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Olivier Giroud: Das alte "Gokart" auf der Überholspur

Oftmals belächelt, nie wertgeschätzt - macht sich der 36-jährige Franzose in Katar endgültig unsterblich?

Olivier Giroud: Das alte Foto: © getty

Er wurde oft kritisiert und abgeschrieben, seine spät gestartete Karriere schien unspektakulär auszuklingen.

Doch bei der Fußball-WM zeigt Olivier Giroud im Zeitraffer noch einmal, was ihn ausgemacht hat. Ohne die Verletzung Karim Benzemas, der ihn einst als Gokart verspottete, wäre der 36-Jährige nur "Joker".

So hat er sogar die Chance auf die Schützenkrone. "Immer wenn niemand mehr an ihn glaubte, hat er sofort eine Antwort darauf gehabt", sagte Teamkollege Benjamin Pavard.

Schnappt sich Giroud den Goldenen Schuh?

Der ehemalige Arsenal- und Chelsea-Akteur traf gleich im ersten Spiel der Franzosen beim 4:1 gegen Australien doppelt und legte im Achtelfinale gegen Polen (3:1) bzw. im Viertelfinale gegen England (2:1) jeweils nach. Argentiniens Altmeister Lionel Messi hält ebenfalls bei vier Treffern, nur Girouds Sturmkollege, der um 13 Jahre jüngere Superstar Kylian Mbappe, hat bei dieser WM mit fünf Toren mehr am Konto.

Einen Rekord kann sich Giroud aber jetzt schon gutschreiben: Mit 53 Treffern für "Les Bleus" übertraf er die bisherige Bestmarke von Thierry Henry (51). Auch wenn er in nicht allzu ferner Zukunft wohl von Mbappe (33 Teamtore) oder Antoine Griezmann (42) eingeholt werden wird - das Turnier in Katar ist für Giroud ein denkwürdiges.

Ewig unterschätzt

Denn wirklich wertgeschätzt wurde der 1,93-Meter-Hüne, der erst mit 23 Jahren als Torschützenkönig von Frankreichs 2. Liga seinen Durchbruch feierte, trotz seiner 118 Länderspiele nie. Schon beim WM-Sieg vor vier Jahren brachte er es fertig, als Nummer 9 der besten Mannschaft des Turniers kein einziges Mal in sieben Spielen aufs Tor zu schießen. Trainer Didier Deschamps legte ihm das als Opferbereitschaft aus, weil Giroud stets Räume für andere Spieler schafft. Andere Beobachter verspotteten ihn eher dafür.

Neben den "Dribblern" Mbappe (Paris Saint-Germain) und Ousmane Dembele (FC Barcelona) verleiht Giroud Frankreichs Offensive ein gerüttelt Maß an körperlicher Präsenz und Kompromisslosigkeit und bietet damit auch gutes Anschauungsmaterial für die jüngsten Erkenntnisse der FIFA.

Deren Technische Studiengruppe hatte am Montag hervorgehoben, dass der Trend zurück zum Spiel mit einem klassischen Mittelstürmer gehe. Gerade gegen die immer besser organisierte Defensivreihen seien Flanken verstärkt das Mittel der Wahl.

Von Benzema als "Gokart" verspottet

Das alles spielte spätestens nach der Europameisterschaft 2021 aber keine Rolle mehr, Girouds Teamkarriere schien endgültig vorbei zu sein. Zu stark die Konkurrenz, zu fortgeschritten sein Alter, zu lang die Liste seiner vermeintlichen Defizite, hieß es gern.

Giroud hat nicht das Tempo von Mbappe und nicht die Technik von Benzema. Von dem Stürmer von Real Madrid stammt sogar das Zitat: Ihn und Giroud zu vergleichen, hieße, "die Formel 1 mit einem Gokart zu vergleichen". Benzema sagte das auch nicht etwa hinter den verschlossenen Türen einer Kabine, sondern postete es gleich bei Instagram.

Seitdem aber ist in nur wenigen Monaten viel passiert. Ein Wechsel zum AC Milan revitalisierte auch bei Giroud eine vermeintlich schon ausklingende Karriere. Auf dem Weg zur Meisterschaft traf er immer dann, wenn es darauf ankam. Deschamps holte ihn im Alter von 35 Jahren zurück in die Nationalelf.

Und weil sich dort vor der WM unter anderem Benzema verletzte, ist Giroud nun wieder Frankreichs Mittelstürmer Nummer eins. Im September bekam das die ÖFB-Auswahl beim 0:2 in Paris zu spüren, im November auch Salzburg bei der 0:4-Auswärtsniederlage in der Champions League in Mailand, als Giroud doppelt traf.

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