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Weltmeister Quartararo: "Alles wie ein Traum"

Foto: © GEPA

Ein junger Mann aus Nizza mischt seit 2019 die MotoGP auf, nur zwei Jahre später sitzt er am Thron: Fabio Quartararo.

Der 22-jährige Franzose krönte sich beim Grand Prix der Emilia Romagna in Misano erstmals in seiner Karriere zum Weltmeister. Ausgerechnet in der MotoGP, der höchsten Klasse der Motorrad-WM, gelang ihm dieses Kunststück. In der Moto3 und Moto2, in denen er je zwei Saisonen absolvierte, war ein zehnter WM-Rang sein bestes Ergebnis.

Früh in seiner Laufbahn wurde der Yamaha-Pilot mit Marc Marquez verglichen, diesen Status konnte er lange Zeit nicht bestätigen. Erst mit dem Aufstieg in die MotoGP folgte auch bei Quartararo der Aufschwung, schon 2020 war seine Chance auf den WM-Titel groß. Damals warf er in entscheidenden Momenten allerdings die Nerven weg, beendete das Jahr auf einem enttäuschenden achten WM-Rang.

2021 gab es kein Vorbeikommen mehr am ersten französischen Weltmeister der MotoGP-Geschichte. In jedem Rennen gepunktet, dazu in zehn Grand Prix am Podest - fünf davon beendete er als Erster. Quartararo war in dieser Saison das Synonym für Konstanz.

Marc Marquez das Zünglein an der Waage

Dass "El Diablo" jedoch bereits in Misano über den WM-Titel jubeln durfte, war erst durch den Sturz seines schärfsten WM-Konkurrenten Francesco Bagnaia möglich. Nach dem Grand Prix der USA in Austin hatte Quartararo 52 Punkte Vorsprung auf den italienischen Ducati-Fahrer, der sich zuletzt in bestechender Form befand. 

Sieg in Aragon, Sieg im ersten Rennen in Misano, dazu Platz drei in Austin. Bagnaia mauserte sich zum letzten Kontrahenten Quartararos und schickte sich an, mit seiner vierten Pole-Position in Folge die WM-Entscheidung zu vertagen. Dies wäre ihm auch gelungen, wenn nicht ein gewisser Marc Marquez im Rennen das Zünglein an der Waage gewesen wäre.

Der Misano-Triumphator hielt mit seiner Honda von Rennbeginn an als einziger Pilot mit Bagnaia mit, konnte den Druck auf den Italiener konstant hochhalten. Schlussendlich brach Bagnaia, der sein erstes Jahr auf der Werks-Ducati bestreitet, unter genau diesem Druck ein und stürzte. 

Quartararo, der nach einem schlechten Qualifying nur von Platz 15 startete und sich konstant nach vorne arbeitete, stand plötzlich als Weltmeister fest. Auch das Podium war noch in Reichweite, in der Schlussrunde setzte sich Enea Bastianini sich noch am Franzosen vorbei und holte Rang drei.

Quartararo erfüllt seinen Lebenstraum - Gratulationen auch von Bagnaia

Dem 22-Jährigen war dies herzlichst egal, er hat seinen großen Lebenstraum erfüllt. "Ich kann gar nicht. Das ist unglaublich! Das ist einfach ein Traum! Es fühlt sich so gut an, vor allem, weil auch meine Familie hier ist. Heute Abend werden wir feiern und den Rest der Saison einfach genießen", lautete Quartararos erste Reaktion.

Ein paar Stunden später berichtete "El Diablo" auf einer eigens anberaumten Weltmeister-Pressekonferenz über den Tag seines Lebens. Zuerst gab es tröstende Worte für seinen gestürzten WM-Kontrahenten: "So, wie das Wochenende für 'Pecco' zu Ende gegangen ist, das ist natürlich nicht die Art und Weise, wie ich mir das gewünscht hätte. Ich bin froh, dass er in Ordnung ist."

Der Ducati-Pilot zeigte sich nach Quartararos Zieldurchfahrt als einer der ersten Gratulanten. In diesem Moment verspürte der Yamaha-Fahrer Erleichterung pur - wenige Stunden zuvor noch kaum denkbar. 

Unruhige Nacht, wenig Appetit - trotz großer Nervosität zum WM-Titel

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"Heute morgen, vor dem Aufstehen, hatte ich einen seltsamen Traum", erzählt "El Diablo". "Ich träumte, dass es regnen würde. Das war um fünf Uhr morgens. Ich stand auf, um nachzuschauen, ob es regnet. Dann aber wurde mir klar, dass ich das nur geträumt hatte. So konnte ich mich wieder in Ruhe schlafen legen."

