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Was hat Ferrari in Silverstone vor?

Die Scuderia verpasst die Pole und lässt mit riskanter Strategie rätseln.

Was hat Ferrari in Silverstone vor? Foto: © GEPA

Bis zum Qualifying lief das Grand-Prix-Wochenende in Silverstone für Ferrari eigentlich perfekt.

Die Scuderia präsentierte sich Mercedes in der Zeitenjagd der freien Trainings einmal mehr ebenbürtig, ein bekanntes Bild dieser Saison - die Italiener als "Trainingsweltmeister". Charles Leclerc setzte im dritten freien Training die schnellste Zeit und war auch im Kampf um die Pole Position lange Zeit der schnellste Mann im Feld.

Ausgerechnet in Q3 verlor Ferrari aber die entscheidenden Tausendstelsekunden gegen die "Silberpfeile", Leclerc musste sich um 79 Tausendstel hinter Valtteri Bottas einreihen und ließ auch Lewis Hamilton gezwungenermaßen den Vortritt, nur die zweite Startreihe für den Monegassen.

Und Sebastian Vettel war noch weiter vom Optimum entfernt. Der Deutsche kämpfte das ganze Qualifying über, entging einer Eliminierung in Q2 erst in seiner letzten Runde und kam am Ende nicht über Rang sechs hinaus, auch hinter den beiden Red Bull von Max Verstappen und Pierre Gasly.

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Dazu lassen die Italiener mit einem seltsamen Poker grübeln, der vor allem bei Hauptkonkurrent Mercedes nicht ganz nachvollzogen werden konnte: Beide Autos starten morgen mit den weicheren Soft-Reifen, deren Performance-Plus in Silverstone vergleichsweise gering ausfällt, aber einen zweiten Boxenstopp notwendig machen werden.

Ein hoher Einsatz dafür, dass nicht einmal ein Auto - wie es in Österreich der Fall war, als eine ähnliche Strategie gewählt wurde - vorneweg fahren kann.

Soft-Reifen Ausgleich für ein Defizit?

Eine mögliche Erklärung ist, dass Ferrari das größte Performance-Defizit in den Longruns am Freitag in den Kurven sieht, wo der "SF90" zum Untersteuern neigt. Ein Problem, dem man mit der weicheren Pneu-Wahl entgegensteuern könnte, rund zwei Zehntel pro Runde soll dies ausmachen.

Weil Untersteuern ohnehin auf die Haltbarkeit der Reifen geht, könnte Ferrari den zweiten Stopp gleich in Kauf nehmen. Reifenhersteller Pirelli geht in seiner Einschätzung ohnehin davon aus, dass kein Team mit einem Stopp durchkommen kann, dafür würden auch die härtesten Reifen - von denen kein Fahrer mehr als einen Satz geordert hat - zu sehr verschleißen.

Bei Mercedes-Teamchef Toto Wolff war im "ORF" die Verwunderung über die Strategie dennoch groß: "Warum Ferrari auf Soft startet, verstehen wir nicht ganz, denn wenn du damit zweimal stoppst, musst du zweimal Soft fahren, und das ist sicher nicht ideal."

Grundsätzlich habe Ferrari eigentlich das schnellere Auto, auch wenn Mercedes im Qualifying die Nase vorne hatte - so die Einschätzung des Wieners. 

Vettel sucht das Feeling vergebens

Dass diese Einschätzung zutrifft, sobald es wirklich darauf ankommt, wird am Sonntag (Rennstart um 15:10 Uhr im LIVE-Ticker) wohl eher an Charles Leclerc hängen, denn Sebastian Vettel muss sich erst einmal gegen die beiden Red Bull von Max Verstappen und Pierre Gasly behaupten.

"Warum Ferrari auf Soft startet, verstehen wir nicht ganz, denn wenn du damit zweimal stoppst, musst du zweimal Soft fahren, und das ist sicher nicht ideal."

Toto Wolff rätselt

Der Deutsche kam den Top-Zeiten nie annähernd nahe und konnte sich im Laufe des Qualifyings auch nicht wirklich steigern. "Ich hatte einfach nicht den Speed. Normalerweise ist es klar, dass du von Q1 zu Q3 ganz automatisch schneller wirst, ohne etwas anders zu machen. Das war diesmal nicht der Fall. Ich hatte kein gutes Feeling und es ist auch nicht mehr gekommen."

Die Renn-Pace sei in den Longruns aber okay gewesen. Bloß, das Feeling sei in den schnellen Kurven von Silverstone alleine schon essentiell: "Du brauchst es, um das Auto von einer Kurve in die nächste zu werfen."

Teamchef Mattia Binotto war sich sicher: "Sebastian hätte besser abschneiden können. Wir müssen uns einiges anschauen."

Die Performance seines zweiten Fahrers unterstreicht diese Einschätzung jedenfalls.

Was schenkt uns das englische Wetter?

Ob Charles Leclerc eine Chance auf den Rennsieg hat, wird sich aber schon auf den ersten Metern weisen. Denn der Youngster aus Monaco wird darauf angewiesen sein, den Mini-Vorteil seiner Softs vom Start weg umzumünzen und möglichst an den Mercedes vorbeizugehen.

Und dann wäre da ja noch die Möglichkeit des Regens.

"Wenn ich es mir aussuchen könnte, wäre es gut, einen tollen Start mit den Softs zu haben, sieben Runden zu fahren und dann darf der große Regen kommen. Aber ich kann es mir nicht aussuchen. Ich denke trotzdem, dass es unvorhersehbar wird - wie es in Silverstone eben ist."

Möge es das Wetter sein, ein guter Start von Leclerc oder sonstige Gründe, die den Grand Prix von Großbritannien turbulent werden lassen: Noble Zurückhaltung ist von den heißblütigen Italienern auch im höflichen England nicht erwünscht.

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