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KTM: Der Wunsch nach dem perfekten Fahrer-Quartett

Die Fahrer-Diskussionen wirbelten 2022 viel Staub auf. Nun hofft man, die idealen Konstellationen gefunden zu haben.

KTM: Der Wunsch nach dem perfekten Fahrer-Quartett Foto: © GEPA/Gold & Goose/Red Bull Content Pool

Das Jahr 2022 war ein "Rollercoaster" für KTM.

In sportlicher Hinsicht endete die MotoGP-Saison mit dem zweiten Platz in der Team-WM-Wertung mit einem guten Gefühl. Doch die größeren Schlagzeilen gehörten den Querelen mit den Fahrern hinter den Kulissen. Dabei ging das in Mattighofen beheimatete Werk mit großen Hoffnungen in das ablaufende Jahr.

Brad Binder und Miguel Oliveira bildeten ein etabliertes Duo im Werksteam, dazu wurden die Moto2-Weltmeister und -Vizeweltmeister Remy Gardner und Raul Fernandez ins Tech3-Team hochgezogen. Der Saisonauftakt verlief mit einem zweiten Platz in Katar (Binder) und dem Sieg von Oliveira in Indonesien blendend.

Rookie-Duo sorgte für Turbulenzen

Anfang Mai war von der heilen Welt jedoch nicht mehr viel vorhanden.

In Jerez einigte man sich mit Raul Fernandez, nach dem Saisonende wieder getrennte Wege zu gehen. Wohlgemerkt war die MotoGP-Saison damals nicht einmal zwei Monate alt, standen noch 14 Rennen in sieben Monaten an.

Die Gründe sind einfach erklärt: Der junge Spanier wollte ursprünglich gar nicht mit KTM in die MotoGP aufsteigen, viel mehr sah er die große Chance, bei Yamaha unterzukommen. Obwohl er bei den Mattighofenern an einen langfristigen und klassenübergreifenden Vertrag gebunden war.

Dadurch sei Fernandez "nie wirklich zufrieden" gewesen, erklärt Motorsportdirektor Pit Beirer in einer Presserunde, bei der auch LAOLA1 dabei war. Von Gardner, dessen Vater Wayne 1987 die Weltmeisterschaft der Königsklasse gewann, hatten sich die Verantwortlichen rund um den 50-jährigen Deutschen ebenfalls mehr erwartet.

"Wir waren für zwei Rookies zu jung als Team, die Fehler geben wir zu."

Zwar fand sich der Australier mit Fortdauer der Saison immer besser auf der KTM RC16 zurecht, trotzdem brach man ihm während des Grand-Prix-Wochenendes in Spielberg "das Herz", in dem man ihm für 2023 keinen Platz in Aussicht stellte.

Die eigene Akademie als Problem

Es waren zwei Investitonen in die Zukunft, die man eingehen musste - mit der neu gewonnenen Weisheit aber nicht erneut machen würde. "Wir haben zu früh Moto2-Weltmeister gehabt, die aufsteigen sollten. Und dann hatten wir vielleicht nicht das pflegeleichteste Motorrad", konstatiert Beirer.

Der "ehrlicherweise zugeben muss, dass unser Fahrer-Ausbildungsprogramm - angefangen mit dem Austria Junior Cup, Rookies Cup, Moto3, Moto2, was da alles kommt - fast zu perfekt ist." Es gebe viele junge Fahrer, "die sich über unsere Akademie aufdrängen. So viele gute Plätze hast du aber gar nicht", räumt der Deutsche ein.

"Da haben wir einen hohen Preis dafür bezahlt, dass wir mit zwei Rookies im Team einfach gar nicht die Ergebnisse zusammengebracht haben, die wir uns alle gewünscht haben. Da rede ich von uns und den Fahrern, da sind wir beide nicht glücklich gewesen. Das hat für Turbulenzen gesorgt", erläutert Beirer.

"Wir waren für zwei Rookies zu jung als Team, die Fehler geben wir zu."

