Prag (letzter Meistertitel 2007) endlich wachküssen könnte. Doch nach der zeitweiligen Tabellenführung stehen die Hauptstädter jetzt wieder dort, wo sie die letzte Saison beendeten: Auf einem Pre-Playoff-Platz.

Neben einer Verletzungsserie für mich entscheidend: Im Team stehen zu viele Blue Collar Guys und zu wenige Offensivträger. Nichts gegen einen Legionär wie Center Zach Sill, doch er ist sicher kein Mann, der den Unterschied macht, sondern ein braver Arbeiter. Ich halte es eher für ausgeschlossen, dass sich Sparta wieder zurück unter die Top-6 kämpft.

Kein Aufschwung also bei Sparta, doch das ist alles nichts gegen die chaotische Situation in Pardubice, einst ein toller Hockeymarkt. Letzter Platz, die wenigsten Tore geschossen, die meisten erhalten. Und das mit bereits sieben Coaches (die Assistenten eingeschlossen) und 41 eingesetzten Spielern aus sieben Ländern. Ich habe das Team beim 1:4 in Vitkovice gesehen – ein fast hoffnungsloser Fall.

Bei Dynamo (der Retroname wurde vor vier Jahren wieder reaktiviert) muss man wirklich befürchten, dass ein weiterer Traditionsklub absteigen muss. In diesem Fall bleibt nur zu hoffen, dass mit Kladno oder Ceske Budejovice ein interessantes Team deren Platz einnimmt.

Nach einem desaströsen Saison-Start (acht Spiele ohne Punktegewinn) überholte Chomutov inzwischen Pardubice, gilt aber als finanziell größtes Sorgenkind der Liga. Während meines Trips durch Tschechien fragte ein DEL-Team auch wegen eines ihrer Spieler bei mir nach – ausstehende Gehälter ließen schon im letzten Sommer viele Cracks nach Alternativen suchen.

Ex-EBEL-Spieler

Natürlich liefen mir wieder einige Ex-Znojmo-Cracks über den Weg, von ihren ehemaligen Goalies etwa spielte Jan Lukas bei Mlada Boleslav um einiges besser als der sehr hölzerne Ondrej Kacetl in Pardubice.

Doch neben den Tschechen übersiedelten auch einige Übersee-Cracks in die Tipsport-Liga: Jeremie Blain trägt für mich an der Sparta-Misere keine Schuld, spielt dort einen guten Part,vor allem im Powerplay.

Weniger gut geht es Sebastien Piche: In Hradec Kralove war er öfters ein Healthy Scratch, in Litvinov scheint er ebenfalls nicht im Lineup auf. Ich habe ihn vor Wochen noch mit Hradec Kralove gesehen, da spielte er eigentlich ein trockenes und schnörkelloses Spiel. Doch die Scorer-Zahlen für die EBEL-Powerplay-Spezialisten sind desaströs: Ein Tor und vier Assists, da schaffte er in Linz manchmal an einem guten Tag.

Nick Schaus fand nach der KHL auch in Brünn sein Glück und findet sich nun bei seinem Ex-Team Pardubice wieder.

Mit Abstand der beste Zukauf und eigentlich auch einer der besten Extraliga-Cracks: Peter Mueller. Der Ex-Salzburger schlug von Anfang wie eine Bombe in Brünn ein, er scorte auch bei jedem Spiel, das ich gesehen habe und das meist von der linken Seite im Powerplay. Dazu kommt sogar noch PK-Zeit, sodass er im Schnitt über 20 Minuten auf dem Eis steht. Mueller – 33 Punkte in 31 Spielen - ist ein Publikumsliebling in der fast immer ausverkauften Halle in Brünn.

Erkenntnisse

Weder Mueller noch die Hallen waren natürlich die Hauptgründe für meine doch stressige Reise: 87 Reports aus sechs Spielen, darunter einige für mich neue Cracks, aber auch viele alte Bekannte.

Die DEL oder die EBEL sind nicht gerade Hauptmärkte für tschechische Cracks, trotzdem gibt es immer wieder einzelne Spieler, die angeboten werden. Da geht es natürlich nicht um die Stars der Liga, die schöne sechsstellige Euro-Beträge verdienen.

Aber kann der eine oder andere routinierte Tiefenverteidiger oder Role Player einem Team hier weiterhelfen, wenn er einen vernünftigen Preis aufruft? Wie sieht es mit Legionären aus, die vielleicht keine Anschlussverträge mehr bekommen wie etwa Rhett Holland in Pardubice oder der schon fast zum Liga-Inventar gehörende Center Tyler Redenbach (Liberec)? Wie präsentiert sich der Ex-Bozner Brett Flemming, der sicher nicht über den Sommer hinaus in Chomutov bleiben wird?

Die meisten meiner Reports fielen für mich in zwei Kategorien in meinem Scouting-System: "Average EBEL/DEL Player" oder "Top EBEL/Good DEL Player". Die Kategorie "Top DEL/Very Good European League Player" ist nur wenigen Cracks vorbehalten, die ohnehin nicht angeboten werden.

Die nächste Transferzeit steht nämlich schon wieder vor der Tür und da rede ich gar nicht von der heurigen Deadline am 15. Februar. Trips wie die nach Tschechien oder um Weihnachten in die Slowakei gehören bei allen Strapazen einfach dazu – im Juni gibt es dann nämlich keine Möglichkeit zum Scouten mehr…

Textquelle: © LAOLA1.at