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So wird ein EBEL-Kader im Sommer geplant

von Bernd Freimüller Foto: © GEPA

Wie fast jedes Jahr: Mit dem Ende der A-Weltmeisterschaft zieht der Eishockey-Transfermarkt stark an, eine Phase, die meist bis Mitte Juni andauert.

Während einige EBEL-Teams in ihren Planungen schon weit sind, haben andere noch kratergroße Löcher aufzuweisen. Welche Punkte gilt es aber in der Kaderplanung zu beachten?

LAOLA1-Experte Bernd Freimüller mit einem detailierten Einblick, auf welche Feinheiten die Manager bei ihrer Arbeit im Sommer mitunter Rücksicht nehmen müssen:

Das Budget

Soll schon im Sommer alles "verbraten" werden oder hält man sich einen mehr oder minder großen Puffer für Nachverpflichtungen zurück? Oder hofft man im Fall der Fälle auf Einzel- bzw. Zusatz-Sponsoren?

In Villach und Innsbruck etwa waren in der letzten Saison noch Verpflichtungen kurz vor Transferschluss möglich, die zuvor noch ausgeschlossen wurden - Geld, das aber früher wahrscheinlich besser angelegt worden wäre.  

Für welche Spieler bzw. Positionen lehnen sich Manager mehr aus dem Fenster? Ist ein Top-Goalie gutes Geld wert und hofft man darauf, dass der alljährliche Buyers' Market auf dieser Position in späterer Folge auch Spitzenleute zu erschwinglichem Geld freisetzt?

Andere Positionen wie Offensiv-Verteidiger oder spielstarke Center sind seit jeher Mangelware - entweder greift man hier auf (ECHL oder Allsvenskan)-Experimente zurück, oder die Käufer leben mit erprobten, aber auch Mängel (z. B. Andrew Clark) oder hohes Alter (z. B. Jeff Taffe) aufweisenden Cracks.

Hier gibt es die größte Differenz zwischen den Top-EBEL-Teams und den Nachzüglern. Für erstere sind etwa 80.000 Euro zwar keine Kleinigkeit, in Einzelfällen aber doch erschwinglich. Für Dornbirn oder Innsbruck gehören solche Zahlen hingegen ins Traumbüchlein. Und auch wenn sie diese aufstellen könnten - viele Cracks sehen die EBEL nicht als Traumdestination an und selbst ein Umdenken dabei führt sie dann höchstens nach Wien oder Salzburg.

Wie lange halten die Nerven? Bozen etwa ist im Warten schon seit langem so erprobt, dass sie nichts dabei finden, ihr Team erst im Juli zusammenzuhaben - da können die Fans noch so stöhnen wie sie wollen. Am anderen Ende der Skala standen hier über lange Zeit die Black Wings Linz - sie hatten ihr Team meist schon sehr früh zusammen, büßten das aber durch überzogene Preise bei einigen Mittelklasse-Cracks, ehe heuer ein kleines Umdenken stattfand.

Wie sehr liegt mir daran, meinen Österreicher-Stamm zu halten oder auszubauen? Graz etwa schluderte diesbezüglich über Jahre, bevor sie proaktiv wurden und sogar Ablösesummen für einheimische Cracks (Erik Kirchschläger) in Kauf nahmen.

Seit zwei Saisonen lehnen sich die Steirer bei einheimischen Cracks früh und finanzkräftig aus dem Fenster, sodass sie über genügend Kadertiefe verfügen. Innsbruck (Philipp Lindner) und Dornbirn (Raphael Wolf und Thomas Vallant) verloren hingegen keineswegs überbezahlte einheimische Defender - alleine sie zu ersetzen, wird eine Heidenarbeit, vom dringend notwendigen Ausbau des Inländer-Stammes ganz zu schweigen. Vallant, der über den Arlberg von Dornbirn nach Innsbruck wechselt, dürfte dort immerhin ein Loch stopfen.

