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Toth: "Rechtsstreit kostet Geld und Nerven"

von Christian Frühwald Foto: © GEPA

Die glatte Achtelfinal-Niederlage von Dominic Thiem bei den Australian Open gegen Grigor Dimitrov sorgte in der vergangenen Woche auch für internationales Erstaunen.

Bei einem Grand-Slam-Turnier präsentierte sich Österreichs Tennis-Ass in den vergangenen Jahren nämlich meist in einer deutlich besseren Verfassung.

Während Thiem selbst die Pleite mit einem "rabenschwarzen Tag" erklärte, begründete sein Vater Wolfang einige Tage später in der ServusTV-Sendung "Sport und Talk im Hangar 7" die Leistung seines Sprösslings unter anderem mit dem aktuellen Rechtsstreit mit Ex-Trainer Günter Bresnik.

"Ich glaube, das ganze Sammelsurium von Lockdown und unter anderem eine Aussage von seinem Ex-Trainer Günter Bresnik, wo er wieder gesagt hat quasi, Dominic hat alles ihm zu verdanken, er hat ihn als Sportler und auch als Mensch ausgebildet – so was bleibt natürlich hängen", sagte Vater Thiem, der Bresnik aufforderte, sich mit solchen Aussagen "etwas im Zaum zu halten."

"Weil als Mensch hat er ihn definitiv nicht ausgebildet. Das obliegt der Familie, und das haben meine Frau und ich gemacht. Da muss er schon ein bisschen sorgsamer umgehen. So was belastet natürlich, das ist keine Frage."

Wer schon einmal einen Rechtsstreit hatte, weiß: Das ist meist kompliziert, teuer und kann auch sehr zeitaufwändig werden. Da auch der Ausgang des Verfahrens selten absehbar ist, kann sich dies mental durchaus negativ auf einen Menschen auswirken. Das sieht auch Sportanwältin Christina Toth im Gespräch mit LAOLA1 so.

"Ob Dominic wegen dieser Streiterei wirklich deshalb einen Aussetzer bei den Australian Open hatte, weiß man nicht, aber man weiß, dass diese Streitigkeiten einen Athleten schon psychisch mitnehmen können. Das lässt einen nicht unberührt und je länger du das rausziehst, umso schwieriger ist es dann auch", erklärt die Kärntnerin, die sich mit ihrer Kanzlei (sportanwaeltin.at) auf den Sport spezialisiert hat. Zudem war sie bis zum Ende des vergangenen Jahres interimistisch Präsidentin des österreichischen Tennis-Verbandes.

Bresnik reichte Klage ein

Für LAOLA1 hat sich Toth Zeit genommen, um uns die komplexe Materie etwas näher zu bringen und uns Einblick in die aktuelle Rechtslage bei derartigen Verträgen zwischen jungen Spielern und Managern zu geben.

Doch worum geht es jetzt noch einmal genau bei der Bresnik-Klage gegen Thiem? Vorab deshalb eine kurze Auffrischung der Ausgangslage des mittlerweile etwas komplizierten Sachverhalts:

Thiem trennte sich im Frühjahr 2019 von seinem langjährigen Trainer Günter Bresnik. Ende 2020 klagte der Coach seinen ehemaligen Schützling auf 450.000 Euro. Diese Summe bezieht sich auf Einnahmen Thiems im ersten Quartal 2020.

Bresnik fordert die Einhaltung seines Vertrags ein

Denn laut Bresnik würde ihm weiterhin eine Beteiligung an Thiems Einnahmen zustehen, die dieser aus Sponsor- und Ausrüsterverträgen bezieht. Ein im Jahr 2014 abgeschlossener Vertrag habe ihm 30 Prozent an sämtlichen von ihm ausverhandelten Sponsor- und Ausrüsterverträgen garantiert. Im September 2016 wurde dieser Vertrag geändert und zeitlich befristet – allerdings ohne Kenntnisnahme von Thiems aktuellem Manager Herwig Straka.

Dieser verhandelte mit Bresnik nach dem Ende der Zusammenarbeit mit Thiem im Mai 2019 einen neuen Vertrag aus, laut dem Bresnik weiterhin eine gestaffelte Beteiligung zustehen würde.

