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Gregoritsch - Der unterschätzte Kämpfer

Seine Emotionen, seine Linie, seine Beziehung zu den Spielern.

Gregoritsch - Der unterschätzte Kämpfer Foto: © UEFA

Es gibt da dieses Foto vom 2:0-Sieg gegen Serbien. Werner Gregoritsch ballt die Faust und streckt die Zunge raus. Wem diese Geste gilt? Man weiß es nicht. Aber es ist sinnbildlich für die Situation des U21-Teamchefs.

Die Genugtuung, die der 61-Jährige dieser Tage verspüren muss, ist wohl riesig. Im vergangenen Herbst hat er mit der erstmaligen Qualifikation für die U21-EM das erreicht, was er „Lebensziel“ nennt. Mit dem Erfolg zum Start gegen die Serben wurde das nächste Ausrufezeichen gesetzt.

Gregoritsch vermittelt oft den Eindruck, das Gefühl zu haben, von den meisten Menschen unterschätzt, zumindest aber falsch eingeschätzt zu werden. Und damit hat er vermutlich recht.

„Man wird immer – aufgrund dessen, was man sieht – in eine Schublade gesteckt. Im Fernsehen sieht man mich emotional. Wenn das Adrenalin im Kopf rauscht, ist man ein anderer Mensch“, erklärte der Steirer Anfang des Jahres in einem LAOLA1-Interview >>>.

Wenn das Spiel läuft, steigt der Blutdruck des Trainers, die Gesichtsfarbe geht eher ins Rötliche, die ursprünglich schon laute Stimme wird noch um zwei, drei Nuancen intensiver. Dann tigert Gregoritsch durch seine Coaching-Zone, dreht sich immer wieder zu seinen Kollegen auf der Trainerbank um, kommentiert diverse Szenen, lamentiert bei vierten Offiziellen, gibt Kommandos in Richtung seiner Spieler.

Schwere Schicksalsschläge

Solange der Ball rollt, kommt in „Gregerl“ der Kämpfer zum Vorschein. Als er 23 Jahre alt ist, verliert er seine Mutter an Brustkrebs, schon früh muss er Verantwortung im heimischen Betrieb übernehmen. Vor wenigen Jahren stirbt auch seine Schwester an Krebs.

"Ich bin mit großer Freude Pädagoge"

Werner Gregoritsch

Vor einigen Jahren sah sich auch der Trainer, ein Scheidungskind, selbst mit der Horror-Diagnose Hodenkrebs konfrontiert. Er hat die Krankheit besiegt. Auch dank seines starken Glaubens.

Eine andere Geschichte: Im Alter von 29 Jahren verkantet Gregoritsch beim Skifahren am Kitzsteinhorn und stürzt auf einen Felsen. Erst zwei Wochen später geht er zum Arzt, es werden ein Schädel- und ein Schlüsselbeinbruch festgestellt.

„Doch es gibt auch eine andere Seite: Ich habe in einem humanistischen Gymnasium in Altgriechisch und Latein maturiert. Ich bin mit großer Freude Pädagoge. In der Schule war ich immer der Lehrer für Problemtypen – es gab ganz selten welche, die ich nicht hingebracht habe, dass sie in der Gemeinschaft funktionieren“, erzählt der Coach. In einer Hauptschule hat der mittlerweile 61-Jährige Deutsch und Turnen unterrichtet.

Foto: © UEFA

Seit 2000 ist Gregoritsch auf höchster Ebene Fußball-Trainer – er coachte den GAK, den LASK, Mattersburg und Kapfenberg. Mit dem GAK gewann er den ÖFB-Cup, mit Mattersburg und Kapfenberg feierte er den Aufstieg in die Bundesliga. Seit Februar 2012 ist er beim ÖFB als U21-Teamchef tätig.

Seine Schützlinge verlieren kein böses Wort über ihn. Auch wenn die Mikros aus, die Gespräche vertraulich sind, gibt es keine Klagen. Vor allem die direkte Art des Grazers wird geschätzt. Bei Gregoritsch weiß man einfach, woran man ist.

Hart, aber herzlich

„Er kann sehr direkt sein, spricht Dinge sofort an. Er sagt sofort, was Sache ist, redet nicht um den heißen Brei herum“, berichtet Goalie Alexander Schlager. Hannes Wolf ergänzt: „Er ist sehr offen, sagt das, was er denkt, auch wenn du es gerade nicht hören willst.“

„Ich bin nie einem Konflikt aus dem Weg gegangen“, sagt der Vater zweier Söhne über sich selbst. Gleichzeitig ist der U21-Teamchef aber auch ein sehr herzlicher Mensch, dem es wichtig ist, eine gute Beziehung zu seinen Kickern aufzubauen.

