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Konsequenzen aus dem F1-Finale in Abu Dhabi

Ein Vorarlberger als FIA-Generalsekräter - wie Peter Bayer die Formel 1 neu aufstellt:

Konsequenzen aus dem F1-Finale in Abu Dhabi

Formel-1-Reformen als Konsequenzen aus dem turbulenten Finale 2021 in Abu Dhabi, die Sprint-Qualifyings dieser Saison, die neuen Regeln für den Antrieb ab 2026 – das alles sind Baustellen der "Königsklasse des Motorsports", die ein Österreicher im internationalen Automobilverband (FIA) in diesen Wochen beheben soll.

Der 50 jährige Peter Bayer (im Bild rechts) stammt aus Au im Bregenzerwald, absolvierte das Gymnasium in Egg und studierte Wirtschaft in Innsbruck. Von 2009 bis 2012 war er Generalsekretär der Olympischen Winter-Jugendspiele, danach bei verschiedenen Hochsee-Segel-Projekten in Lausanne (auch America's Cup) engagiert.

Über Vermittlung eines IOC-Funktionärs wurde der Vorarlberger FIA-Präsident Jean Todt vorgestellt: Seit 2017 ist Bayer nun Generalsekretär Sport im Automobilverband (FIA) und seit Jahresbeginn Exekutivdirektor der Monoposto-Serien - operativ verantwortlich für Formel 1, 2, 3 und 4, nicht aber für die Formel E.

Bayer lebt mit seiner Gattin und seinen zwei Söhnen in Lausanne und pendelt in das FIA-Büro nach Genf. Im Interview mit LAOLA1 sagt er, was aktuell Sache in der Automobilsport-Behörde ist.

LAOLA1: Welche Hauptaufgaben stehen derzeit für dich an?

Peter Bayer: Die globale Organisation des Sports, dabei gehen wohl 90 Prozent der Zeit für die Formel 1 drauf. Deswegen versuche ich, derzeit alle Agenden aus den unteren Serien an meinen Stellvertreter Bruno Famin (Ex-Peugeot-Sportchef, Anm.) zu delegieren. Unter dem neuen Präsidenten Mohammed Ben Sulayem planen wir in enger Zusammenarbeit mit dem kommerziellen Formel-1-Chef Stefano Domenicali die Ausrichtung der Formel 1 für die nächsten Jahre – sowohl auf der technischen, als auch auf der sportlichen Seite. Dazu gehört die neue Antriebseinheit ab dem Jahr 2026, die jetzt festzuschreiben ist, sowie Reglement-Entscheidungen wie die Sprint-Qualifyings – Anzahl, Punktvergabe etc. Und natürlich arbeiten wir auch die letzte Saison der Formel 1 auf, insbesondere das hoch emotionale Finalrennen.

LAOLA1: Welche Konsequenzen bringt das Rennen in Abu Dhabi mit sich?

Bayer: Wir verfolgten die Situation schon das ganze Jahr über intensiv. Wir haben in der Organisation wohl wirklich Aufholbedarf.

LAOLA1: Sprichst du damit den kritisierten Renndirektor Michael Masi an?

Bayer: Er hatte in diesen Sekunden, in denen er entscheiden musste, mehrere Optionen, alle nach Reglement. Er hätte das Rennen unter Safety Car beenden können, er hätte abbrechen können (Red Flag wie in Baku, Anm.), doch der Unfall von Nicholas Latifi hätte das nicht gerechtfertigt. Oder er hätte machen können, was er machte, nämlich da irgendwie herauszukommen. Ich vergleiche die Situation immer mit einem Fußball-Schiedsrichter bei einem umstrittenen Elfmeter, der gegeben wurde oder eben nicht. Wäre der Mercedes-Protest nach Ablehnung durch die Stewards zum Berufungsgericht gegangen, was wäre dann herausgekommen? Ich glaube, dass die Richter gesagt hätten, es steht im Reglement anders, er hat so entschieden, also könnten wir nur das Ergebnis für ungültig erklären. Aber auch dann – bei einer Annullierung – wäre Max Verstappen Weltmeister gewesen. Die Situation war bei weitem nicht perfekt, und deshalb arbeiten wir daran. Es geht auch darum, Respekt vor dem Renndirektor zu haben. Meine Aufgabe ist es, nach vorn zu schauen, wie können wir Dinge verbessern? Mein Bericht wird dann an die F1-Kommission und an den Weltrat gehen.

LAOLA1: Was planst du konkret?

Bayer: Die Aufteilung der vielfältigen Aufgaben des Renndirektors, der ja auch Sportdirektor, Sicherheits- und Strecken-Delegierter ist – das war einfach zu viel, diese Rollen werden aufgeteilt auf mehrere Personen. Damit wird die Belastung des Renndirektors reduziert.