Thiem-Anwalt erklärt Vertrag für null und nichtig

Thiem-Anwalt Manfred Ainedter erklärte diesen Kontrakt im Februar 2020 wegen "arglistiger Täuschung" jedoch für null und nichtig. Bresnik bestreitet diese Anschuldigung und besteht auf die ordnungsgemäße Einhaltung des im Jahr 2019 abgeschlossenen Vertrages und die damit verbundenen Zahlungen. Folglich brachte er beim Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen die zuvor angesprochene Klage über 450.000 Euro ein.

Bei der ersten Tagsatzung im Justizpalast einigten sich Thiem und Bresnik auf Vergleichsgespräche, die von einer richterlichen Mediatorin geleitet werden. Diese sollen in der letzten Februarwoche über die Bühne gehen – ohne die Anwälte der beiden Kontrahenten.

Auch wenn bei der Vertragsanfechtung der Thiem-Seite die "arglistige Täuschung" als Argument angeführt wird, baten wir Christina Toth in erster Linie um grundlegende Stellungnahmen zu dieser Causa.

Wie sind die von Athleten im jungen Alter abgeschlossenen Verträge mit Managern rechtlich zu bewerten? Ist so etwas sittenwidrig oder im legalen Rahmen? Was für Folgen hat es und welche Risiken bestehen, wenn man in so einem Fall vor Gericht zieht? Was sollten junge Sportler und deren Eltern bedenken, bevor sie derartige Verträge unterschreiben?

Christina Toth: In Österreich herrscht Privatautonomie. Das bedeutet, dass Verträge im Grunde weitgehend frei gestaltet werden können. Es gibt aber Grenzen wie beispielsweise die Sittenwidrigkeit. Diese kann dazu führen, dass ein Vertrag – oder einzelne Bestimmungen darin – ungültig sind. Es geht dabei im Wesentlichen darum, dass der schwächere Vertragspartner gegen Übervorteilung geschützt wird. Es gibt aber keine allgemeingültige Klausel, was erlaubt ist und was nicht. Das ist im Einzelfall zu prüfen. Überlange Vertragsdauern können aber beispielsweise als sittenwidrig gelten, insbesondere, wenn einer der Vertragspartner nur unter besonders schwierigen Voraussetzungen die Möglichkeit hat, den Vertrag zu beenden. Gerade auch dann, wenn einer der Vertragspartner zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in der schwächeren Verhandlungsposition ist. Das ist natürlich zu Beginn einer sportlichen Karriere oft der Fall. Ein junger, talentierter Sportler hat nicht die Kontakte zu Vereinen, Sponsoren etc., die ihn in der Karriere voranbringen. Deshalb werden – oft überstürzt – Verträge mit Managern abgeschlossen, die einem die große Zukunft versprechen. In so einer Situation werden dann oft schnell Verträge unterschrieben, ohne zu hinterfragen, was diese langfristig für einen bedeuten. Großartig verhandelt wird da nicht, man ist froh, überhaupt einen Vertrag zu bekommen. Gerade im Fußball werden solche Verträge nicht erst ab Volljährigkeit sondern in viel jüngeren Jahren abgeschlossen.

LAOLA1: Welche Faktoren sind denn bei der Urteilsfindung wichtig?

Toth: Wenn es um die Frage geht, ob ein Vertrag sittenwidrig ist, oder sittenwidrige Klauseln enthält, kommt es mitunter auf die Umstände beim Zustandekommen des Vertrags an. Wie alt und auch wie erfolgreich war der Athlet oder die Athletin beim Vertragsabschluss? Wie sehr konnte sich jeder der Vertragspartner bei der inhaltlichen Ausgestaltung des Vertrags einbringen? Welche Möglichkeiten der Beendigung gibt es? Wie sehr schränkt der Vertrag einen der Vertragspartner zum Beispiel wirtschaftlich und in seinem sportlichen Fortkommen ein?

LAOLA1: Da die entsprechenden Vertragsabschlüsse also erst nach der Volljährigkeit Dominic Thiems ausverhandelt wurden und sich die Forderungen auch nur auf die von Günter Bresnik abgeschlossenen Verträge beziehen, gibt es wahrscheinlich wenig Gründe für eine Sittenwidrigkeit, oder?