Was bei 14 Legionären noch auszugleichen war, stellt sich bei elf Gastarbeitern schon schwieriger dar. Für jeden dieser elf Spieler 2.000 Euro abziehen und diese 22.000 Euro auf zwei oder drei Österreicher-Gehälter aufzuschlagen, kann hier leicht den Umschwung in den Verhandlungen und später auch in der Tabelle bringen.

Kaderplanung im Detail

Soll das Team wie früher mit "Top-6" und "Bottom-6" zusammengestellt werden oder eher mit drei oder gar vier starken Linien? Je nachdem sind Cracks gefragt, die mehr oder weniger Eiszeit vertragen oder verlangen.  

Apropos Eiszeit: Wie sehr sich diese - in Verbindung mit der Rolle im Team - niederschlägt, wird oft vergessen. So war Jamie Arniel in Dornbirn ein Mann für alle Fälle mit Powerplay- und Penaltykilling-Eiszeit, was auch in seinen Punkten abzulesen war. In Wien kam er mit einer anderen Rolle und auch Position (Flügel) gar nicht zurecht. Daher wird es interessant, wie sich C.J. Stretch nächste Saison bei den Caps schlägt – auch er war in Znojmo "Erster in allem", stand vor allem im Powerplay meist 90 Sekunden auf der Platte.

Rechts oder links?

Der "rechtsschießende Powerplay-Defender" ist mittlerweile schon fast ein Gag bei der Spielersuche - sowohl Vereins-Manager als auch Agenten lachen, wenn es um diese seltene Spezies geht. Aber wie wichtig sind die Schuss-Seiten? Ich kenne zumindest einen EBEL-Manager, der wie Mike Babcock auf ein relativ ausgeglichenes Verhältnis zwischen Rechts- und Linksschützen Wert legt. Andere sehen das nicht so eng bzw. können sich aufgrund von mangelnden Finanzmitteln mit solchen Details gar nicht lange aufhalten.

In diesem Zusammenhang wichtig: Können Defender beide Seiten gleichwertig bespielen oder fühlt sich einer nur auf einer Seite des Eises wohl? Spielt ein Flügel lieber auf seinem "Off-Wing" wie etwas Alex Ovechkin oder Patrik Laine, die ihre One-Timer lieber von der Innenseite abgeben?

Damit zusammenhängend: Gibt es überhaupt noch Positionen?

Die Zeiten, als Flügel etwa wie bei einem Tisch-Eishockey-Spiel auf ihrer Seite hinunterfuhren und mit Schüssen aus großer Distanz Goalies bezwinen konnten, sind seit mindestens 20 Jahren vorbei. Gibt es heute überhaupt noch Unterscheide zwischen den einzelnen Stürmer-Positionen? Oder stellen sich die dort vielleicht nur beim Faceoff auf, ehe alles in "F1-F2-F3" übergeht?

Auch hier gibt es verschiedene Ansichten - ein EBEL-Coach sagte mir vor kurzem, dass für ihn einzig die Faceoff-Fähigkeiten einen Center noch von seinen Wingern unterscheiden.

Andere wiederum stimmen ihm da in der Offensive zu, weisen aber darauf hin, dass ein Mittelstürmer zumindest im eigenen Drittel defensiv mehr gefordert ist als die Flügel. Wenn aber sogar ein defensiver Risikofaktor wie Colton Yellow Horn eine Saison lang die Center-Rolle einnehmen kann, ist heute schon wirklich vieles möglich. Das Sprichwort, dass man nie zu viele Center haben kann, würde ich aber noch nicht als veraltet abtun.

Die Raumplanung

Hört sich doch super an: Du hast mehrere Spieler verpflichtet, die in anderen Ligen oder gar in der EBEL immer gute Scorerzahlen aufwiesen. Kann doch nichts mehr schiefgehen, oder?