Hier muss erwähnt werden, dass der Weltmeister aus Nizza bei Regen-Bedingungen seine Schwächen hat. Immer wieder bezeichnete er seine Yamaha YZR-M1 unter widrigen Bedingungen als unfahrbar.

Und obwohl ein trockenes Rennen in Aussicht stand, war die Nervosität größer denn je. "Zum ersten Mal hatte ich vor einem Rennen wirklich Probleme, etwas zu essen. Ich habe meine Gnocchi einfach nur gekaut und hatte noch 30 weitere auf dem Teller", gibt er zu.

Schlussendlich hatte Quartararo viel zu verlieren. Wäre er gestürzt und Bagnaia hätte gewonnen, hätte sich der WM-Kampf nochmal dramatisch zugespitzt. Daher meint der Franzose auch: "Die einzige Möglichkeit, dass ich schon heute Weltmeister werde, wäre ein Sturz von 'Pecco' gewesen. Und so ist es gekommen."

"Das Wort Weltmeister hat noch gar nicht den Weg in mein Gehirn gefunden"

"Ich habe noch gar nicht realisiert, was passiert ist. Das Wort Weltmeister hat noch gar nicht den Weg in mein Gehirn gefunden. Ich werde das alles wohl erst in ein paar Stunden oder ein paar Tagen realisieren."

Dass er sein elftes Saisonpodest schlussendlich knapp verpasste, störte den 22-Jährigen gar nicht: "Ich wäre natürlich gerne auf das Podium gefahren, aber mein Vorderreifen war komplett am Ende. Ehrlich gesagt war es so aber vielleicht sogar besser, denn so konnte ich direkt meine Familie und meine gesamte Crew sehen. Ich habe gar keine Worte dafür."

Kaum noch Worte brachte der Weltmeister auf seiner eigenen PK heraus, da schlichtweg die Stimme allmählich versagte. "Ich habe schon jetzt keine Stimme mehr, weil ich so sehr geschrien und so sehr geheult habe. Ich musste an den Weg hierher denken und daran, wie ich vor ein paar Jahren, als es für mich nicht so gut lief, niemals daran geglaubt hätte, MotoGP-Weltmeister zu werden. Deshalb ist das momentan alles wie ein Traum für mich. Ich habe noch gar nicht realisiert, was gerade passiert."

Speziell nach dem Ende der vergangenen Saison, in der er seine intakten WM-Chancen in den letzten fünf Grand Prix sagenhaft wegwarf, scheint dieser Titel mehr als nur Balsam auf der Seele zu sein. Quartararo kam darauf auch zu sprechen.

Zwei Wendepunkte am Weg zum Weltmeister

"Kurz vor dem Rennen saß ich mit Tom (persönlicher Betreuer Thomas Maubant; Anm.) zusammen. Ich war nervös. Da sagte er mir, ich solle an die letzten drei Rennen des vergangenen Jahres denken und daran, wie diese ein komplettes Desaster waren."

"Damals wollte ich das Jahr einfach nur noch zu Ende fahren und habe auf die Position der WM gar nicht mehr geachtet. Heute stand ich vor dem Rennen, in dem ich Weltmeister werden konnte. Rückblickend glaube ich, dass mir die schwierige Erfahrung des vergangenen Jahres heute geholfen hat", so Quartararo.

Geholfen hat freilich auch die atemberaubende Konstanz, in jedem Rennen gepunktet zu haben - sogar in Jerez, wo er in Führung liegend mit Armpump-Problemen zu kämpfen hatte und sich daraufhin einer Operation unterziehen musste.

Ein Rennen stach für ihn ob der Konstanz aber besonders heraus: "Der Wendepunkt war für mich der Sieg in Mugello. Bagnaia war dort superstark, ist aber früh gestürzt. Ich kämpfte dann gegen Johann (Zarco, Anm.). Und dieser Sieg hat mir das nötige Selbstvertrauen gegeben."

Dadurch fuhr der 22-jährige aus Nizza nahezu unbeirrt zu seinem ersten Weltmeistertitel in der MotoGP. Und eines ist klar: Konserviert er seine Form und nimmt sie in die kommende Saison mit, gilt es einen Mann, der sich am Höhepunkt seiner bisherigen Karriere befindet, erst einmal zu schlagen: Fabio "El Diablo" Quartararo.

Textquelle: © LAOLA1.at