Toth: Ich muss vorausschicken, dass ich die Verträge zwischen Dominic und Günter nicht kenne und daher keinerlei Kenntnis über den konkreten Fall habe, außer was in den Medien kolportiert wird. Bei der Beurteilung der Verträge wird der Richter aber unter anderem wohl berücksichtigen, zu welchem Zeitpunkt diese abgeschlossen wurden. War zu dem Zeitpunkt schon absehbar, wie erfolgreich sich Dominic entwickeln wird beziehungsweise war er zu dem Zeitpunkt schon eine anerkannte Größe in seinem Sport. Außerdem wird es wohl auch darauf ankommen, auf welche Einnahmen sich die Provisionen beziehen. Es ist nicht unüblich, dass Manager auch über die gemeinsame Zusammenarbeit hinaus Provisionen für jene Sponsoreneinnahmen kassieren, die sie angebahnt haben. Sollten aber Provisionen für sämtliche Einnahmen geschuldet werden, mit welchen der (frühere) Manager selbst nichts zu tun hat, dann könnte das von einem Gericht durchaus als sittenwidrig anerkannt werden. 

LAOLA1: Thiem-Anwalt Manfred Ainedter erklärte den im Mai 2019 ausgehandelten Deal mit Herwig Straka aufgrund "arglistiger Täuschung" für null und nichtig. Was kann denn das sein?

Toth: Wie gesagt, ich kenne keine Details zu dem konkreten Verfahren und kann mir auch nicht erklären, was Kollege Ainedter hier genau meint. Nachdem es sich hier aber um zwei Vertragspartner handelt, die einander seit vielen Jahren kennen und sich seit Jahren in ihrem Business bewegen, kann ich mir jetzt nicht wirklich vorstellen, inwiefern einer der Vertragspartner den anderen über den Inhalt der Vereinbarung täuschen hätte können. Aber wie gesagt, ich kenne die Details und die Umstände nicht.

"Bei einem Vergleich haben die Parteien ja einen wesentlich breiteren Gestaltungsspielraum als dies ein Richter im Verfahren hat. Da können auch kreative Lösungen gefunden werden, bei denen keine der Parteien als Verlierer vom Platz geht. Ein Richter kann nur auf rechtlicher Basis entscheiden: Ist der Vertrag gültig oder nicht."

Toth über die Vorteile eines Vergleichs

LAOLA1: Ist die Empfehlung des Richters, einen außergerichtlichen Vergleich anzustreben, ein gängiger Vorgang bei solchen Fällen?

Toth: Ja, das ist absolut üblich. Bei einem Vergleich haben die Parteien ja einen wesentlich breiteren Gestaltungsspielraum als dies ein Richter im Verfahren hat. Da können auch kreative Lösungen gefunden werden, bei denen keine der Parteien als Verlierer "vom Platz" geht. Ein Richter kann nur auf rechtlicher Basis entscheiden: Ist der Vertrag gültig oder nicht. Natürlich gibt es auch Abstufungen, wo beiden Parteien teilweise recht gegeben wird. Aber es sind keine flexiblen Lösungen möglich. Außerdem – und das ist in solchen öffentlichkeitswirksamen Fällen ja auch immer mitzuberücksichtigen: In einem Verfahren wird mitunter öffentlich Schmutzwäsche gewaschen. Das kann nicht im Sinne der Beteiligten sein. Bei einem Vergleich kann über die Lösung Stillschweigen vereinbart werden. Insofern bin ich grundsätzlich ein Fan davon, solche Streitigkeiten nicht vor einem Gericht auszutragen. Allerdings gibt es einfach auch Situationen, in denen man nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommt, und dann bleibt einfach nur noch der Gang zum Gericht.

LAOLA1: Vor allem würde ein längerer Gerichtsstreit für beide Seiten hohe Kosten und viel Ärger verursachen, oder?

Toth: Natürlich, gerade bei einem Streitwert wie dem hier kolportierten kostet jede einzelne Verhandlung viel Geld. Wer verliert, muss dann zusätzlich auch noch die Kosten des Gegners tragen. Und es ist zu erwarten, dass sich der Verlierer nicht mit dem erstgerichtlichen Urteil abfinden wird, sondern in die Instanz geht. Da kann sich so ein Streit schon über ein, zwei Jahre ziehen. Das kostet Geld und Nerven. Gerade einen aktiven Athleten kann so etwas psychisch durchaus belasten und sich auch auf die Leistung auswirken.

