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Lupo: "Es war eine unglaubliche Zeit"

Ludwig Paischer blickt im LAOLA1-Interview noch einmal zurück auf seine Karriere und nach vorne:

Lupo:

Mit fast 35 Jahren beendete mit Ludwig Paischer einer der erfolgreichsten heimischen Sommersportler der vergangenen 15 Jahre am Freitag seine Laufbahn.

28 Jahre stand der Olympia-Zweite (2008) davon auf der Matte. Mit LAOLA1, das die Karriere des Salzburgers stets begleitete, traf er sich noch einmal zu einem exklusiven Interview-Termin, um über seine wichtigsten Triumphe und Niederlagen sowie seinen neuen Job in Fernost zu sprechen:

LAOLA1: Lupo, was ist deine erste Judo-Erinnerung?

Ludwig Paischer: Da habe ich noch nicht einmal Judo gemacht und zwar als ich meiner Mama begeistert beim Judo zugeschaut habe.

LAOLA1: War das im Endeffekt schon ausschlaggebend für die vielen Dinge, die danach gekommen sind?

Paischer: Das weiß ich nicht. An diesen Moment kann ich mich ja noch erinnern, aber ich habe ihr ja schon mit zwei, drei Jahren stundenlang beim Judo zugeschaut. Dabei habe ich nichts anderes gebraucht, habe nicht gequengelt, gar nichts. Insofern war Judo für mich vom ersten Tag an mein Leben. Die letzten 28 Jahre waren eine unglaubliche Zeit. Auch wenn ich als Kämpfer nicht mehr dabei bin, werde ich dem Judo nicht verloren gehen.

LAOLA1: Du sagst, es „war“ dein Leben…

Paischer: Ich habe nun eine neue Herausforderung. Ich kann ja nur sagen, was bis jetzt mein Leben war. Ich hatte das Glück, dass ich einen super Job im Sportmanagement gefunden habe. Das heißt, ich bin jetzt nicht mehr der, der vorne die Resultate bringt, sondern der, der die Leute unterstützt, damit sie Ergebnisse bringen. Ich bleibe dem Sport verbunden, was für mich unglaublich cool ist. Deswegen lebe ich meinen Lebenstraum weiter.


Zum Karriereende wurde Paischer von seinem langjährigen Trainer Gerhard Dorfinger ein letztes Mal geworfen:


LAOLA1: Wie sieht deine neue Aufgabe ganz konkret aus?

Paischer: Ich arbeite für Red Bull in Japan und bin im Sportmarketing tätig. Das umfasst Athletenbereich, Sportevents, Motorsport…es ist sehr vielschichtig. Momentan bin noch dabei, alle Metiers so richtig kennenzulernen. Die neuen Aufgaben werde ich mit der gleichen Fokussiertheit und gleichem Ansporn verfolgen, die mich schon als Sportler auszeichneten.

LAOLA1: Du und Japan, das ist ja kein Erstkontakt. Wo unterscheidet sich der japanische Sport vom österreichischen?

Paischer: Um das Ganze wirklich darzustellen, bin ich noch nicht tief genug in der Materie drinnen. Generell ist der japanische Sport auf Schulen aufgebaut. Es gibt kaum Sport-Vereine, bei denen wirklich Profi-Sport gemacht wird. Das heißt, die Sportler kommen in eine Junior-Highschool, Highschool oder eine Universität. Dann werden sie von Firmenteams übernommen. Diese ähneln unserem Heeressportzentrum oder der Polizei, wo es die Möglichkeit gibt, seinen Sport professionell auszuüben. Aber dort handelt es sich um große japanische Firmen. Dadurch bleiben viele Sportler weiterhin in ihrem gewohnten Umfeld an den Unis und können dort sehr lange professionell trainieren. Im Judo etwa sind auf jeder Universität etwa 100 Kämpfer, die täglich drei Stunden an sechs Tagen pro Woche auf der Matte stehen.

LAOLA1: In puncto Standing des Sports: Stimmt es, dass deine Kollegen in deiner neuen Firma dich schon kennen, weil sie sich vorher auf Youtube deine Kämpfe angeschaut haben?

