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Weißhaidinger: Mit "Bananen-Füßen" zur Krönung

Lukas Weißhaidinger im Interview über Gefühle, Gedanken und Geschichte:

Weißhaidinger: Mit Foto: © GEPA

"Meine Gefühle gehen drunter und drüber", sagt Lukas Weißhaidinger. 

Mit seiner Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen in Tokio hat der 29-jährige Oberösterreicher nicht nur Geschichte geschrieben, sondern sich nach einem langen Weg mit vielen Mühen auch selbst belohnt. 

"Ich bin froh, dass ich es bis hierher geschafft habe, das ist nicht selbstverständlich. Vor allem in der Leichtathletik", sagt Weißhaidinger demütig. "Ich habe den ganzen Tag den ganzen Weg Revue passieren lassen. Von Oberösterreich weg, die Anfänge, nach Wien in die Südstadt. Ich bin so dankbar, dass wir ein so tolles Team haben."

Von seinen Gefühlen übermannt kniete sich der 147-kg-Koloss unmittelbar nach dem Wettkampf mit der Österreich-Flagge im Wurfring nieder und küsste den Boden. "Es sind Olympische Spiele, am liebsten hätte ich jeden abgebusselt", sagt Weißhaidinger. "Aber das geht mit Corona nicht."

Im Interview erklärt der Bronze-Gewinner, warum sein Trainer eigentlich ein Zehn-Mann-Unternehmen sein müsste, seine Füße im Finale "Banane" waren und was er an seinem Erfolg am wenigsten begreift. 

Frage: Was waren Ihre Gefühle, als die Medaille festgestanden ist?

Weißhaidinger: Ich glaube, das hat jeder gesehen. Ich habe mich jetzt schon ein bisschen gefangen. Es waren sehr emotionale Stunden, der ganze Druck ist abgefallen. Ich habe kurz mit Hannah telefonieren können, das war ein wunderschönes Telefonat. Ich bin froh, dass ich es bis hierher geschafft habe, das ist nicht selbstverständlich. Vor allem in der Leichtathletik. Man hat gesehen, wie knapp das geworden ist. Es ist ganz wunderbar, meine Gefühle gehen drunter und drüber. Ich muss ein paar Mal schlafen, um das zu realisieren. Jetzt freue ich mich, wenn ich Montag heimfliege und meine Familie umarmen kann. 

Frage: Wie nervös waren Sie nach dem Wurf von Matthew Denny?

Weißhaidinger: Ich habe relativ schnell gewusst, das reicht nicht. Ich habe ehrlich gesagt eher mit dem (Kristjan) Ceh gerechnet, dass der noch einmal zurückschlägt. Ob ich dann noch einmal zurückschlagen hätte können, keine Ahnung, denn meine Füße waren echt Banane nach dem Vierten. Am Ende sind die Abstände egal, ich habe eine Medaille. 

Frage: Wie haben Sie den Wettkampf die ganze Zeit über gesehen?

Weißhaidinger: Ich habe keinen einzigen Wurf der Konkurrenz heute gesehen. Ich wollte mich auf mich fokussieren, um gut in den Wettkampf reinzukommen. Das hat sich nach dem dritten Wurf etwas gedreht, als Ceh weiter war. Ich war überzeugt, er wird heute noch draufpacken. Ich wollte aber nie hinsehen. Ich habe die ganze Zeit nicht hingesehen und es hat funktioniert, dass mich keiner überholt, da habe ich auch weiterhin nicht zugeschaut.

Frage: Sie wirken so ruhig jetzt. Was geht Ihnen durch den Kopf?

Weißhaidinger: Ich habe den ganzen Tag den ganzen Weg Revue passieren lassen. Von Oberösterreich weg, die Anfänge, nach Wien in die Südstadt. Ich bin so dankbar, dass wir ein so tolles Team haben. Gregor (Trainer Högler/Anm.), der eigentlich ein Zehn-Mann-Unternehmen sein müsste, der alles macht. Allein von der sportwissenschaftlichen Seite, das machen wir ganz alleine, da hilft uns keiner. Ich habe ein großartiges Team, Familie und Freunde. Vor allem Hannah, die den ganzen Weg mit mir gegangen ist.

Frage: Sie sind solide reingestartet, haben dann eine Megaserie hinlegt, die Körpersprache stimmte. Wie ging es Ihnen vom Kopf her?

"Ihr werdet mich morgen mit einer Sonnenbrille sehen, das will ich gleich entschuldigen."

