"Der Fußball überschätzt sich in seiner Bedeutung total."
Mit dieser Aussage lässt der deutsche Trendforscher Eike Wenzel aufhorchen. Der 54-Jährige kritisiert im "Tagesspiegel" (Samstag-Ausgabe) die Eigenwahrnehmung und das Selbstbild im Fußball. "Inzwischen denken viele der Protagonisten, er sei tatsächlich systemrelevant."
Von ganz vielen Seiten hätte das große Interesse bestanden, dass es Fußball als Sedativum (Beruhigungsmittel) bei Corona gebe, sagt Wenzel, der Gründer des Instituts für Trend- und Zukunftsforschung in Heidelberg.
Er geht aber nicht davon aus, dass sich die Fans zunächst abwenden werden wegen der Geisterspiel-Situation. "Der Fußball ist eine globale Marke mit eigenen Helden, die er pflegt. Eine Erlebniswelt, das neue Hollywood, das die Freizeitgewohnheiten der Menschen in den letzten 20 Jahren am stärksten geprägt hat", erklärt Wenzel.
Der Forscher erwartet nach eigener Aussage keinen Abschwung, wenn die Geisterspiele in absehbarer Zeit vorbei sein würden. Wann wieder Zuschauer bei den Spielen zugelassen sein werden, ist allerdings momentan völlig offen angesichts wieder steigender Zahlen während der seit über einem Jahr grassierenden Corona-Pandemie.
Die Gefahr, die Wenzel im Fußball-Geschäft durch dessen "enorme strukturelle Probleme" ausgemacht hat, ist, dass sich die Fans dauerhaft abwenden würden, "falls sich nichts Grundlegendes ändert", meint er. "Viele gucken jetzt trotzdem, verbunden mit der Hoffnung auf eine Veränderung. Finden die Spiele bis Jahresende weiter ohne Zuschauer statt, würde das bei zahlreichen Fans schon zu Frustration führen. Heißt es jedoch nächste Saison, Tore auf, Leute rein, könnte relativ schnell alles so sein wie früher."
