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Neugierig und aufgeregt: Miller sieht bei KTM viel Potenzial

Der australische Rückkehrer war bei den Valencia-Tests vom Bike überrascht. Mit KTM könnte er MotoGP-Geschichte schreiben:

Neugierig und aufgeregt: Miller sieht bei KTM viel Potenzial Foto: © KTM/Philipp Platzer

"Das Motorrad sieht fantastisch aus", strahlt Jack Miller.

Ende Jänner kehrte der Australier erstmals seit 2014 wieder nach Mattighofen zurück. Vor neun Jahren fuhr er seine letzte Moto3-Saison in den orangenen Farben, ehe er den direkten Sprung in die MotoGP schaffte und bei LCR Honda anheuerte. Acht Saisonen und vier Rennsiege später ist Miller wieder Teil des KTM-Teams.

Der 28-Jährige bringt viel Erfahrung mit, fuhr 2022 sein bisher bestes Jahr in der Motorrad-Königsklasse. Acht Mal stand "Thriller Miller" mit der Werks-Ducati am Podium, Teamkollege und Weltmeister Francesco Bagnaia konnte er jedoch nicht das Wasser reichen.

Trotzdem zählt Miller ohne jede Zweifel zu den besten Piloten in der MotoGP und bringt nun viel Know-how vom aktuell besten Bike auf dem Grid mit zum österreichischen Fabrikat.

Großer Ducati-Einfluss bei KTM

Durch seinen Wechsel setzt sich auch ein Trend fort, den KTM in den letzten Jahren einleitete.

Ende 2021 wurde Francesco Guidotti nach dem Abgang von Mike Leitner als neuer Teammanager installiert, zuvor wurde Fabiano Sterlacchini von den Italienern weggelotst und nimmt seither die Position des technischen Leiters ein.

"Nichts fühlt sich wirklich neu an."

KTM-Rückkehrer Jack Miller

Auf die Zusammenarbeit mit Guidotti, der schon bei Pramac-Ducati Millers Teammanager war, freut sich der Rückkehrer besonders: "Wir haben eine Menge Erfahrung und gute Erinnerungen zusammen. Er ist ein fantastischer Teamchef, also freue ich mich darauf, wieder mit ihm zu arbeiten."

Auch die Tatsache, dass er seinen bisherigen Crew-Chief Cristhian Pupulin mitbringt, "war ein wichtiger Faktor" für seinen Wechsel. "Es ist wirklich gut, die Jungs wiederzusehen. Man muss keine neuen Leute kennenlernen, nicht einmal die Chefs", lacht Miller und meint daher: "Nichts fühlt sich wirklich neu an."

Positive Eindrücke aus Valencia mitgenommen

Von Freitag bis Sonntag wird sich der sympathische Mann von "Down Under" bei den Tests im malaysischen Sepang erstmals auf das 2023er-Bike schwingen, seine erste Ausfahrt auf einer MotoGP-KTM wird dies allerdings nicht sein.

Denn in Valencia standen direkt nach Saisonende schon die ersten Tests an, konnte Miller erste Eindrücke sammeln - und die waren durchwegs positiv. "Dieser Test hat mir viel gezeigt. Ich konnte viel mehr verstehen, als ich es für einen eintägigen Test erwartet hätte", war er erstaunt.

Normalerweise verlaufe der Wechsel der Hersteller hektisch. "Die meiste Zeit des Tages verbringt man damit, zu verstehen, welche Teile was machen", so Miller. Dass sei diesmal aber nicht der Fall gewesen. Seine Herangehensweise an diesen Tag hätte ihm dabei auch geholfen.

"Meine wichtigste Einstellung war, dass ich das Motorrad selbst fahre. Ich höre nicht auf den Input von außen; ich werde einfach das tun, was ich kann, und das Motorrad für mich lernen. Ich werde nicht zulassen, dass meine Entscheidung oder meine Gefühle dadurch beeinträchtigt werden", konnte der 28-Jährige unvoreingenommen an den Test herangehen.

Das Motorrad sei gut gewesen, "wir haben schon am ersten Tag einige große Schritte gemacht", betont Miller. Ein Punkt, an dem gearbeitet wurde, war die Elektronik. "Um zu sehen, wie wir mehr Leistung aus den Kurven hinaus holen können", erzählt er und berichtet, von einem "unkomplizierten Test", der ihn "neugierig und aufgeregt gemacht hat."

Das größte Problem

Was ihm am meisten auffiel? "Wie konstant das Motorrad war", sagt Miller. "Ich will nicht sagen, dass es einfach zu fahren war, denn ein MotoGP-Motorrad zu fahren ist nie einfach. Aber die Art und Weise, wie das Motorrad konfiguriert war, machte es einfach zu fahren."