Weißhaidinger wird feiern

Weißhaidinger: Wenn ich den Wettkampf vorher hätte aufzeichnen müssen, wäre das komplett anders verlaufen. Der Plan war, gleich einen rauszulassen, aber da sind mir die zittrigen Beine im Weg gestanden. Die erste Runde haben wir alle ein bisschen verschlafen. Dann habe ich reingefunden und einen Flow gehabt. Auch wenn die Würfe technisch nicht super schön waren, von der Aggressivität her waren sie, wie ich sie mir vorgestellt habe. Ich wusste, da ist noch was drinnen, ich habe die 68 drauf gehabt. Mit Simon (Pettersson/2., Anm.) habe ich überhaupt nicht gerechnet. Aber ich weine der Silbermedaille nicht nach. Ich habe einmal gehört, dass dreimal Bronze einmal Gold ist. Ich bin so extrem stolz darauf, dass ich jetzt bei jeder internationalen Meisterschaft eine Medaille habe. Mit der Krönung Olympische Spiele. Man muss die Kirche trotzdem auch im Dorf lassen. Silber und Gold wären nicht unmöglich gewesen, aber anders als die Schweden stehen Gregor und ich alleine am Platz. Ich bin extrem stolz, was wir erreicht haben. Nach Eisenstadt habe ich bis heute gespürt, dass ganz schön Druck da ist. Ich bin froh, dass ich ihm standgehalten habe.

Frage: Sie sind im Stadion zu Ihrem Trainer, dem Team gegangen, habe sich die österreichische Fahne abgeholt und haben sich danach im Wurfring niedergekniet und den Boden geküsst.

Weißhaidinger: Es sind Olympische Spiele, am liebsten hätte ich jeden abgebusselt. Aber das geht mit Corona nicht.

Frage: Und wie hat Ihr Trainer den Erfolg aufgenommen?

Weißhaidinger: Gregor ist extrem "geflasht". Man hat schon gemerkt, dass auch von ihm extremer Druck abfällt. Aber er war immer der Überzeugung: Das funktioniert, was wir da machen. Ich bin ihm auch extrem dankbar, dass er in der Qualifikation nach dem zweiten Fehlversuch extrem ruhig geblieben ist. Dann war ich es auch. Im Nachhinein hat er zugegeben, dass er doch nervös war. Er hat auch heute die richtigen Worte gefunden, nachdem ich die 67,07m geworfen habe. Er ist ein top Trainer, das zeichnet ihn auch in den richtigen Momenten aus.

Frage: Was bedeutet es Ihnen, als erster männlicher Leichtathlet für Österreich eine Olympia-Medaille geholt zu haben?

Weißhaidinger: Das ist etwas, das ich am wenigsten begreife von dem Ganzen. Wir haben mit der WM schon Geschichte geschrieben. Dass es bei Olympischen Spielen funktioniert, da ist immer viel Glück dabei. Mich macht das extrem stolz. Man tritt gegen 200 Nationen an, das macht das Ganze extrem schön. Und wenn der Australier sechs Zentimeter weiter wirft, sieht die Sache anders aus. Das macht es so speziell. Beim Laufen kann man sich von Runde zu Runde immer steigern, bei uns sind es zwei Stunden, die zählen.

Frage: Wie geht es jetzt weiter?

Weißhaidinger: Ich weiß noch nicht genau, was ich mir gönne. Was ich brauche, ist Abstand. Ich weiß noch nicht, wie viele Wettkämpfe ich machen werde, weil ich körperlich und mental ganz schön leer bin. Ich werde mal auf Urlaub fahren und Abstand vom Sport finden. Ich bin jetzt zwei Jahre einer olympischen Medaille nachgerannt. Jetzt hat das Privatleben auch mal wieder Zeit.

Frage: Und wie wird gefeiert?

Weißhaidinger: Ihr werdet mich morgen mit einer Sonnenbrille sehen, das will ich gleich entschuldigen. So ein Tag wiederholt sich so schnell nicht. Es ist nicht damit erledigt, die Medaille umhängen zu haben, das gehört aufgearbeitet. Ich weiß nur, dass ich am Montag heimfliege. Die ganze Zeitrechnung ist nur bis heute gelaufen. Es wird für mich auch irrsinnig witzig sein, jetzt auch mal wieder Leute zu umarmen! Weil ich viel in einer Bubble gelebt habe. Aber ich werde jede Sekunde genießen.

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