Zweiter Punkt ist das Hinterfragen des aktuellen Reglements, speziell des Themas Safety Car. Die NASCAR-Serie zum Beispiel beendet, wenn eine Neutralisation in den letzten zwei Rennrunden nötig ist, das Rundenzählen und hängt die Runden am Ende der Safety Car-Phase an. Das könnte in der Formel 1 ein Spritproblem hervorrufen, Deswegen wird das noch genauer angeschaut. Wir fragten die Teams auch, ob deren Forderung, ein Rennen nicht unter Saftey Car zu beenden, noch relevant sei, was sie alle bejahten.

Drittes Thema ist die Idee, eine ständige Verbindung während des Rennens zu einer "Mission Control" – wie sie die Teams zu ihren Fabriken unterhalten und die die FIA im technischen Bereich auch hat – auch für den Bereich sportliches Reglement zu schaffen. Wir überlegen, ein Backup-Team in Genf zu etablieren, das die Rennleitung unterstützen kann.

Der vierte Punkt ist der ständige Funkverkehr: Wer kann zu wem wann hineinfunken? Da werden wir den Leidensweg der Rennleitung abschaffen und massiv etwas ändern. Die Teamchefs werden sich auf diesem Kanal nicht mehr einschalten können, die Team-Manager weiterhin schon, die müssen ja rückfragen können. Wir wollen da einen Puffer mit einem Mitarbeiter einbauen, der diese Anfragen entgegennimmt. Der Renndirektor wird sich in Hinkunft auf seine Aufgabe konzentrieren können und wird nicht mehr abgelenkt.

LAOLA1: Wird Michael Masi in dem neuen Team dabei sein?

Nach dem Finale heftig kritisiert: Michael Masi
Foto: © GEPA

Bayer: Das ist noch nicht entschieden. Michael hat in vielerlei Hinsicht einen Super-Job gemacht. Wir möchten ihn definitiv nicht verlieren. Wir haben ihm das mitgeteilt, wir haben ihm aber auch gesagt, dass die Möglichkeit besteht, einen neuen Renndirektor zu installieren. Ich kann nur Vorschläge an den Weltrat unterbreiten, und die werden definitiv Michael Masi beinhalten.

LAOLA1: Hat sich Masi selbst geäußert, ob er überhaupt weitermachen will?

Bayer: Er hat gegen die Angriffe einzelner Teams eine relativ dicke Haut entwickelt. Wenn man bei der FIA arbeitet, muss man sich bewusst sein, dass man bei der "Sport-Polizei" arbeitet. Der Polizist bekommt selten Sympathien, wie im täglichen Leben. Was unerträglich wurde, sind Reaktionen in den sozialen Medien, da wird vor nichts zurückgeschreckt, wie man an den Morddrohungen gegen Williams-Fahrer Nicholas Latifi gesehen hat. Michael Masi hat keinen Social-Media-Account, aber die Anschüttungen in anderen Kanälen haben ihn wirklich getroffen. Ich habe Michael in unseren Gesprächen den Rückhalt des Verbandes zugesichert und ihn wissen lassen: Wir wollen weiter mit dir arbeiten, ich brauche aber auch dein Verständnis, dass wir uns mit dem Thema auseinandersetzen müssen.

LAOLA1: An wen geht Ihr Vorschlag der personellen Neustrukturierung?

(Text wird darunter fortgesetzt.)

Bayer: Der geht an den Präsidenten direkt, wird von ihm gemeinsam mit mir entschieden und danach dem Weltrat zum Beschluss vorgelegt.

LAOLA1: Apropos neuer Präsident: Wie verläuft die Arbeit mit ihm im Vergleich zum Vorgänger Jean Todt?

Bayer: Wir kennen uns lange, er war ja schon Weltrat-Mitglied und Vizepräsident Sport, stand maßgeblich hinter Veranstaltungen wie Rallyes im Mittleren Osten und dem GP von Abu Dhabi. Er informiert sich genau über alle Details. Ich bin Jean zu großem Dank verpflichtet, weil er mich engagiert und dann ausgebildet hat. Mohammed hat mich so übernommen, wie ich bin. Jean führte die FIA wie ein F1-Team, Mohammed ist mehr Manager. Er kündigte an, 75 Prozent der Formel-1-Rennen besuchen zu wollen.

LAOLA1: Und wie oft wirst du zur Formel 1 kommen?

Bayer: Es ist Teil meines neuen Jobs, alle 23 geplanten Rennen zu besuchen.

LAOLA1: Noch ein Satz zum neuen Antriebsreglement: Wann wird es fixiert?

Bayer: Wir hatten erst vor wenigen Tagen wieder eine Telefonkonferenz mit den Herstellern, den aktuellen wie potenziellen Neueinsteigern. Der Rahmen steht ja schon und wird von allen unterstützt. Es geht noch um Details. Ziel ist, am 19. März beim Weltrat in Bahrain alles unter Dach und Fach zu haben. Wenn Hersteller einsteigen wollen, müssen sie jetzt zu arbeiten beginnen. Sie können deshalb nicht mehr länger warten.

LAOLA1: Wie groß ist die Chance auf neue Hersteller?

Bayer: Schwierig zu sagen. Ich glaube, dass die Chance - neue Hersteller zu begrüßen - noch nie so groß war wie jetzt.

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