Nach Dominic Thiems erstem Achtelfinal-Einzug bei den Australian Open verrät sein Coach Günter Bresnik, dass er dem 23-Jährigen durchaus mehr zugetraut hätte.
"Ich muss ehrlich sagen, ich hatte immer das Gefühl, dass er in Brisbane oder in Sydney und auch bei den Australian Open das Turnier gewinnen kann", sagt Bresnik der APA. "Er ist ein Spieler, der, wenn er seine Topleistung bringt, gegen jeden Spieler in dem Raster gewinnen kann."
Diese Einschätzung möge nicht realistisch sein, "aber das Gefühl habe ich".
"Wie mächtig Dominic spielt"
Man sehe das im Training, aber auch in den Matches: "Wie mächtig der Dominic im Verhältnis zu den meisten spielt." Ob man sich die Durchschnittsgeschwindigkeit der Aufschläge, die Höchstgeschwindigkeit der Aufschläge, die Qualität der Grundschläge oder den körperlichen Zustand betrachte. "Dominic ist sicher einer, der imstande ist, dass er jeden Spieler auf der Welt schlagen kann."
Was beim ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres aber gefehlt hat, war die Konstanz in den Grundschlägen. Auffällig war die hohe Quote an unerzwungenen Fehlern. "Die Fehler sind für mich schon größtenteils unverständlich. Wo das herrührt, dafür habe ich keine Erklärung. Manchmal war die Schlagwahl von ihm schlecht, die 'shot selection'", sagte Bresnik. In einer in der Vorbereitung forcierten Geschwindigkeit in den Grundschlägen wollte der 55-Jährige auf Nachfrage jedenfalls nicht die Ursache sehen.
"Dominic braucht scheinbar ein paar Erfolge, dass er das Vertrauen in die Schläge hat und im Match umsetzt", erklärte der Langzeit-Coach des Weltranglisten-Achten. Thiem müsse die Punkte eben auch über "sieben, acht oder zehn Schläge" aufbauen.
Aufgrund seiner herausragenden Technik hat Thiem freilich auch die Möglichkeit, von beiden Seiten Winner zu schlagen. "Ich weiß kein Patentrezept wie er seinen Spielstil finden kann oder soll. Zuerst braucht er dieses absolute Vertrauen in seine Schläge."
Nicht am Höhepunkt seiner Karriere
Unabhängig vom Potenzial weiß Bresnik, dass der French-Open-Halbfinalist des Vorjahres noch viel Arbeit vor sich hat. "Er ist jetzt nicht am Höhepunkt seiner Karriere. Obwohl er schon so weit vorne steht, ist er immer noch am Lernen. Er braucht einfach diese vielen Matches." Und die Konkurrenz schläft nicht. Trotz des guten Abschneidens von Thiem in Melbourne haben sich einige Spieler im Kampf um die Top Ten schon in eine sehr gute Ausgangslage gebracht.
"Zwei Spieler, die letztes Jahr nicht vor ihm waren, stehen jetzt schon wieder definitiv vor ihm (im ATP-Race, Anm.)", spielte Bresnik auf Finalist Rafael Nadal und Champion Federer an. Grundsätzlich müsse man wissen, dass in den Top Ten fast alle Spieler sind, die bei einem Grand Slam zumindest in einem Semifinale waren. Diese Punkte bei kleineren Turnieren aufzuholen ist dementsprechend schwer.
Die Jagd nach Punkten geht für Thiem kommende Woche beim ATP-250-Turnier in Sofia weiter, wo er wohl wieder topgesetzt sein wird, aber für das sich u.a. Grigor Dimitrov, David Goffin und Roberto Bautista Agut angesagt haben. Danach stehen der Reihe nach Rotterdam (anstelle von Buenos Aires im Vorjahr), Rio de Janeiro, Acapulco sowie die Masters-1000-Events in Indian Wells und Miami auf dem Programm.
Davis-Cup-Einsatz fraglich
Ob Thiem im Davis Cup am Wochenende vor Ostern zur Verfügung steht, ist offen. "Es geht in erster Linie um den Belag. Wenn die nicht auf Sand spielen, dann ist es quasi ausgeschlossen, dass er spielt, weil in der Woche unmittelbar nach dem Davis Cup ist Monte Carlo", gab Bresnik die Marschrichtung vor. Österreichs Gegner vom 7. bis 9. April wird dieses Wochenende zwischen Weißrussland und Rumänien ermittelt. Gegen Rumänien hätte man Heimrecht, gegen die Weißrussen würde das Los über den Schauplatz entscheiden.
Den teuren Sandplatz würde man sich bei einem Heimspiel wohl leisten. "Wenn auf Sand gespielt wird, kann es sein, dass er spielt", sagte Bresnik.
Thiem arbeitet in der Südstadt aktuell besonders am Aufschlag. Ziel ist es, die Anzahl der freien Punkte zu erhöhen. Zusätzliche Motivation hat sich Thiem auch als Zuschauer geholt: Wie auch sein Coach hat der Lichtenwörther das großartige "Nostalgie"-Finale zwischen Federer und Nadal natürlich auch angeschaut.
Begeistert war auch Bresnik von Federer: "Nachdem sie ihn jetzt seit fünf Jahren tot reden und ich das nie verstanden habe. Der hat letztes Jahr sieben Turniere gespielt und hat das Jahr auf 17 beendet." Für den gebürtigen Wiener unverständlich sind die ewigen Fragen nach dem Karriere-Ende des Schweizer Maestros. "Warum können die Leute nicht verstehen, dass jemand etwas gerne macht? Deswegen macht er es auch gut, der spielt einfach gern Tennis."