Paischer: Ja, die Wertschätzung von Sport ist in Japan eine viel höhere. Als sie hörten, dass ein neuer Mitarbeiter kommt, haben sie sich informiert. Der Sieg im Hamburg-Finale 2008 über Tadahiro Nomura war in meinem Fall enorm wichtig, weil Nomura in Japan Legenden-Status genießt. Wie bei uns ein Hermann Maier. Nomura ist dreifacher Olympiasieger, davon gibt’s ganz, ganz wenige. Über einen so langen Zeitraum an der Spitze zu stehen, ist einfach unglaublich. Für mich der größte Judoka aller Zeiten.

LAOLA1: Was bleibt von 18 Jahren Leistungssport?

Paischer: Sehr, sehr viel. Es bleiben Erfolge, Misserfolge. Es sind Freundschaften endstanden. Ich habe mich als Mensch durch den Sport zu dem entwickelt, was ich heute bin. Dass ich jetzt den Job in Japan bekommen habe, ist zu einem großen Teil dem Sport geschuldet.

LAOLA1: Ist es am Ende die Olympia-Silberne, die von dieser langen Karriere am meisten wiegt?

Paischer: Jein. Am meisten wiegt, was Judo aus mir gemacht hat. Die Lebenseinstellung und die vermittelten Werte. Aber wenn du mich fragst, welcher Erfolg für mich am meisten Bedeutung hat, dann ist das definitiv Olympia-Silber. Nicht viele österreichische Sommersportler haben eine Medaille gewonnen. Unsere Statistik der letzten Jahre ist nicht unbedingt top. Das macht mich schon stolz. Für meinen neuen Job ist das Gewesene aber nicht mehr entscheidend, schließlich will ich in meiner neuen Aufgabe nicht als ehemaliger Spitzensportler gelten, sondern mich neu profilieren.

LAOLA1: Angenommen wir könnten jetzt dein 18-jähriges Ich anrufen, was würdest du ihm sagen?

Paischer (überlegt kurz): Eigentlich gibt es nichts, was ich bereue. Wenn es noch jünger wäre, würde ich ihm wahrscheinlich raten, dass es etwas früher für einige Wochen nach Japan gehen sollte, um einfach die Grundtechniken besser zu erlernen. Ich habe jetzt erst so richtig mitbekommen, wie es dort funktioniert. Es ist unglaublich: In Japan können Acht-, Neun-Jährige Techniken, bei denen sich bei uns manch Erwachsener schwer tut. Davon abgesehen waren rückblickend auch einige harte Entscheidungen dabei. Aber als Spitzensportler musst du harte Entscheidungen treffen.

LAOLA1: Zum Beispiel?

Paischer: Auch wenn es gerade läuft, etwas am System zu ändern. Fußball ist ein Paradebeispiel dafür: Es gibt Top-Klubs, die dennoch alle drei, vier Jahre den Trainer wechseln, weil du einfach neue Reize brauchst. Das waren nicht immer einfache Entscheidungen, weil du oft Menschen vor den Kopf stoßen musstest, die dir sehr, sehr wichtig waren. Schlussendlich ist es mir gelungen, am Karriereende mit allen ein super Verhältnis zu haben. Das ist mir sehr wichtig, weil es zeigt, dass du auch als Mensch etwas richtig gemacht hast. Darum wollte ich auch bei meinem offiziellen Abschied unbedingt ein Foto mit allen dort Anwesenden haben, weil sie alle ein Mosaik-Steinchen zu meiner Karriere beigetragen haben.

LAOLA1: Deinen größten Erfolg hast du schon verraten, aber was war deine größte Niederlage?

Paischer: Ob es die größte war, weiß ich nicht, die wichtigste war jedenfalls jene bei Olympia in Athen (Erstrunden-Aus; Anm.), weil ich bis dahin keine echte Niederlage in meinem Sportlerleben hatte. Da habe ich dann erst richtig verstanden, wie die Sportwelt funktioniert, was mir später geholfen hat, immer auf dem Boden zu bleiben. Und aus Misserfolgen lernst du letztlich ohnehin mehr als aus Siegen.


Das Interview führte Reinhold Pühringer

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