Oliveira-Abschied schmerzt immer noch

Und dann war noch die Posse rund um Miguel Oliveira, dem MotoGP-Rekordsieger von KTM. Im Gegensatz zu Binder, dessen Vertrag im Sommer 2021 um zwei Jahre verlängert wurde, hatte der 27-jährige Portugiese wie ein Gros der Fahrer auf dem MotoGP-Grid kein festes Arbeitspapier für 2023 in der Hand.

Mit dem Erfolg im zweiten Saisonrennen machte der Mann aus Almada Werbung in eigener Sache, in den folgenden Monaten lief aber nicht mehr allzu viel zusammen. Wohl auch deshalb, weil die Oberösterreicher inzwischen einen Deal mit Ducatis Jack Miller eingefädelt hatten und somit klar war, dass Oliveira keinen Werksplatz mehr bekommen wird.

Stattdessen sollte er einen der freiwerdenden Plätze im neuen GasGas-Team übernehmen, welches zum Zeitpunkt der Verpflichtung von Jack Miller (Anfang Juni, Anm.) allerdings noch nicht offiziell war. Somit konnte dem fünffachen Rennsieger in der Königsklasse "nur" ein Kundenbike angeboten werden, welches für ihn aber absolut kein Thema war.

"Da haben wir ihn sehr früh in der Saison in seinem Stolz gekränkt, über die ganzen Moves, die stattgefunden haben", so Beirer, der ergänzt: "Dass der Miguel von uns weggeht, tut uns weh. Wir hätten uns gewünscht, dass er bleibt und Teil dieser ganzen Aufstellung ist."

Trotz aller Diskussionen mit den beteiligten Piloten ist Beirer glücklich, "dass wir uns am Ende in aller Freundschaft von Raul und Miguel getrennt haben, ohne da alles für die Zukunft zu zerbrechen", lächelt der ehemalige Motocross-Fahrer, der beide im kommenden Jahr bei RNF-Aprilia sehen wird.

Neue Fahrer, neues Glück

"Das ist eine Paarung, die funktionieren wird."

Dafür durfte Beirer noch in Valencia drei "neue" Piloten im Team begrüßen.

Wirklich neu sind sie aber eigentlich nicht. Denn Jack Miller, Pol Espargaro und Augusto Fernandez sind in ihren Karrieren bereits für KTM gefahren, wenngleich Miller und Fernandez nur in der Moto3 bzw. Moto2.

Der erfahrene Australier und der 25-jährige Spanier verkörpern trotzdem die KTM-Werte, Miller bringt zudem Erfahrung und Know-How vom besten Bike der MotoGP-Klasse mit. Und Espargaro ist nach seinem missglückten Intermezzo bei Honda wieder dort, wo er sich in der Königsklasse bislang am wohlsten gefühlt hat.

"Wir haben im Ausblick auf das nächste Jahr eine Stimmung geschaffen, in der wir prüfen konnten: Wer will wirklich unbedingt bei uns sein? Da haben wir jetzt vier Fahrer, die 'committed' sind, mit uns marschieren wollen, aber auch die nötige Erfahrung mitbringen", freut sich Beirer.

Das für GasGas prädestinierte rein spanische Duo bestehend aus Espargaro und Fernandez lässt ihn auf bessere Zeiten hoffen.

"Wir haben mit Pol einen total erfahrenen Mann, der uns kennt, mit uns das Bike entwickelt und die ersten Erfolge zu KTM im MotoGP-Projekt gebracht hat. Und dem gibst du einen Jungen dazu. Das ist eine Paarung, die funktionieren wird", so Beirer.

Fernandez bringt ruhiges Umfeld mit

Dieser junge, frischgebackene Moto2-Weltmeister sammelte erst 2022 die ersten Berührungspunkte in der Motorrad-Weltmeisterschaft mit KTM und hatte zu Saisonbeginn noch mit dem auf ihm lastenden Druck zu kämpfen, in seinem fünften Jahr in der mittleren Kategorie endlich reüssieren zu müssen.