LAOLA1: Sollte es vor Gericht bis zum bitteren Ende ausgefochten werden: Wie lange kann so etwas dauern? Wie ist die übliche Länge bei solchen Verfahren?

Toth: Das kann man pauschal nicht sagen. So wie es hier aussieht, wird es nicht darum gehen, einen Sachverhalt zu klären, bei dem man 20 Zeugen einvernehmen wird müssen. Im Wesentlichen geht es hier nämlich um eine Rechtsfrage. Ist der Vertrag rechtsgültig oder nicht? Da wird der Richter nicht unzählige Verhandlungstage brauchen. Aber wie gesagt, wenn der Streit noch vor den Instanzen in die Verlängerung geht, dann sind zwei bis drei Jahre durchaus realistisch.

LAOLA1: Was würden Sie jungen Athleten raten, die gerade kurz vor einer derartigen Vertragsunterzeichnung stehen? Was sollte man beachten, um spätere gerichtliche Vertrags-Streitereien vermeiden zu können?

Toth: Das ist immer eine schwierige Situation, wenn man als junger Athlet in der schwächeren Position einen Vertrag abschließen muss. Eine anwaltliche Beratung schadet natürlich nie. Wenn man aber gerade erst am Anfang seiner Karriere steht, wird man noch nicht in der Position sein, groß seine Vorstellungen in den Vertrag hineinverhandeln zu können. Dennoch ist es sinnvoll, sich beraten zu lassen, um zu wissen, worauf man sich einlässt. Außerdem kann ein Anwalt, eine Anwältin oft schon aus den vorgelegten Unterlagen erkennen, ob es sich um ein seriöses Angebot handelt. Im Tennis gibt es beispielsweise große Agenturen, die mit Tausenden von jungen Talenten weltweit Verträge abschließen und damit auch eine Art Risikostreuung betreiben. Da gehen dann vielleicht zehn Spieler auf, die sind erfolgreich und finanzieren das gesamte System. Als einer von vielen jungen Spielern hat man natürlich kaum die Möglichkeit zu verhandeln. Wie gesagt, dieser Umstand wird im Streitfall allenfalls auch berücksichtigt. Wobei es natürlich gerade auch bei Verträgen mit internationalen Agenturen und Managern darauf ankommt, welches Recht im Streitfall zur Anwendung kommt und welches Gericht zuständig sein soll. Diese Dinge sollte man jedenfalls im Vorfeld abklären. Generell geht die Tendenz schon in die Richtung, dass den Athleten oder Athletinnen zu sehr einschränkende Vereinbarungen als ungültig erachtet werden. In Deutschland beispielsweise sind Exklusivvereinbarungen mit Beratern mittlerweile unzulässig. In Österreich gibt es dazu zwar noch keine gesicherte Judikatur, aber erste Entscheidungen gehen ebenfalls in diese Richtung.  

LAOLA1: Welche Rolle spielen die Eltern?

Toth: Die Eltern spielen eine ganz wesentliche Rolle. Gerade bei jungen Athletinnen und Athleten, die noch nicht volljährig sind, tragen die Eltern natürlich die Hauptverantwortung. Allerdings reicht es gerade bei Managementverträgen mit unter 18-Jährigen in vielen Fällen auch nicht aus, wenn die Eltern diesen mitunterschreiben. Ein Vertrag, bei dem ein Jugendlicher Verpflichtungen eingeht, die in diesem Alter nicht üblich sind, ist nur dann wirklich gültig, wenn er von einem Pflegschaftsgericht genehmigt ist. Wenn zu mir also ein Berater kommt, der mit Jugendlichen einen Vertrag abschließen möchte, rate ich immer dazu, die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung einzuholen, um nicht Gefahr zu laufen, dass der Vertrag dann im Nachhinein als ungültig erklärt wird. Dann hat man aber auch als Vater und Mutter die Sicherheit, dass der Vertrag nicht benachteiligend für das Kind ist.

Textquelle: © LAOLA1.at