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Vom Senioren-Doppel ins Grand-Slam-Halbfinale

von Christian Frühwald Foto: © getty

Während US-Superstar Serena Williams in der oberen Rasterhälfte der Australian Open dem für viele erwarteten Final-Einzug und dem erhofften 24. Rekord-Grand-Slam-Titel entgegensteuert, richtet sich der Blick der amerikanischen und internationalen Tennis-Fans immer mehr auf die untere Hälfte des Tableaus.

Mit Danielle Collins schaffte es am Dienstag eine Dame ins Halbfinale, die im Vorfeld des ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres wohl niemand so richtig auf der Rechnung hatte.

Bei ihren vorangegangenen sechs Majors schaffte es die 25-Jährige aus Florida kein einziges Mal über die erste Runde hinaus. Mittlerweile hat Collins in Melbourne unter anderem Angelique Kerber, Julia Görges, Caroline Garcia und seit Dienstag auch Anastasia Pavlyuchenkova auf ihrer Abschussliste abgehakt.

Am Donnerstag kämpft sie gegen die Tschechin Petra Kvitova um den Einzug ins Endspiel.

Kein Wunder, dass die US-Medien den Werdegang ihres neuen Tennis-Lieblings, das vor genau einem Jahr noch ein Challenger-Turnier in Newport bestritt, als "Cinderella-Story" verkaufen.

Kein Geld für Tennis-Stunden

Wie das von ihrer Stiefmutter geplagte Aschenputtel im berühmten Grimm-Märchen hatte auch Collins einen langen und beschwerlichen Weg an die Spitze.

Vater Walter, ein begeisterter Hobby-Spieler, brachte sie zwar schon im zarten Alter von drei Jahren erstmals mit dem Tennis-Sport in Berührung und ihr in Folge die ersten Grundschläge bei, während viele ihrer heutigen Konkurrentinnen allerdings schon früh von richtigen Coaches gefördert wurden, musste die kleine Danielle alternative Wege an die Spitze suchen.

Erste Schritte im Senioren-Doppel

„Ich wurde nicht wie andere Spieler beim Tennis-Klub abgesetzt und habe Privat-Stunden bekommen. Wir haben in der Nähe eines Parks gelebt, wo es öffentliche Tennisplätze gab. Dort habe ich den Ball stundenlang gegen eine Wand geschlagen, bis mich eine Gruppe von 80-Jährigen gefragt hat, ob ich nicht mit ihnen ein Doppel spielen will“, beschrieb Collins im vergangenen Jahr auf der WTA-Website ihren ungewöhnlichen Werdegang.

„Damals war ich acht Jahre alt. Das habe ich gemacht und ich bin immer besser und besser geworden. Ich habe mir sehr viel selbst beigebracht und versucht, eigene Wege zu finden, weil meine Eltern nicht genug Geld hatten, um mir ein richtiges Training zu finanzieren. Dadurch wurde ich härter und fit für den Wettkampf. Ich habe als 13-Jährige gegen Männer gespielt, die mir am Platz ordentlich den Hintern versohlt haben.“

College-Stipendium im Wert von 250.000 Dollar

„Es hat mir Spaß gemacht, immer besser zu werden“, so Collins, die in der Teenager-Zeit mit den ersten großen Erfolgen bei nationalen Turnieren den Traum entwickelte, einmal Tennis-Profi werden zu können. „Ich wollte mein Leben dem Tennis widmen und habe meine Eltern gefragt, ob ich nicht Hausunterricht nehmen kann, um mich besser aufs Tennis konzentrieren zu können.“

Obwohl sie aufgrund des fehlenden finanziellen Backgrounds der Eltern keine internationalen Erfahrungen sammeln konnte, spielte sie sich in den USA in der U16 und U18 auf die Nummer-1-Position. „Da habe ich mir gedacht: Ich bin schlau und klug - ich kann aufs College gehen und Tennis spielen“, so Collins, der dank ihrer sportlichen Errungenschaften ein Stipendium auf der „University of Virgina“ im Wert von 250.000 Dollar angeboten wurde, dass sie schlussendlich auch annahm.