Das Motorrad rutschte in Kurven nicht viel, beim Kurvenausgang griff die Wheelie-Kontrolle. "Aber als das Motorrad dann zum Leben erwachte, hatte es eine Menge Power. Das war anfangs das größte Problem", war Miller überrascht. Und das, obwohl Ducatis Desmosedici an und für sich das Top-Speed-stärkste Bike ist.

Man habe in Valencia nichts an der Geometrie des Bikes verändert, viel mehr an der Elektronik gearbeitet, um ihm das richtige Gefühl zu geben und die Power beim Kurvenausgang selbst steuern zu können.

Jack Miller bei den Tests in Valencia
Foto: © Gold & Goose / Red Bull Content Pool

"Im Grunde sind das nur Verbesserungen", so der Australier. Für den in Valencia erste Räder in Bewegung gesetzt wurden, woran KTM beim neuen Bike arbeiten muss. "Natürlich gab es einige positive und negative Aspekte", meint er. Er denke aber, dass das Team über den Winter "sehr fleißig war und an meinem Feedback von diesem Tag gearbeitet hat."

Natürlich hofft Miller, dass "einige Verbesserungen" erzielt wurden. In Malaysia "werden wir verstehen, ob wir in die richtige Richtung gegangen sind oder nicht, was die Positionierung des Gewichts auf dem Motorrad angeht."

Auch in puncto Aerodynamik, dem seit jeher unbeliebten Thema im Hause KTM, wurde viel entwickelt. Auch dank einer letztes Jahr abgeschlossenen Partnerschaft mit Red Bull Advanced Technologies. "Wir wollen immer mehr aus dem Aerodynamikpaket herausholen", betont Miller dahingehend.

KTM sind keine Grenzen gesetzt

Der Australier sieht bei KTM generell "viel Potenzial". Auch deshalb, weil mittlerweile viel Wissen von Ducati vorhanden ist.

"Wir haben viele großartige Jungs von Ducati übernommen. Ich glaube, so wie KTM arbeitet, mit der offenen Mentalität, die sie haben, der Kraft, die sie hinter dem Projekt haben und diesen großartigen Köpfen, die daran beteiligt sind, kann man nicht sagen, wo das Ganze enden kann", so Miller, der sich "sehr geehrt und privilegiert fühlt, Teil davon zu sein."

"Das größte Ziel ist es, so viele Schwachstellen wie möglich zu beseitigen. Die (Ex-Ducati-, Anm.)-Mitarbeiter sollen sich ein Bild davon machen, was Ducati in der Vergangenheit gemacht hat, und herausfinden, ob einige der Probleme, die sie (bei Ducati, Anm.) in der Vergangenheit hatten, mit denen von KTM jetzt übereinstimmen."

Und wenn nicht, dann gehe es darum, neue Lösungen zu finden. Miller ist sich sicher: "Mit den richtigen Leuten um uns herum können wir das Maximum aus dem Motorrad herausholen."

Kein Druck, aber MotoGP-Geschichte vor Augen

Der Australier legt sich selbst jedoch keinen großen Druck auf, schließlich weiß er aus eigener Erfahrung, dass ein Hersteller-Wechsel seine Probleme mitbringt.

"Der Wechsel des Herstellers, der Wechsel des Motorrads, der Wechsel des Fahrstils - das sind alles Faktoren. Es ist nie einfach, wenn die Dinge so kompliziert sind und man in seinen Gewohnheiten feststeckt, die man auf einem anderen Bike gelernt hat", sagt er.

"Dann muss man versuchen, sie anzupassen, sie vielleicht ganz loszuwerden, und muss neue finden." Deswegen wolle er sich nicht an den Ergebnissen anderer Piloten orientieren. "Ich bin nur hier, um mein Bestes zu geben", hält er fest. Doch ein Ziel hat er vor Augen: "Ein Rennen mit dem dritten verschiedenen Hersteller zu gewinnen!"

Foto: © KTM/Philipp Platzer

Nur vier Piloten gelang dies bisher, allerdings noch keinem in der nun 20 Jahre andauernden MotoGP-Ära. Mit Valentino Rossi und Jorge Lorenzo scheiterten bereits zwei Größen des Sports, neben Miller will auch Maverick Vinales Geschichte schreiben. Der Spanier gewann bereits auf Suzuki und Yamaha, mit Aprilia war er 2022 in Silverstone kurz davor.

Miller weiß um die Bedeutung dieses Stücks Motorrad-Geschichte: "Es ist erstaunlich, überhaupt in Betracht gezogen zu werden. Überhaupt in der Lage zu sein, dies zu versuchen."

"Ich bin aufgeregt und hoffe wirklich, dass wir es schaffen und Woche für Woche pushen können, um erfolgreich zu sein und die ganze Geschichte so zu gestalten, wie ich sie gerne hätte", sagt der Australier. Doch die MotoGP "ist heutzutage kein Spaß mehr, jetzt mehr denn je."

Daher werde es schwierig, dieses Kunststück zu vollbringen. Aber: "Wir werden es probieren."


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