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Bresnik: "Federer ist der ideale Spieler"

Erfolgscoach Günter Bresnik über Trainingsgestaltung, perfekten Spieler und Dominic Thiem.

Bresnik:

„Jeder einzelne meiner Spieler hat mich als Coach verbessert. Manchmal habe ich in meiner beruflichen Entwicklung mehr von ihnen profitiert als umgekehrt.“

Günter Bresnik hat in den letzten 30 Jahren als Tennis-Trainer neben Dominic Thiem oder Boris Becker knapp 30 Top-100-Spieler betreut und weiß, wovon er spricht.

Im großen Interview mit ATPWorldTour.com gibt Bresnik Einblick in die Trainingsgestaltung, verrät was einen guten Trainer ausmacht und was er von Trainings-Muffeln hält.

Frage: Was sind die Unterschiede in der Struktur des Trainings vor einem Turnier und währenddessen?

Günter Bresnik: Die Praxis-Einheiten sind hauptsächlich vor und nach einem Match. Vor einem Spiel überwachst du das Aufwärmen, stellst sicher, dass der Spieler das Feeling für all seine Schläge bekommt und lenkst das Augenmerk auf einige wichtige Punkte für das Match. Nach dem Spiel gilt die meiste Aufmerksamkeit jenen Schlägen, die nicht so gut funktioniert haben, mit dem Fokus auf den nächsten Gegner und was für dieses Match wichtig ist.

Die Intensität hängt davon ab, ob am nächsten Tag ein Spiel ansteht, ob es maximal drei oder fünf Sätze dauern kann und ob in der Halle oder draußen gespielt wird. Das alles beeinflusst die körperliche Intensität des Trainings. Die Intensität in der Off-Season, wenn du an keinen Turnieren teilnimmst, ist viel, viel höher. Dann konzentrierst du dich auf die Schläge, die der Spieler im Moment nicht so gut kann. Ich schenke die meiste Aufmerksamkeit den Schlägen, die er am besten und schlechtesten spielt – nichts dazwischen.

"Wenn jemand nicht in der Lage ist, eine halbe Stunde oder Stunde nach einem 90-Minuten-Match zu trainieren, dann ist er nicht bereit für die Tour."

Günter Bresnik

Frage: Wie schnell nach einem Spiel steht dein Spieler wieder am Übungsplatz?

Bresnik: Manchmal sofort, wenn du bestimmte Dinge aus dem System bringen musst. Wenn ein Spieler verliert, hole ich ihn danach nie auf den Platz. Wenn er gewonnen hat, kann man trainieren, aber er muss vielleicht vorher etwas essen oder eine kleine Pause machen. Das Training ist nicht intensiv, nur 45 bis 60 Minuten.

Frage: Wie lange dauert das Training nach dem Match, wenn am nächsten Tag ein Spiel ansteht?

Bresnik: Da bin ich ein schlechtes Beispiel. Dominic hat in Nizza letztes Jahr nach jedem Match 90 Minuten bis zwei Stunden trainiert. Der Turnier-Direktor hat mich gefragt: „Willst du, dass er früh verliert?“ Er hat das Turnier gewonnen. Es ist nicht immer dumm, aber es hängt von der körperlichen und mentalen Verfassung des Spielers ab. Wie viel kann jemand leisten? Es gibt viele Spieler, die sich über 15 Minuten Training ärgern. Ich glaube, wenn jemand nicht in der Lage ist, eine halbe Stunde oder Stunde nach einem 90-Minuten-Match zu trainieren, dann ist er nicht bereit für die Tour.

Frage: Gibt es eine fixe Dauer für jede Übung im Training oder passt du die Übungen an das an, was du vom Spieler gesehen hast?

Beides. Ich setze eine Dauer fest und passe sie dann an, je nachdem wie gut der Spieler die Übung gemacht hat. Wenn du eine Übung für Passier-Schläge leitest und dem Spieler gelingen viele Passier-Schläge in Folge, dann beende ich die Einheit früher. Wenn er nicht in der Lage ist, die Übung technisch sauber zu bewältigen, dann setze ich die Einheit fort. Ich kann Spieler zu nichts zwingen, weil sie die Leute sind, die mich angestellt haben. Wenn sie etwas nicht machen wollen, dann machen sie es nicht. Es ist eine Frage der Zeit, wie schnell du sie überzeugen kannst, etwas zu tun, weil sie es tun müssen, um besser zu werden.