„Ich wollte nicht nur ein Tennis-Spieler und völlig vom Sport abhängig sein. Bei einer schweren Verletzung hätte ich keinen Rückhalt mehr gehabt. Außerdem ist es am College toll, Teil von einem Team zu sein“, schwärmt Collins von ihrer Zeit auf der Universität.

„Zeit am College hat mir geholfen“

Noch während ihrer Studienzeit feierte sie dank einer Wild Card bei den US Open 2014 ihr Grand-Slam-Debüt und nahm dort Simona Halep in der ersten Runde überraschend einen Satz ab. Auf das Preisgeld verzichtete Collins, da sie zuerst ihre Ausbildung abschließen wollte bzw. musste, da es einem College-Sportler nicht erlaubt ist, im Sport Geld zu verdienen.

Unbeirrt von den Lockrufen des schnellen Geldes schloss sie ihren Bachelor in Medienwissenschaften und den Master in Betriebswirtschaft ab. „Die Zeit am College hat mir geholfen, mich als Person weiter zu entwickeln. Ich weiß, wer ich bin und was ich für ein Typ bin. Ich weiß, was ich will und was ich mit meinem Leben machen will. Und was ich mit meinem Tennis machen will“, erzählte Collins in Melbourne. „Ich persönlich bin glücklich mit meiner Entscheidung für das College. Für mich war es der beste Weg.“

„Entspannter“ dank College-Ausbildung

Ihre  breite Ausbildung helfe ihr auch in ihrem Tennis. „Durch das College habe ich auch andere Interessen und Leidenschaften neben dem Tennis entwickelt. Deshalb bin ich vielleicht ein bisschen entspannter, als andere Spielerinnen, die in ihrem ganzen Leben bislang nichts anderes als Tennis gemacht haben.“

Collins habe sich sogar schon Gedanken über ihr Leben nach dem Tennis gemacht. So würde sie eine zusätzliche juristische Ausbildung reizen, um später in einer Rechtsabteilung in der Wirtschaft zu arbeiten.

Steiler Aufstieg

„Ich kann mir allerdings viel vorstellen. Genau werde ich mir das erst nach dem Tennis überlegen“, so Collins, die in den letzten zwölf Monaten einen steilen Aufstieg hinlegte.

Erstmals sorgte sie im Vorjahr mit ihrem Halbfinal-Einzug beim WTA-Premier-Turnier in Miami für Furore, als sie sich unter anderem mit einem Sieg über Venus Williams ins Halbfinale vorspielte.

Vor den Australian Open stand Collins in der Damen-Weltrangliste bereits auf Position 35. Nächste Woche wird sie dank ihrer Erfolge in bei den Australian Open zumindest Rang 23 einnehmen und damit erstmals an den Top 20 kratzen.

Wohin die Reise des „Rising Stars“ noch überallhin führen mag, getraut sich keiner mehr zu prophezeien. Grenzen scheinen Collins weder im Tennis noch im Leben abseits des Courts gesetzt zu sein.

„Krönchen richten, weiter machen“.

Mit Kvitova wartet erneut eine schwere Aufgabe auf Collins. Erst vor zwei Wochen verlor sie in Brisbane knapp in drei Sätzen gegen die Tschechin.

„Das war ein großartiger Kampf. Petra ist ein unglaublicher Champion, der schon einiges erlebt hat und in ihrem Leben bereits viel durchmachen musste“, spielt Collins auf die durch einen Einbrecher verletzte Schlaghand von Kvitova an.

Mit harter Arbeit den Sprung (zurück) an die Spitze schaffen, alles seinem Ziel unterordnen, Rückschläge wegstecken – solche Leistungen weiß die US-Amerikanerin zu schätzen und zu respektieren.

Ganz nach dem Prinzessinnen-Motto „Krönchen richten, weiter machen“. Wie es sich für eine Cinderella-Story eben gehört.

Das Tennis-Märchen geht weiter Australian Open US-Amerikanerin Collins kämpft nun bereits um Endspiel bei Australian Open.
Textquelle: © LAOLA1.at