Nach zwei Ausfällen in den ersten fünf Grands Prix stellte sich beim Madrilenen jedoch die Konstanz ein, fuhr Fernandez in den folgenden elf Rennen immer in die Top 5. In diesem Zeitraum gelangen ihm acht Podiumsplätze, vier Mal davon stand er am obersten Treppchen.

Augusto Fernandez in neuer Montur
Foto: © Gold & Goose / Red Bull Content Pool

Damit hatte er seine Empfehlung für die MotoGP abgegeben, und als sein Aufstieg schon fixiert war, bewahrte er im Finish gegen Ai Ogura die Nerven und kürte sich sogar noch souverän zum WM-Champion.

Der 25-Jährige "ist ein ganz toller Karl", der bei den Testfahrten nach der Saison "extrem motiviert" gewesen sei, sagt Beirer. Der das Umfeld des Spaniers gezielt hervorstreicht: "Er hat eine tolle Familie um sich herum."

Mittlerweile ein wichtiger Aspekt im Hause KTM, nachdem sich die Familien und Manager der Ex-Piloten mit diversen Forderungen und öfffentlicher Kritik unbeliebt machten.

Der "Shoey"-Erfinder

Unbeliebt, das trifft auf Jack Miller keineswegs zu.

Der WM-Fünfte des abgelaufenen Jahres ist wohl eine der sympathischsten und zugleich offensten Persönlichkeiten im Fahrerlager. Nach typisch australischer Manier nimmt sich "Jackass" kaum ein Blatt vor den Mund, ist zudem der Erfinder des "Shoey", den Landsmann Daniel Ricciardo später in die Formel 1 bringen sollte.

Miller und KTM: Das hat schon einmal gut funktioniert. 2014 wurde er in der Moto3 Vizeweltmeister, "ist sehr verfrüht Hals über Kopf in die MotoGP-Klasse gewandert - im Direktaufstieg aus der Moto3 raus", muss Beirer heute noch schmunzeln. Er ist daher "in gewisser Weise ein Rückkehrer und weiß auch, was er kriegt."

Seine MotoGP-Karriere kam erst nach seiner Ankunft bei Ducati 2018 ins Rollen, wobei er seinen bis dahin einzigen Sieg in der Königsklasse 2016 auf Honda feierte. Doch beim italienischen Traditionsteam hat sich Miller mit starken Leistungen bei Kundenteam Pramac Racing für einen Werksplatz empfohlen, den er 2021 auch bekam.

Gegen die auserkorene Nummer eins Francesco Bagnaia kam Miller jedoch nur selten an, dazu drängten die jungen Wilden aus den Kundenteams nach. Deswegen entschied sich der 27-Jährige für einen Tapetenwechsel und soll KTM nun gemeinsam mit Binder in neue Sphären hieven.

Ein hoffnungsvolles Quartett

Der Südafrikaner ist nämlich quasi der letzte Mohikaner und große Hoffnungsträger bei den Mattighofenern.

Seit 2015 fährt der Spielberg-Sieger von 2021 in den orangenen Farben, wurde Moto3-Weltmeister, Moto2-Vizeweltmeister und erreichte je zwei Mal den sechsten WM-Platz in der MotoGP. Zum großen Wurf konnte der 27-Jährige bislang nicht ausholen, weshalb er aber nicht den Sand in den Kopf steckt.

"Der Brad sucht nichts anderes, der fühlt sich wohl und will mit uns erfolgreich sein", bestätigt Beirer. Der sich sicher ist: "Wir haben jetzt eine Aufstellung an Fahrern, mit denen wir durch dick und dünn gehen können."

"MotoGP, da kommen schwierige Tage, die wird nie einfach sein. Gerade an den schwierigen Tagen musst du als Mannschaft zusammenhalten, um aus der Ecke rauszukommen", sagt der 50-Jährige, "da müssen und wollen wir noch einen Schritt machen."

Mit Binder, Miller, Espargaro und Fernandez hofft man bei KTM, endlich die perfekten Fahrerpaarungen gefunden zu haben. Beirer betont: "Mit dem Quartett trauen wir uns in der Zukunft sehr viel zu."


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