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Toto Wolff geht skeptisch in die Formel-1-Saison

Der Mercedes-Chef hat eine gesunde Portion Zweifel und sieht Liberty Media in der Pflicht.

Toto Wolff geht skeptisch in die Formel-1-Saison Foto: © getty

Eigentlich hätte Toto Wolff jeden Grund zum Optimismus. Mercedes war bei den Testfahrten vor dem Start in die Formel 1 2018 wieder die stärkste Kraft. Der Mercedes-Motorsportchef berichtet aber von einem "gewissen Maß Skepsis, ob unsere Performance reicht".

Mit erneuten WM-Titeln bei Fahrern und Konstrukteuren könnte Mercedes die Rekordmarke von Ferrari (mit Michael Schumacher von 2000 bis 2004) egalisieren. "Das ist aber nicht der Mindset, mit dem wir in die Saison gehen. Weil wenn du ein bisschen zu optimistisch bist, dann beißt dich das sehr schnell", so der Wiener im Gespräch mit der APA.

Vor "Schumis" Leistungen hat Wolff großen Respekt. "Der Rekord von Michael Schumacher existiert, weil er einfach unglaublich ist. Diese sieben Siege aus Fahrersicht und diese fünf Doppel-Weltmeisterschaften sind unerreicht - und das hat einen Grund, weil es einfach sehr schwer ist", sagt er. Man müsse jedes Jahr für sich sehen und "schauen, dass man jedes Jahr konkurrenzfähig ist".

Ferrari und Red Bull sind sehr knapp dran

Hauptaugenmerk bei den Testfahrten lag für Mercedes darin, Rückschlüsse über die Fahrdynamik zu gewinnen. Das letztjährige Auto war zwar das schnellste und erfolgreichste, "aber wir haben auch Wochenenden gehabt, wo die Schwankungsbreite einfach zu groß und für die Fahrer das Auto nicht immer ganz leicht zu verstehen war". Insbesondere in Monaco und Ungarn hätte man eklatante Probleme gehabt.

Das neue Gefährt, der "AMG F1 W09 EQ Power+", soll nun zuverlässiger laufen. Die Testdaten sind vielversprechend. "Die Fahrer sind happy, wie das Auto gelaufen ist. Wie die Rangordnung bei Speed und Performance ist, ist noch ein bisschen diffus".

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Demnach seien Ferrari und Red Bull Racing knapp dran. "Die Kurvenperformance, die der Red Bull gezeigt hat an manchen Tagen, die ist unerreicht. Insofern sehen wir im Moment beide Teams als direkten Gegner", so Wolff.

Bottas, Ricciardo oder ein ganz anderer?

Als Nummer zwei hinter Lewis Hamilton, der seinen neuen Vertrag bald in der Tasche haben dürfte, greift wieder Valtteri Bottas ins Silberpfeil-Lenkrad. Ob der Finne über 2018 hinaus erhalten bleibt, ist offen. 2019 könnte der Fahrermarkt in Bewegung kommen, sollte Daniel Ricciardo Red Bull verlassen.

Nichtsdestotrotz hält Wolff nach wie vor große Stücke auf Bottas. "Er hat drei Mal gewonnen, und das in einer sehr eindrucksvollen Art und Weise. Dann hat er wieder Ausreißer nach unten gehabt, wo er irgendwie nicht in die Gänge gekommen ist", rekapituliert er die erste Mercedes-Saison des Finnen. "Das muss er konsolidieren. Genauso wie wir als Team Schwankungen hatten, die wir in diesem Jahr glätten wollen, wird er das machen, und er weiß das am allerbesten."

Spekulationen über nächstes Jahr seien jedenfalls fehl am Platz. "Wir wollen jetzt einmal in die Gänge kommen, uns voll hinter ihn stellen und dann schauen, wie er performt und wie die anderen performen. Dann Mitte des Jahres werden wir benchmarken, was für uns die beste Lösung ist für 2019", kündigt Wolff an.

Kritisches Jahr für die "neue Formel 1"

Abseits der Geschehnisse bei seinem Team sieht Toto Wolff ein kritisches Jahr für die Formel 1 unter der neuen Führung von Liberty Media gekommen. Angekündigte Vorhaben müssten nun realisiert werden.

"Es ist eine Sache, Ideen zu haben, aber es ist eine andere Sache, sie richtig umzusetzen, dass sie funktionieren", meint der Wiener. Großzügigere Regeln für Social Media und den Zugang zu den Fans und eine Auffrischung von grafischem Auftritt und TV-Übertragungen seien nett, aber keine großen Entwürfe.

Für den langjährigen Szene-Insider geht es vielmehr um wirtschaftliche Kennzahlen. "Können Sie den Umsatz steigern und den Gewinn steigern? Das ist für die Teams sehr wichtig. Und können sie die Formel 1 expandieren? Können Sie neue Zielgruppen gewinnen, ohne die traditionellen Zielgruppen zu verlieren?", zählt Wolff auf.

2017 war finanziell gesehen ein Rückschritt für die Formel-1-Gruppe. Die veröffentlichten Zahlen weisen weniger Einkünfte aus, wodurch auch weniger Geld an die Teams ausgeschüttet wurde. "Sie haben 2017 eine Phase der Investition gehabt, jetzt sollte man 2018 da schon wieder einen Schritt nach vorne sehen", gibt sich Wolff aber optimistisch.

Die "Honeymoon-Phase" ist vorbei

Eine weitere Herausforderung, die Liberty Media bewältigen müsse, ist für den Wiener der Übergang vom rein linearen Fernsehen ins Zeitalter der multiplen Angebote auf mehreren Kanälen. "Das ist nicht trivial", betont Wolff.

Im Laufe des Jahres geht eine hauseigene Streaming-Plattform der Formel 1 an den Start, auf der die Rennen live verfolgt werden können. "Das wird interessant, wie gut das funktioniert." Auch "interessante Verträge" mit den digitalen Riesen der Sorte Amazon, Google oder Netflix würde er sich wünschen.

Vor diesem Hintergrund "ist das Jahr 2018 sicher sehr wichtig für Liberty", fasst Wolff zusammen. Ratschläge möchte er keine geben, weil das von außen immer einfach sei. Zudem merkte er an, dass Liberty Media in vielerlei Hinsicht enge Grenzen gesetzt seien.

"Ich glaube, es gibt Dinge, die sie in den nächsten Jahren nicht beeinflussen können. Dazu gehört der sportliche Wettkampf. Die Performance der verschiedenen Teams ist so, wie sie ist."

Dennoch gebe es noch genug Bereiche, wo das Unternehmen aktiv werden und seine Kompetenz produktiv ausspielen könnte. Jene Schonfrist, die im ersten Jahr noch gewährt worden ist, ist für Wolf jedenfalls vorbei.

"Ich würde sagen, zwölf Monate 'Honeymoon' - das ist in Ordnung, dass man sich eingewöhnt, kennenlernt und den Sport versteht. Jetzt geht es darum, dass man es umsetzt."

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