Vorsicht ist geboten, denn vor allem im Powerplay kann es zu Problemen kommen. Gibt es überhaupt genug Platz für alle? Versucht dein Coach, zwei Blöcke zu bilden oder bleibt ein Block fast die gesamten zwei Minuten auf dem Eis? Wenn diese Fragen nicht vor der Saison zumindest angeschnitten werden, können aus Scorern schnell Ex-Scorer werden.

Doch selbst wenn alle Spieler genug Powerplay-Zeit bekommen, geht es immer noch um die Raumplanung. Fühlt sich dein Powerplay-Defender alleine an der blauen Linie wohl oder rückt er gerne nach vorne? Beispiel Matt Caito: Seine meisten Tore entstanden aus Backdoor-Plays oder wenn er auf der linken Seite nach vorne rückte. Ich weiß nicht, was seine Rolle bei seinem neuen finnischen Team KooKoo sein soll, aber aus meinen Viewings aus Graz kann ich nicht garantieren, dass er die Rolle als alleiniger Pointman ebenso gut ausfüllen könnte.

Ebenso gefährlich: Zwei Spieler nehmen die gleiche Position ein. Ich notiere mir bei meinen Beobachtungen immer - bzw. ich frage nach - von wo ein Spieler im Powerplay agiert: Torlinie, Front of Net oder einer der beiden Halfwalls. Bei Letzerem: Schießt er von dort oder ist er eher der Passgeber?

Vom Allgemeinen zum Konkreten: Mathis Olimb, mit dem sich der KAC auch kurz beschäftigte, hätte Thomas Koch auf der anderen Seite in puncto Position und Stil sehr geähnelt. Oder: Wie teilen sich die drei offensiven Hochkaräter und Rechtsschützen John Hughes, Chad Kolarik und Bud Holloway Powerplay-Zeit und Raum in Salzburg auf?

Persönliche Eigenheiten

Zur Spieler-Recherche gehört natürlich neben den Fähigkeiten auf dem Eis das Verhalten abseits der Eisfläche.

Aus langjähriger Erfahrung kann ich sagen: 90 Prozent der Spieler befinden sich im Graubereich, sind mehr oder minder pflegeleicht. Fünf Prozent haben Leader-Qualitäten, fünf Prozent bringen einen gewissen Rucksack mit. Der muss nicht unbedingt komplett negativ sein oder die Alarmglocken zum Schrillen bringen, ist aber gut zu wissen. Spieler A hat immer ein paar Kilo zu viel auf den Rippen, Spieler B ist ein Einzelgänger, der die Halle nach dem Training schnell verlässt. Kann die Organisation damit leben oder nicht?

Mir wurde vor kurzem über eine EBEL-Verpflichtung Folgendes gesagt: "Arbeitet hart, ist aber introvertiert. Wo andere ein Einzelgespräch in der Woche oder im Monat brauchen, braucht er jeden Tag eines." Hört sich nicht dramatisch oder negativ an, aber wenn deine Coaches für solche Zusatzaufgaben keine Zeit oder Lust haben, kann sich das im Laufe der Saison doch zu einem Problem auswachsen.

Was mich die Erfahrung gelehrt hat: Vor allem nordamerikanische Coaches wollen ihren Ex-Spielern keinen Job kosten, äußern sich daher meist positiv. Trotzdem kann man auch hier zwischen den Zeilen lesen. Scouts sind da eher frank und frei, müssen sich ja im täglichen Business auch immer klar ausdrücken. Ein Bericht, den ich über einen EBEL-Neuzugang vor kurzem bekam, fiel dementsprechend verheerend aus...

Wissen ist Macht, das gilt auch bei solchen Details, ob das Wissen dann auch verwendet wird, ist von Organisation zu Organisation verschieden. Doch merke: Für die ordentliche Zusammenstellung eines Teams gehört sicher mehr als nur das Hochrechnen der Scorerzahlen von einer Saison auf die andere...

Textquelle: © LAOLA1.at