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Besitzlos an der Spitze

Sturms Saisonstart ist überraschend stark. Dank der Abkehr von einem jahrelangen Dogma.

Besitzlos an der Spitze

In Graz läuft's. Der SK Sturm ist erstmals seit Ewigkeiten an der Spitze der Bundesliga-Tabelle zu finden und natürlich, wie sollte es in Österreich anders sein, ist die Katerstimmung der letzten Jahre sofort in Euphorie übergegangen.

An der Oberfläche zumindest. Und für die Fanseele ist es ja auch ganz gut so. Der Verein, und vor allem seine Anhänger, verdienen endlich wieder einmal ein paar positive Momente und Vorfreude auf den Matchtag. Dass letztlich kurz vor Saisonbeginn Gerhard Goldbrich seinen Schreibtisch geräumt hat, war irgendwie die noch notwendige Initialzündung für frischen Schwung in Messendorf.

Manche Kommentatoren in Kleinformaten glauben zwar immer noch, der aktuelle Aufwärtstrend hätte etwas mit dem früheren General Manager zu tun. In Wirklichkeit ist der wesentlichste der vergebenen Elfmeter bei der Christian Jauk'schen Personalbesetzung (viel zu spät) gegangen (worden).

"Günter Kreissl strahlt so viel Energie aus, dass man sie fast angreifen kann und derzeit überträgt sich das auf die Mannschaft."

Sein Nachfolger im Bereich Sport, Günter Kreissl, strahlt so viel Energie aus, dass man sie fast angreifen kann und derzeit überträgt sich das auf die Mannschaft. Und diese Mannschaft ist außerdem qualitativ um eine ganze Klasse über jener aus der Vorsaison anzusiedeln. Der alles überragende Uros Matic, Deni Alar, Fabian Koch, Stefan Hierländer und ein bisschen, gegen die richtigen Gegner, auch Philipp Huspek, sind ganz wesentliche Neuzugänge, die den Kader entschieden verstärkt haben. Christian Schulz scheint zudem nicht nur auf dem Platz, sondern auch daneben eine Bereicherung zu sein. Nicht allzu oft wird ein Neuzugang gleich Kapitän.

Eine äußerst interessante Entwicklung bei den Grazern, ist die Abkehr von einem weiteren Dogma, nachdem Güner Kreissl als neuer Sportchef den Begriff der Karriereplattform unlängst im Gespräch mit BlackFM.at in der Mottenkiste verstaut hat. "Grundsätzlich ist es so, dass wir beim SK Sturm schon vor einigen Jahren eine Philosophie festgelegt haben. Wir wollen Ballbesitz, das Spiel gestalten", hat Franco Foda noch im LAOLA1-Interview gegen Ende der vorigen Saison wissen lassen. Überhaupt war „Ballbesitz“ einer der wenigen Begriffe, den man als Ansage bei Fragen zur Strategie in den letzten Jahren von Sturm-Verantwortlichen zu hören bekommen hat.

Günter Kreissl ließ sich diesbezüglich schon vor der Saison nicht mehr so eindeutig festnageln und offensichtlich ist der Trainer auch von diesem Prinzip abgewichen. Dezidiert ließ er nach dem St. Pölten-Spiel wissen, man habe auf Ballbesitz verzichtet. Den Gegner spielen lassen und schnell umschalten war die Devise. Wie schon gegen die Austria in der Woche davor.

Die Ballbesitzstatistiken unterstreichen diese Neuerung bei den Schwarz-Weißen. Die einzige Niederlage war gegen die SV Ried, wo dieser Plan nicht geklappt hat und Sturm einem Rückstand nachlaufen musste. Ein zweites Mal holperte es in Hälfte eins gegen Mattersburg, wo die Foda-Truppe dominant war und sich dann fast einen Konter eingefangen hat. Die zweite Hälfte lief dann nach dem heurigen Plan A der Schwarz-Weißen. Gegner kommen lassen, gute und effiziente Balleroberung und im Moment wirklich sehr gut vorgetragenes Konterspiel.

"Franco Foda ist offenbar in sich gegangen und hat nachgedacht."

Das ist schon bemerkenswert, da letzte Saison noch ständig die schlechte Chancenauswertung trotz ach so viel Ballbesitz und Dominanz bedauert worden ist. Franco Foda ist offenbar in sich gegangen und hat nachgedacht. Mit den Spielern, die momentan am Platz stehen, ergibt sich ein stimmiges Gefüge. Mit Fabian Koch ist erstmals seit langem ein Außenverteidiger in Graz, der offensiv wirklich Akzente setzen kann. Deni Alar besticht durch Effizienz, Bright Edomwonyi ist genau der richtige Typ Stürmer für das was derzeit gespielt wird und Uros Matic ist der perfekte Lückenschließer zwischen Mittelfeld und Angriff in einem 4-4-2.

Vielversprechend für die heurige Saison des SK Sturm? Durchaus. Nichtsdestotrotz sei das eine oder andere „aber“ beziehungsweise der eine oder andere Hinweis hier noch angebracht, bevor alle in den üblichen Grazer Größenwahn verfallen, sollte am Wochenende Altach auch noch geschlagen werden.

"Es braucht auch einen Plan B, weil nach den ersten neun Runden haben sich alle einmal beschnuppert und ganz so leicht wird Foda mit dem Konzept dann nicht mehr durchkommen."

Es braucht auch einen Plan B, weil nach den ersten neun Runden haben sich alle einmal beschnuppert und ganz so leicht wird Foda mit dem Konzept dann nicht mehr durchkommen. Der bisherige Versuch mit Roman Kienast vorne und einer ballbesitzorientierten Offensive im Innviertel hat nicht geklappt.

Der Trainer, und mit ihm die Verantwortlichen in der Geschäftsstelle, sollten außerdem nicht unterschätzen, wieviel Porzellan gegenüber den Fangruppen durch diverse Aussagen in der letzten Saison zerschlagen worden ist. Foda ist in der Nordkurve noch weit entfernt von beliebt.

Auch wenn er sich derzeit vor den Mikrofonen zahmer denn je gibt. Wenn der Lauf seinen ersten Knick erhält, ist dieses Verhältnis eine der ersten Sollbruchstellen. Und nicht zuletzt muss Präsident Christian Jauk den immer noch teilweise äußerst intriganten Haufen rund um seinen Vorstand und das Ehrenpräsidium im Zaum halten, damit sich dieser Verein auch intern endlich einmal hauptsächlich um Fußball drehen kann.

Jürgen Pucher war Gründungsmitglied der Plattform „sturm12.at“ und hat dort über Jahre hinweg mit seiner Kolumne „12 Meter“ die Diskussionen rund um den Grazer Verein und den österreichischen Fußball extrem bereichert. Nun beschäftigt er sich als Betreiber der Podcast-Plattform "blackfm.at" mit den Geschehnissen bei den Schwarz-Weißen. Bei LAOLA1 verfasst er in regelmäßigen Abständen Gastkommentare zum Geschehen im heimischen Kick.


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