Zehn Jahre. So lange muss Ferrari schon auf einen Titel in der Formel 1 warten.
Vor der Ära von Michael Schumacher erlebte die Scuderia sogar eine noch längere Durststrecke - 16 Jahre lagen zwischen den Konstrukteurs-Titeln 1983 und 1999. Die Sehnsucht nach einem großen Triumph wirkt aber größer denn je.
Von "La grande voglia di riscatto" schreibt die "Gazzetta dello Sport" im Vorfeld des Auftakts in Australien, also dem großen Wunsch nach Erlösung.
Die Tests im Vorfeld nährten die Hoffnung auf Siege. Ferrari ist Favorit, betont Weltmeister Mercedes seither täglich. Dabei fuhr der rote Renner auch im Vorjahr die schnellste Testrunde und musste sich am Ende des Jahres klar geschlagen geben.
"Euphorie ist der falsche Ansatz", sagt Sebastian Vettel, der vor der wichtigsten F1-Saison seiner Karriere steht. Kann er Ferrari erlösen?
"Viele reden in den höchsten Tönen von Ferrari. Das ist nett. Aber dafür kann sich keiner was kaufen. Wir wollen auf dem Boden bleiben", appelliert der Deutsche an das permanent aufgeregte Umfeld des Rennstalls aus Maranello.
Optimismus in kleinen Dosen
Dieser hat sich in den letzten Wochen hermetisch abgeriegelt. Keine Wasserstandmeldungen der Fahrer nach ihren Testeinsätzen. Wenn, dann nur kurze Medienrunden ohne große Aussagekraft. Auch in Australien werden nur notwendige FIA-Termine wahrgenommen.
Der Optimismus wird in kleinen Dosen verabreicht. Etwa durch Präsident Serigo Marchionne, der den Abgang von Technikchef James Allison zu Mercedes und Aerodynamik-Fachmann Dirk de Beer zwar bedauert, aber betont: "Seit August hat sich unsere Arbeitsweise geändert. Wir investieren unser Geld und unsere Ressourcen jetzt in die richtigen Bereiche."
Die Frage der Entwicklung
Testfahrer Marc Gene, der seit 13 Jahren das springende Pferd auf der Brust trägt, geht einen Schritt weiter und spricht gegenüber "El Mundo Deportivo" von der besten Saisonvorbereitung, an die er sich erinnern kann.
Alle Ferrari-Weltmeister im Überblick
Jahr | Name | Nationalität |
---|---|---|
1952 | Alberto Ascari | Italien |
1953 | Alberto Ascari | Italien |
1956 | Juan Manuel Fangio | Argentinien |
1958 | Mike Hawthorn | Großbritannien |
1961 | Phil Hill | USA |
1964 | John Surtees | Großbritannien |
1975 | Niki Lauda | Österreich |
1977 | Niki Lauda | Österreich |
1979 | Jody Scheckter | Südafrika |
2000 | Michael Schumacher | Deutschland |
2001 | Michael Schumacher | Deutschland |
2002 | Michael Schumacher | Deutschland |
2003 | Michael Schumacher | Deutschland |
2004 | Michael Schumacher | Deutschland |
2007 | Kimi Räikkönen | Finnland |
In puncto Zuverlässigkeit trifft das bislang zu. Hier haben die Italiener das vorhandene Potenzial der Power Unit ausreizen können. Auch das äußerst ruhige Fahrverhalten des Boliden wurde von den Piloten und der Konkurenz positiv besprochen. "Ich zweifle keinen Moment, dass wir einen Schritt nach vorne gemacht haben", will Vettel nicht leugnen, dass die Vorzeichen sehr gut sind.
PS-Vorteil bei Mercedes
Aber: "Mir fehlt das Gefühl für die Konkurrenz. Die Saison wird lang sein, ganz viel wird davon abhängen, wie die Entwicklung verläuft." Damit nennt er einen entscheidenden Punkt, an dem Ferrari in den letzten Jahren unter anderem gescheitert ist. Während Mercedes und auch Red Bull ihre Boliden über die Saison konstant verbessern konnten, blieb diese positive Entwicklung bei den Roten aus.
Das soll diesmal anders aussehen. Eine geplante Ausbaustufe des Motors soll laut "Autobild" erst im Verlauf der Saison eingebaut werden. Stand jetzt bringt der neue Mercedes-Antrieb weiterhin die meisten PS auf die Strecke. Das Weltmeister-Team schiebt die Favoritenrolle dennoch gerne ab: "Ferrari ist klar am Schnellsten", beteuert Lewis Hamilton.
Vettel: Kein klares Bekenntnis zu Ferrari
Sollten sich die hohen Erwartungen in Italien einmal mehr nicht erfüllen, wird sich Vettel ernsthafte Gedanken über seinen Verbleib machen, schließlich läuft sein Dreijahres-Vertrag aus. "Wenn Sebastian mit Ferrari gewinnt, wird die Liebesaffäre zwischen ihm und Ferrari weitergehen. Wenn nicht, kann er überhall hingehen. Er ist im Vorteil", glaubt Vettels Ex-Teamkollege Mark Webber. Motorsportchef Toto Wolff hatte zuletzt offen zugegeben, dass Vettel "gut zu Mercedes passen" würde.
Auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, die Karriere in Maranello zu beenden, meint der Heppenheimer ausweichend: "Mit dem Gedanken beschäftige ich mich nicht. Ferrari ist für mich mehr als ein bloßes Rennteam. Ferrari ist ein Mythos. Jeder dort hat das Gefühl, dass man für Ferrari arbeiten darf - nicht muss." Ein klares Bekenntnis klingt anders. Aber womöglich erinnern sich Ferrari und Vettel auch an die Schumi-Ära zurück. Dem Rekord-Weltmeister ist erst im fünften Jahr in Rot gelungen, den Fahrer-Titel zu holen.