Schlager erklärt: „Er ist ein Mensch, von dem man alles haben kann. Er kommt auf uns Spieler zu, fragt uns, wie es uns geht, ob alles passt.“ Sascha Horvath ergänzt: „Er hört uns Spielern zu, ist für jeden Spaß zu haben.“

"Wenn du bei ihm nicht läufst, solltest du dich lieber warm anziehen, die Füße in die Hände nehmen und laufen"

Xaver Schlager

Doch es gibt eben auch Grenzen. Gregoritsch ist bemüht, klare Richtlinien einzuführen, sieht sich als Vaterfigur für seine Spieler. Gegenseitiger Respekt ist ihm eines der wichtigsten Anliegen.

„Er schafft es, dass er uns als Mannschaft zusammenhält. Wenn einer ein gutes Spiel oder eine gute Saison gemacht hat, glaubt er bei uns nicht, dass er machen kann, was er will. Der Trainer hat eine klare Linie, die er uns vorgibt, die wir leben müssen. Es ist geil von ihm, dass er uns das so vorgibt. Außerdem ist er charakterlich ein super Mensch“, meint Adrian Grbic.

Ich bin hier der Boss!

Gregoritsch sieht seine Rolle so: „Ich habe eine natürliche Autorität, das ist auch wichtig. Wenn du als Trainer erscheinst, müssen die Spieler wissen, dass der Chef da ist. Laissez-faire geht für mich im Leistungssport gar nicht. Es muss eine Linie und eine Hierarchie geben. Aber die Regeln werden heute nicht mehr vom Trainer, sondern gemeinsam mit den Spielern aufgestellt.“

Der Trainer ist immer noch der Boss. Aber eben nicht mehr von oben herab, sondern in Zusammenarbeit mit seinen Schützlingen. „Wenn er spricht, hört jeder zu“, sagt Horvath.

Denn irgendwo hört sich der Spaß auch auf. Und verscherzen will es sich mit dem Coach wirklich niemand. Xaver Schlager berichtet: „Er ist ein sehr emotionaler Typ. Er schaut immer, dass wir 100 Prozent geben. Wenn du bei ihm nicht läufst, solltest du dich lieber warm anziehen, die Füße in die Hände nehmen und laufen. Er verlangt sehr viel von uns.“

Wenn's mal wieder lauter wird...

Foto: © GEPA

Und wie ist das nun in der Kabine? Aus Vereinszeiten ist übermittelt, dass Gregoritsch bei seinen Ansprachen schon mal diverse Dezibel-Rekorde knacken kann. „Ich mache jetzt viele Dinge anders. Du kannst vor der Mannschaft keinen Spieler mehr verbal bis auf die Unterhose ausziehen und glauben, es kommt dann etwas Positives. Die Spieler sind sehr viel sensibler geworden, sie brauchen Unterstützung“, sagt der routinierte Trainer selbst.

Die Frage, ob der U21-Teamchef in der Kabine wirklich ruhiger geworden sei, beantwortet praktisch jeder Kicker mit einem Schmunzeln. „Ich weiß nicht, ob er das so eingehalten hat. Das ist einfach seine Art“, grinst Mathias Honsak.

Horvath lacht: „Sagen wir mal so: Er versucht, ruhiger zu sein. Aber ab und zu geht es einfach nicht. Das aber zurecht, wir brauchen es auch, dass mal einer über uns drüberfährt. Er macht das schon gut.“

Der Erfolg gibt Gregoritsch jedenfalls recht. Seine Beliebtheitswerte sind aktuell wohl höher denn je. Doch das ist ihm nach außen hin egal. Bei öffentlichen Statements ist der 61-Jährige bemüht, seine eigene Person in den Hintergrund zu stellen, spricht viel lieber über seine Mannschaft als über sich selbst.

Anfang des Jahres erklärte er: „Ich bin 20 Jahre Profi-Trainer, war davor Spielertrainer. Ich habe das Geschäft 30 Jahre lang inhaliert. Alles ist so schnelllebig, so vergänglich. Ich kann das richtig einschätzen. Es ist zwar schön, wenn man etwas erreicht, aber man wird ständig daran gemessen, dass man etwas weiterbringt.“

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