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"Keine Torchance zugelassen und trotzdem verloren"

Positives Teamchef-Fazit - trotz Ablenkungen, Leistungsgefälle und schwachem Fan-Zuspruch.

ÖFB-Teamchef Marcel Koller zieht trotz der 1:2-Niederlage ein positives Fazit des Tests gegen die Türkei.

"In der Defensive war es hervorragend. Wir haben keine Torchance zugelassen und trotzdem verloren. Das ist natürlich bitter und ärgerlich, aber was ich sehen wollte, hat das Team gezeigt und das macht natürlich Spaß", erklärt der Schweizer, der im Vergleich zum Albanien-Match vor allem eine Steigerung in der Rückwärtsbewegung sehen wollte.

Zu bemängeln sei lediglich die Chancenauswertung.

Ablenkungen sorgen für Unruhe

Grundsätzlich sei es ein Lehrgang unter etwas erschwerten Bedingungen gewesen.

"Es war nicht einfach, weil wir noch verschiedene Dinge zu erledigen hatten - Sponsoren- und Foto-Termine, die Prämien-Gespräche. Das hat ein bisschen Unruhe reingebracht. Für mich war aber wichtig, dass wir das alles noch im März abwickeln, um im Mai im Trainingslager in der Schweiz Ruhe zu haben und uns konzentriert vorbereiten zu können", berichtet der 55-Jährige von gewissen Ablenkungen in den vergangenen eineinhalb Wochen.

Nach gut vier Monaten ohne Länderspiel sei es zudem wichtig gewesen, wieder mit den Spielern zu arbeiten, seine Spielidee aufzufrischen und auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.

"Wir haben den Stand der Dinge gesehen", betont Koller, "die einen stehen bei ihrem Verein hinten drin, die anderen greifen vorne an, die einen spielen lange Bälle, die anderen wollen kombinieren - da sind die Ideen kreuz und quer gemischt. Für uns war es wichtig, dass wir unsere Philosophie vermitteln konnten."

Die Zeitspanne bis zum Start der EURO-Vorbereitung sei kürzer. Entsprechend geht Koller auch davon aus, dass seine Gedanken mehr in den Köpfen seiner Schützlinge verankert bleiben.

Leistungsgefälle im Kader

Deshalb seien auch beide Probeläufe im Rahmen dieses Camps gleich wichtig gewesen. Gegen kompakte Albaner habe man das Passspiel aufziehen müssen, was vor allem in Halbzeit zwei nicht nach Wunsch funktioniert hat.

"Die Türken sind spielerisch und individuell besser, konnten das aber nicht zeigen, weil wir aus dem ersten Spiel die Erkenntnis gezogen haben, dass wir defensiv mehr machen müssen. Das sind Dinge, die man dem Team wieder mitgeben kann: Es ist wichtig, auf der einen Seite offensiv ruhig zu bleiben, auf der anderen Seite defensiv konsequent zu sein und diese Wege zu gehen."


Ein gewisses Leistungsgefälle im Kader ließ sich in diesen beiden Tests jedoch nicht verleugnen. Fallen Stammkräfte aus, ist es für die ÖFB-Elf nicht leicht, diese mit dem zweiten Anzug adäquat zu ersetzen.

Den Eindruck, statt eines 23-Mann-Kaders in Wahrheit nur über ein 15-Mann-Aufgebot mit gleichwertigen Akteuren zu verfügen, will Koller so nicht stehen lassen. Qualitative Unterschiede kann er jedoch nicht bestreiten:

"Da ist Österreich nicht die einzige Nation. Auf hohem Level wird die Luft dünner. Auch andere Mannschaften wie die Schweiz, die Slowakei oder Ungarn haben nicht 30 bis 40 gleichwertige Spieler zur Verfügung. Das ist bei uns auch so. Wir machen viel mit Teamgeist, engem Zusammenrücken und gegenseitiger Unterstützung auf dem Platz wett. Dass du bezüglich individueller Klasse auf jeder Position auf zwei, drei Spieler zurückgreifen kannst, ist nicht der Fall."

"Können die Leute ja nicht ins Stadion prügeln"

Neben dem augenscheinlichen Fehler von Torhüter Ramazan Özcan taten sich gegen die Türkei etwa auch die offensiven Einspringer Rubin Okotie oder Guido Burgstaller schwer. Unmittelbare Auswirkungen auf seinen Kader werde diese Beobachtung jedoch nicht haben, wie der Teamchef eindringlich versichert: "Wenn ich jeden Spieler bestrafen würde, wenn er einen Fehler macht, wären wir nicht da, wo wir jetzt sind. Das ist eine ganz wichtige Erkenntnis, die aber nicht jetzt gekommen ist, sondern vor viereinhalb Jahren."

Dementsprechend wenige Überraschungen sind im EURO-Kader zu erwarten. "Wenn es keine Verletzungen gibt, wird es nicht viele Veränderungen geben, weil wir von diesen Spielern überzeugt sind und sie auch gezeigt haben, dass sie es gut umsetzen können", verdeutlicht Koller.

Eine kleine Euphoriebremse war der eher bescheidene Zuschauer-Zuspruch in den Duellen mit Albanien und der Türkei - beide Kontrahenten stellten jeweils eine große Anzahl an Auswärts-Fans .

"48.500 hätten Platz. Wenn immer 48.500 kommen würden, wäre es klarerweise am schönsten, aber wir können die Leute ja nicht ins Stadion prügeln. Wieso und warum weiß ich auch nicht - vielleicht warten sie auf Malta und Holland oder kommen alle nach Frankreich. Wir nehmen das, was kommt, freuen uns über jede Unterstützung und versuchen, von unserer Seite mit guten Spielen Werbung zu machen, damit die Leute ins Stadion kommen", will Koller diese Thematik nicht überbewerten.

"Ich kann es nur zum x-ten Mal sagen..."

Auch wenn es die vielen leeren Ränge im Happel-Stadion nicht symbolisiert haben: Die Europhorie im Land ist eine große. Dem Gedanken, dass die Niederlage gegen die Türkei insofern zum richtigen Zeitpunkt kam, als sie die riesige Erwartungshaltung für die EM gedämpft hat, kann der Eidgenosse zumindest augenzwinkernd etwas abgewinnen.

"Wenn man es so sieht, war es natürlich hervorragend", schmunzelt Koller, "aber als Sportler und Trainer verliert man nicht gerne. Diese Niederlage war nicht nötig. Es ist wichtig, dass wir die Lehren daraus ziehen und jeder einzelne daraus lernt."

Bezüglich Erwartungshaltung würde es ohnehin auf die richtige Einordnung ankommen. Koller: "Ich kann nur zum x-ten Mal sagen: Wir werden nicht so mir mir nichts, dir nichts durch die EURO marschieren."

Peter Altmann


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