Am Dienstag im Viertelfinal-Kracher gegen Dominic Thiem (2. Partie nach 14 Uhr im Live-Ticker) wird Andre Agassi bei den French Open nicht mehr in der Spielerbox von Novak Djokovic zu finden sein.
Aufgrund anderer Verpflichtungen musste der US-Amerikaner bereits am Samstag Paris verlassen. Für Grand-Slam-Turniere werde der ehemalige Weltranglisten-Erste aber weiterhin zur Verfügung stehen. Der Kontakt mit dem Serben bleibe in jedem Fall aufrecht.
Das vor zwei Wochen verkündete Engagement von Agassi als neuen Coach von Djokovic war das Highlight eines schon seit einigen Jahren anhaltenden Trends.
>>>Dominic Thiem vs. Novak Djokovic heute (2. Partie nach 14 Uhr) im LIVE-Ticker<<<
Immer mehr Tennis-Superstars setzen auf ehemalige Superstars.
Klingende Namen wie Agassi, Ivan Lendl, Boris Becker oder Stefan Edberg, die nach ihrer aktiven Karriere jahrelang der Tour fernblieben, tauchen plötzlich wieder aus der Versenkung auf.
Doch führen diese Kooperationen wirklich zum Erfolg? Oder sind sie nur ein willkommenes Fressen für die Medien, die sich über die Rückkehr von schillernden Namen freuen dürfen?
Mehr als "lustige Geschichte"?
Selbst Günter Bresnik, Coach von Dominic Thiem, ist sich bezüglich dieser Frage im Gespräch mit LAOLA1 nicht wirklich sicher. „Es steht mir nicht zu, das zu bewerten", gibt sich der 55-jährige Niederösterreicher etwas zurückhaltend.
"Ob eine Zusammenarbeit mit so einem Superstar etwas bringt, weiß ich nicht - das muss jeder selbst für sich entscheiden. Für mich sind es auf jeden Fall lustige Geschichten.“
"Die Stars denken sich schon etwas dabei, wenn sie solche Leute engagieren. So ein Trainer kann einen kleinen Kick geben, der am Ende eine große Auswirkung hat."
Grundsätzlich kann sich der Niederösterreicher aber schon vorstellen, dass solche Engagements einen nachhaltigen Nutzen haben: „Die Stars denken sich schon etwas dabei, wenn sie solche Leute engagieren. So ein Trainer kann einen kleinen Kick geben, der am Ende eine große Auswirkung hat.“
Positive Beispiele gäbe es mittlerweile schließlich genug. Andy Murray machte beispielsweise unter Ivan Lendl zwischen 2012 und 2014 große Fortschritte und gewann prompt Olympia-Gold, bei den US Open seinen ersten Grand-Slam-Titel und in Folge auch Wimbledon 2013.
Nach der Trennung kam etwas Sand ins Getriebe. Erst nach der Reunion in der vergangenen Saison trumpfte der Schotte wieder so richtig auf und erklomm in Folge sogar erstmals die Spitze der Weltrangliste.
Zahlreiche Superstars auf den Spieler-Tribünen
Bresnik bringt die Diskussion dementsprechend auf den Punkt: „Das Einzige, was ein Trainer in dieser Liga können muss, ist, den Spieler erfolgreicher machen, als er ohne den Trainer wäre. Ansonsten wäre er wertlos.“
Es sei eben einfach schwierig, auf dem absoluten Top-Level feine Unterschiede herauszuarbeiten. „Bei diesen Top-Leuten ist das sehr schwer zu verifizieren. Du wirst einem Superstar niemals einen Schlag neu beibringen. Diese ehemaligen Top-Stars können ihm aber vielleicht sagen, wie er mit seinen Schlägen besser umgehen kann.“
So engagierte Roger Federer im Jahr 2014 den ehemaligen Serve-and-Volley-Könner Stefan Edberg, um vor allem sein Offensivspiel zu verfeinern. Novak Djokovic vertraute von 2013 bis 2016 auf die Sieger-Mentalität eines Boris Becker, Rafael Nadal setzt seit 2016 auf den ehemaligen Weltranglisten-Ersten Carlos Moya und Kei Nishikori arbeitet schon seit drei Jahren mit Michael Chang zusammen.
Frühzeitig endete hingegen die Zusammenarbeit zwischen Tomas Berdych und Goran Ivanisevic, der 2014 seinen kroatischen Landsmann Marin Cilic zum US-Open-Titel führte. Kurz nach dem Zweitrunden-Aus in Paris gab der Tscheche bekannt, dass er in Zukunft nicht mehr mit dem ehemaligen Wimbledon-Sieger aus Kroatien zusammen arbeiten werde. Trotzdem wolle man gut befreundet bleiben.