Frage: Legst du den Fokus auf ein Hauptziel im Training oder auf verschiedene Gebiete?

Bresnik: Ich mag die Konzentration auf eine bestimmte Aufgabe. Wenn etwas nicht gut funktioniert oder keinen Sinn macht, passe ich es an. Das ist üblich.

Frage: Wie viel Mitspracherecht hat ein Spieler in der Planung der Trainingseinheit?

Bresnik: Das hängt vom Alter des Spielers, der Intelligenz und mentalen Fähigkeit ab. Für gewöhnlich arbeite ich mit Spielern, die viel zu sagen haben.

Frage: Du bist Coach von Boris Becker gewesen. Hat er gesagt: Ich will das und das machen?

Bresnik: Einen Typen wie Boris zu trainieren ist anders, zumal ich damals jung und als Trainier unerfahren gewesen bin. Generell wissen Grand-Slam-Gewinner, was zu tun ist und kennen ihre Bedürfnisse besser als Spieler, die noch nicht so viel erreicht haben. Dann gibst du dem Spieler mehr Entscheidungsfreiheit.

Frage: Tennis hat sich in den letzten Jahrzehnten geändert. Hat sich auch die Struktur des Trainings geändert?

Bresnik: Ich bin seit 30 Jahren Trainer und ich weiß nie, wie sich das Spiel ändert. Du machst als Coach einen guten Job, wenn du dem Spieler viele Möglichkeiten gibst. Du kannst nicht sagen, wir spielen den Ball mit Spin zwei Meter übers Netz wie es Mats Wilander bei seinem Sieg in Roland Garros gemacht hat oder wie Wimbledon-Sieger John McEnroe. Damals hat jeder angefangen, den Ball früher zu nehmen, zu attackieren und aufzurücken. Das funktioniert nicht.

Als Erstes musst du wissen, was es für das Spiel generell braucht, dann schau auf die Möglichkeiten des Spielers. Roger Federer ist der ideale Spieler. Er versteht das Serve-and-Volley-Game genauso wie das Grundlinien-Spiel. Das hat ihm heuer geholfen, die Australian Open zu gewinnen.

Der Job eines Trainers ist es, dem Spieler alle nur möglichen Werkzeuge zu geben, damit er sein Spiel anpassen kann.

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Frage: Wie hast du es geschafft, seit 30 Jahren im Trainer-Geschäft zu sein?

Bresnik: Jeder einzelne meiner Spieler hat mich als Coach verbessert. Manchmal habe ich in meiner beruflichen Entwicklung mehr von ihnen profitiert als umgekehrt. Ich habe mit 27 Top-100-Spielern gearbeitet – Linkshänder, Rechtshänder, Serve-and-Volley-Spieler, Grundlinienspieler, ruhige und charismatische Jungs.

Dieses Wissen und diese Erfahrung helfen mir, jeden Spieler zu coachen – wann ich mit ihnen sprechen soll, wann ich nichts sagen soll, welche Turniere zu spielen sind, wo sie in ihrer Karriere stehen müssten, wie weit sie kommen können und wo sie in ein, zwei Jahren sein sollten.

Frage: Welche Ratschläge gibst du Dominic Thiem?

Bresnik: Ich will nur, dass er sich als Spieler verbessert. In vielen Bereichen hat er sein Potential noch nicht ausgeschöpft, daran arbeiten wir. Wir konzentrieren uns nicht auf sein Ranking. Ich sage immer wieder, dass es egal ist, ob er am Ende des Jahres Nummer 20 oder 30 ist oder in den Top 10. Wenn er die Komponenten seines Spiels zusammen bringt, dann wird er richtig gut spielen.

Ich sehe sein Potential. Wenn er alles zusammen bringt, hat er das Potential zu einem Grand-Slam-Sieger.

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