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Noch einmal gemeinsam auf Beutezug

Eine der erfolgreichsten Symbiosen in Österreichs Sommersport geht in Rio zu Ende.

Noch einmal gemeinsam auf Beutezug

Soe Yan Naing aus Myanmar.

Würde es ihn nicht geben, Sabrina Filzmoser hätte schon vor dem Beginn der Sommerspiele eine Bestmarke sicher. In der Liste der ältesten Rio-Judoka wird die 36-jährige Welserin nämlich nur vom international völlig unbekannten Wildcard-Starter aus Südostasien überboten.

Nicht ganz die älteste zu sein: Filzmoser wird es freuen – oder noch wahrscheinlicher – ihr wird es vollkommen egal sein. Viel zu fokussiert ist die zweifache Europameisterin, als dass sie sich über derartige Zahlenspielereien einen Kopf machen würde.

Nichtsdestoweniger findet sich in jener Statistik ein zweiter Österreicher ganz weit vorne: Ludwig Paischer.

Filzmoser-Paischer. Keine anderen beiden Kämpfer haben Österreichs jüngere Judo-Geschichte derartig geprägt wie sie. Und in Rio de Janeiro wird jener gemeinsame Weg, den die beiden vor rund 20 Jahren begannen, ein Ende finden.

Möglicherweise ein großes. Es ist auf alle Fälle der letzte gemeinsame Beutezug der beiden Judo-Rentner.

Wie Tag und Nacht

Filzmoser und Paischer waren mehr als bloße Trainingskollegen. Es war mehr als bloß das zeitgleiche Auftreten zweier erfolgreicher Sommersportler, die in Summe 16 EM-Medaillen und 68 Weltcup-Podeste holten.

Aus heutiger Sicht stellt sich viel eher die Frage: Wäre der eine ohne den anderen überhaupt so erfolgreich gewesen?

Denn damals wie heute fehlt Österreichs Judo ein langfristiges Konzept. Planungen über einen Olympia-Zyklus hinaus existieren praktisch nicht. Angesichts wechselnder Nationaltrainer war es von entscheidender Bedeutung, dass sich das Duo sein Umfeld ein Stück weit selbst zusammenzimmerte.

„Es ist schon so, dass der eine die Konstante in der Karriere des anderen ist“, schildert Filzmoser. Dabei stellt man bei einem genaueren Blick schnell fest, dass die Zwei eigentlich wie Tag und Nacht sind. Das gilt sowohl für die Persönlichkeit, als auch für das sportliche Talent.


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„Sie ist eher die Ruhige, ich eher der Laute. Ihre große Stärke ist die Ausdauer, meine sind schnellkräftige Belastungen“, beschreibt Paischer. „Wir sind wie Yin und Yang.“

Und genau dieses Ergänzen wurde zu ihrem großen Trumpf. Der eine schaute sich beim anderen etwas ab, profitierte so von dessen Vorzügen. „Und da wir so unterschiedlich waren, war es auch nie ein Problem, wenn jeder einmal seine eigenen Wege gegangen ist“, so Filzmoser. Egal, was kam, die beiden hielten loyal zusammen. „Lupo ist der Bruder, den ich nie hatte“, sagt die zweifache WM-Medaillengewinnerin rückblickend.

Als Lupo sein Rad versenken wollte

Na gut, vollkommen friktionsfrei ist es bei all den Unterschieden dann freilich nicht abgelaufen. Bestes Beispiel dafür ist wohl die Olympia-Vorbereitung für die Sommerspiele 2008. Im Höhentrainingslager in St. Moritz machten die beiden per Mountainbike diverse Pass-Straßen unsicher. Freilich ganz zur Freude Filzmosers.

Lupo erinnert sich: „Nach fünf Stunden auf dem Rad war ich fertig, habe nicht mehr gekonnt, da sagt Sabsi plötzlich voll Begeisterung: ‚Boah auf diesen Gipfel will ich auch noch rauf!‘ In diesem Moment hätt ich das Rad am liebsten in den See geschmissen.“ Auch wenn ihm damals noch nicht danach zumute war, heute kann der Salzburger darüber lachen.


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Um die Ausdauer-Fähigkeiten Filzmosers ein wenig zu illustrieren: 2015 gewann sie die „Tour of Dragon“. Ein Mountainbike-Rennen über 268 Kilometer und vier Himalaya-Pässe, die sie in 16:24 Stunden bewältigte. Mitleid mit Paischer macht sich breit…

Jubel und Tränen

Zurück aber ins Jahr 2008, welches für die gemeinsame Karriere eine Hochschaubahn der Gefühle darstellte. Zum einen die Europameisterschaften in Lissabon, bei denen sie sich jeweils den Titel holten, getrennt nur durch ein paar Minuten. „Dabei habe ich ihren Finalsieg nicht einmal sehen können“, berichtet Paischer vom historischen Doppelschlag. „Da ich schon bei der Doping-Kontrolle gesessen bin, hab ich es nur über den Stadionsprecher mitbekommen.“ Gemeinsam gefeiert wurde wenige Minuten später dann eben bei der Doping-Kontrolle.

Auf dieses Highlight folgte wenige Monate später mit den Olympischen Spielen in Peking der zwiespältigste Moment der gemeinsamen 20 Jahre. Zwei Tage nachdem Paischer mit Silber den größten Erfolg seiner Karriere eingefahren hatte, erlebte die Weltranglisten-Erste Filzmoser mit einer knappen Auftakt-Niederlage die größte Enttäuschung ihrer Laufbahn.

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„Es war schwierig, sie danach wieder aufzubauen, weil was willst du sagen?“, versetzt sich Paischer in die Situation von damals zurück. „Wenn du selbst gerade die Silberne umgehängt bekommen hast, kannst du nicht hingehen und sagen: ‚Das wird schon wieder.‘ Weil du in diesem Moment einfach nicht im selben Boot sitzt wie sie.“

Nach kurzer Nachdenkpause ergänzt er: „Es gibt keinen Menschen, dem ich eine Medaille mehr vergönne als Sabsi.“

Das Schöne am Schatten

Die Ausgangsposition vor den anstehenden Olympischen Spielen in Rio ist eine ungleich andere als jene von vor acht Jahren. In der Weltrangliste spielen Filzmoser (16.) und Paischer (29.) aktuell nur untergeordnete Rollen.

„Uns zwei gibt es sehr viel, dass wir Teil eines recht großen Olympia-Teams sind. Dass die Jungen schon so weit sind und der Erwartungsdruck dadurch von Lupo und mir weg ist“, spielt Filzmoser in erster Linie auf Kathrin Unterwurzacher (bis 63 kg) und Bernadette Graf (bis 70) an. Die zwei Tirolerinnen gehen als jeweils Sechste im Ranking in das olympische Turnier. Fünfter im ÖJV-Bunde ist Schwergewicht Daniel Allerstorfer (plus 100).

„Es ist angenehm, dass wir uns etwas zurücknehmen und dadurch voll auf uns konzentrieren können.“

Wie es nach dem letzten gemeinsamen Beutezug weitergeht, wissen sie noch nicht. „Doch was auch kommt, unsere Wege werden sich immer irgendwie kreuzen“, sagen sie unisono.

Reinhold Pühringer


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