„Diese ehemaligen Top-Spieler haben alle durch die Bank eine hohe Tennis-Intelligenz und ein großes Verständnis für den Sport in den unterschiedlichsten Richtungen“, erklärt Bresnik, der bei diesen Engagements aber auch eine große Gefahr sieht.
Superstars müssen im Hintergrund bleiben
„Was sie nicht dürfen, ist, sich selbst in den Vordergrund zu stellen. Sie müssen schauen, dass sie selbst Abstriche machen und ihre Bedeutung richtig einordnen können. Viele stellen sich hin und wollen nur im Mittelpunkt stehen. Das ist wertlos und wird einen Spieler eher behindern.“

Die meisten ehemaligen Stars würden dies aber sowieso beherzigen.
„Dafür sind diese Spieler eh zu gescheit. Einem Becker wurde das fälschlicherweise vorgeworfen, Edberg ist sowieso ein schüchterner Mensch, Ivanisevic hielt sich auch zurück und Lendl ist auch sehr unauffällig. Diese Leute wissen, wie sie sich verhalten müssen.“
Zudem dürfe man nicht vergessen, dass die großen Namen nur in der Öffentlichkeit das Betreuer-Team anführen. Nur die wenigsten haben im Trainingsalltag das Zepter in der Hand.
Unbekannte Namen als Hauptbetreuer
Als Chef-Coach fungieren in den meisten Fällen eher unbekannte Namen.
So wird Federer seit bereits zehn Jahren von dessen Landsmann Severin Lühti betreut. „Er ist wahrscheinlich auch kein Trainer, der deinen Kindern die Schläge gut beibringen kann, aber er ist einer, der Federer in- und auswendig kennt und alles sofort sieht, was er brauchen könnte“, führt Bresnik aus. „Er fängt viele Dinge schon im Vorfeld ab.“
Hauptcoach von Nishikori ist bereits seit 2010 der eher unbekannte Dante Bottini. Djokovic trennte sich erst vor Kurzem nach zehn gemeinsamen Jahren von Marian Vajda. Nadal wird bekanntlich seit seiner Jungend von Onkel Toni betreut. „Und bei Murray ist eigentlich Jamie Delgado der Hauptverantwortliche.“
Ein Superstar für Dominic Thiem?
Ob sich auch Bresnik ein ähnliches Konzept für Dominic Thiem vorstellen könne? „Vorstellen kann ich mir alles“, meint der Erfolgs-Coach, der in den 90er Jahren unter anderem auch schon Boris Becker betreute. „Wir werden aber sicherlich keinen wegen seines Namens anstellen.“
Mit Joakim Nyström und Gary Muller habe man zudem sowieso schon zwei ehemalige Profis als Touring-Coaches engagiert. Die beiden teilen sich gemeinsam mit Bresnik die Betreuung von Thiem während der Turnier-Reisen auf.
„Bei den Turnierwochen ist das Verhältnis zwischen Trainer und Spieler sowieso immer sehr belastend, weil es auch sehr emotional ist. Gewisse Dinge nützen sich ab, wenn man sie ständig hört", erklärt er die Vorteile eines größeren Betreuer-Teams.
Bresnik traut Djokovic alles zu
Doch was prognostiziert Bresnik nun bezüglich Djokovic und Agassi? Hat die Zusammenarbeit eine langfristige Zukunft?
„Agassi hatte auch eine lange Karriere und ist sehr spät noch einmal sehr stark zurückgekommen. Ich glaube schon, dass es da gewisse Gemeinsamkeiten gibt“, so Bresnik. „Die müssen sich aber erst einmal gegenseitig beschnüffeln. Keiner weiß noch, wie der andere tickt. Das sind zwei charismatische Personen. Man muss sich einmal anschauen, wie das funktioniert.“
Trotz der turbulenten Zeiten bei Djokovic hat Bresnik jedenfall nicht vor, den 30-jährigen Serben zu unterschätzen.
„Dass Djokovic ein Spieler ist, der jederzeit ein Turnier gewinnen kann, haben hoffentlich auch die Dümmsten noch nicht vergessen. Der kann in zwei Wochen Paris gewinnen und danach noch in Wimbledon. Der kann jedes Turnier gewinnen. Das hat er nicht verlernt", warnt Bresnik vor dem Duell seines Schützlings gegen den Superstar.
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