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Anna Lallitsch: Sie gibt Fußball ihre Stimme

von Daniela Kulovits Foto:

Beleidigungen, Anfeindungen, Hasskommentare.

Die Aufregung war groß, als bei der EM 2016 mit Claudia Neumann erstmals eine Frau ein Fußballspiel der Herren im ZDF kommentierte.

2019 hat auch Österreich seine erste Fußball-Kommentatorin: Anna Lallitsch.

Die Steirerin gab am 5. Mai beim Halbfinale des ÖFB Ladies Cup ihr Debüt im Spartensender ORF Sport+, es folgten weitere Spiele der Frauen-Bundesliga.

Die ersten Reaktionen seien „sehr positiv“ gewesen, erzählt Lallitsch im Gespräch mit LAOLA1. „Es freut mich sehr, dass viele Vereine auf mich zugekommen sind und es ist ein Riesenkompliment, wenn die sagen: ‚Wir sind froh, dass es deine Stimme ist, zu der unser Team spielt‘. Es ist unglaublich schön zu sehen, dass das der richtige Weg ist.“

Fall Neumann als Lehrbeispiel

Der Weg für Frauen in der Männerdomäne Fußball ist auch im 21. Jahrhundert nicht immer ein leichter, wie das Beispiel Claudia Neumann zeigt. Angst vor derart heftigen Reaktionen wie bei ihrer deutschen Kollegin hatte Lallitsch allerdings nicht.

„Ich glaube, dass der Fall Claudia Neumann schon eine Lehrstunde war, dass die Leute umdenken. Damals waren es eh nur einige wenige, aber die sind eben total eskaliert. Ich hatte einfach die Hoffnung und den Glauben, dass das in Ordnung ist, dass eine Frau Fußballspiele kommentiert“, sagt Lallitsch.

"Warum soll ich mich als Frau nicht im Fußball auskennen? Widerspricht das irgendeinem Naturgesetz?“

Anna Lallitsch

Bisher habe es noch keine negativen Reaktionen gegeben, sagt die 26-Jährige, zumindest habe sie nichts mitbekommen. Die Meinung vieler, dass Frauen und Fußball nicht zusammenpassen, will sie nicht gelten lassen.

"Das verstehe ich wirklich nicht. Warum soll ich mich als Frau nicht im Fußball auskennen? Widerspricht das irgendeinem Naturgesetz?"

Über Umwege in die Kommentatorenkabine

Das Interesse am Fußball wurde bei der Steirerin schon früh geweckt, wenn auch nicht immer ganz uneigennützig. 

"Ich war immer schon mehr mit Burschen befreundet und wenn man mit denen was machen will - vor allem wenn man mit ihnen reden will - muss man auch über Fußball reden können", lacht Lallitsch, die in dieser Hinsicht auch familiär "vorbelastet" ist.

"Ich habe früher oft mit meiner Tante und meiner Schwester im Garten Fußball gespielt und mein Papa hat uns schon früh auf den Fußballplatz mitgenommen."

Ihr beruflicher Weg führte Lallitsch zu Beginn in ganz andere Richtungen. Nach der Matura im Musikgymnasium in Graz hat sie ein Jus-Studium begonnen, jedoch nicht beendet. Mit 19 Jahren sammelte die Steirerin erstmals Erfahrung als Kommentatorin. Seit mittlerweile sieben Jahren kommentiert sie für den zweiten Tonkanal des ORF, wo sie unter anderem ÖFB-Länderspiele, Ski-Rennen und Olympische Spiele für Blinde und Sehbehinderte audiodeskribiert.

"Dadurch ist der ORF auf mich aufmerksam geworden", erzählt Lallitsch, wie sie zu dem Job als TV-Kommentatorin gekommen ist. "Ich habe mittlerweile über 200 Fußballspiele kommentiert und mein Chef hat dann gesagt: 'Du bist kompetent, du traust dich das, dann machst du es'."

Wenn Google nicht helfen kann

An Selbstvertrauen und Fachkenntnis mangelt es Lallitsch nicht, bei der Vorbereitung auf ein Spiel wird dennoch nichts dem Zufall überlassen.

"Ich investiere da viel Zeit, das ist mir wichtig. Ich finde es wahnsinnig spannend, den Menschen hinter dem Spieler oder dem Trainer zu entdecken und zu verstehen, was sich die einzelnen Personen überlegen und wie es dann umgesetzt wird", erklärt Lallitsch ihre Herangehensweise.

Beim Frauenfußball gestaltet sich die Recherche im Gegensatz zum Männerfußball jedoch etwas schwieriger. "Da kann man nicht einfach mal googeln und hat dann alle Informationen. Man muss mit den Spielerinnen, Trainern und Sportlichen Leitern wirklich ins Gespräch kommen. Aber genau das bereitet mir Spaß und Freude."

Dazu gehört auch, sich mit Taktik und Spielsystemen auseinanderzusetzen. "Dass man den Frauenfußball manchmal belächelt, verstehe ich nicht. Man erkennt sehr wohl Taktik und Spielsysteme. Es ist die Grundlage, ohne dem funktioniert es nicht, sonst wäre es ein wildes Zusammenlaufen auf einem Haufen, aber das ist es schon lange nicht mehr", sagt Lallitsch.

Lallitsch: "Das reizt mich"

Was sie sonst noch am Job als Kommentatorin reizt? "Die Emotion! Fußball ist für mich Emotion pur, das verbindet. Wenn man irgendwo hin geht und Fußball schaut, kommt man mit allen möglichen Leuten ins Gespräch und umarmt wildfremde Personen, weil es einfach so lässig ist", schwärmt Lallitsch.

"Fußball ist ein Spiel, aber es ist trotzdem so viel Ernsthaftigkeit und Spannung, aber auch Spaß und Freude dabei. Es gibt Geschichten, die einfach nur der Fußball schreibt, denken wir an die Champions League - unfassbar! Das reizt mich und das taugt mir."

Apropos Champions League: In diese will im übertragenen Sinn auch Lallitsch als Kommentatorin. Ein Herren-Spiel zu kommentieren ist "schon ein Ziel", sagt die 26-Jährige, "aber das entscheide nicht ich". Sondern in diesem Fall der ORF.

Sollte Lallitsch eine Chance bekommen, wird sie sie bestimmt nützen – hoffentlich ganz ohne Aufregung.

Textquelle: © LAOLA1.at