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Adrian Grbic: Dribblanski war gestern

Der zwischendurch verlorene Torriecher ist wieder da. Und die ÖFB-Karriere geht weiter.

Adrian Grbic: Dribblanski war gestern

Adrian Grbic ist einem seiner ganz großen Karriereziele sehr, sehr nahegekommen. Sein erster Einsatz im ÖFB-Team ist zum Greifen nahe. Teamchef Franco Foda hat den Wiener für die Nations-League-Partien gegen Norwegen und Rumänien erstmals in seinen Kader einberufen.

Mit 24 Jahren ist Grbic noch jung, dennoch kommt die erstmalige Nominierung für das Nationalteam später, als man es noch vor ein paar Jahren erwarten hätte können. Gleichzeitig war zwischendurch nicht mehr zu erahnen, dass ihm diese Ehre überhaupt noch zuteilwerden könnte.

Wir schreiben den 30. März 2013. Am FAC-Platz bricht kurz vor 17 Uhr Riesenjubel aus. Die ÖFB-U17 hat sich für die EM in der Slowakei qualifiziert. An diesem Nachmittag ist Grbic hauptverantwortlich dafür – mit einer Maßflanke auf den Kopf von Nikola Zivotic und einem direkt verwandelten Freistoß sorgt er fast im Alleingang für den 2:1-Sieg gegen Georgien.

Tore, Tore, Tore in Stuttgart

Mit Valentino Lazaro und Sascha Horvath hat der Jahrgang 1996 zwar zwei unumstrittene Stars, deren Talent höher eingeschätzt wird als jenes der anderen. Doch dahinter kommt schon der schlaksige Offensivspieler, der zu diesem Zeitpunkt zwischen dem linken Flügel und der Sturmspitze hin- und herpendelt.

Als Grbic 2013 zur U17-EM fährt, hat er nach seinem Abgang vom SK Rapid eben sein erstes Jahr im Nachwuchs des VfB Stuttgart hinter sich gebracht. In 27 Pflichtspielen hat er unglaubliche 23 Tore erzielt und neun weitere Treffer vorgelegt. Die Schwaben schicken den 16-Jährigen teilweise sogar schon für ihre U19 aufs Feld.

"Früher war er eine launische Diva. Ein Genie, aber gleichzeitig auch ein Wahnsinniger. Er hat geglaubt, es reicht, auf der Mittellinie die Gurkerl zu spielen, weil die Leute das sehen wollen."

Hermann Stadler

In seinem ersten Jahr fernab der Heimat hat der Wiener viel gelernt. Nachwuchs-Teamchef Hermann Stadler erzählt damals: „Er ist viel reifer und professioneller geworden. Seine Einstellung zum Sport ist viel besser. Früher war er eine launische Diva. Ein Genie, aber gleichzeitig auch ein Wahnsinniger. Er hat geglaubt, es reicht, auf der Mittellinie die Gurkerl zu spielen, weil die Leute das sehen wollen. Das hat er sich aber abgewöhnt, mittlerweile ist sein Spiel auf den Endzweck ausgerichtet.“

In Stuttgart wurden dem Dribblanski, der damals Cristiano Ronaldo als sein großes Vorbild nennt und sich sowohl in Sachen Schusstechnik als auch in Sachen Frisur am Portugiesen orientiert, die Sperenzchen rasch ausgetrieben. Er berichtet im Frühjahr 2013: „Im ersten Training habe ich den Ball verloren und bin stehengeblieben. Sofort haben mich vom Trainer bis zu den Mitspielern alle angeschrien. Da habe ich realisiert, dass ich nicht stehenbleiben sollte.“

Foto: © GEPA

Der Weg nach oben ist vorgezeichnet. Der Jung-Legionär hat etwas, was man nicht lernen kann – einen Torriecher. In seinem ersten vollen Jahr als U19-Spieler gelingen ihm in Stuttgart dann in 25 Partien 16 Treffer, eine Saison später sind es wieder 16 Tore, diesmal in 22 Spielen. Der Goalgetter fährt zur U17-WM und zur U19-EM.

Im November 2014 das nächste Highlight: In einem Testspiel der VfB-Profis setzt der Österreicher mit zwei Toren und zwei Assists gegen den Landesligisten SV Ebersbach/Fils ein dickes Ausrufezeichen. Des Wieners Pech: Eine Woche später muss Trainer Armin Veh seinen Stuhl räumen, sein Nachfolger Huub Stevens zeigt kein großes Interesse an dem jungen Stürmer.

(Artikel wird unter dem Video fortgesetzt)

Der Karriereknick

Es folgt der Karriereknick. Grbic steigt im Sommer 2015 in den Kader der zweiten Mannschaft auf, im Erwachsenen-Fußball findet sich der Offensivspieler gar nicht zurecht. Nur 15 Einsätze, lediglich zwei von Beginn an, keine einzige Torbeteiligung. Der Nachwuchs-Goalgetter erlebt erstmals in seinem Fußballer-Leben eine Flaute.

Im Sommer 2019 blickt er zurück: „Meine Zeiten in Stuttgart waren unglaublich. Da konnte kommen, wer will, ich habe meine Tore gemacht. Aber das war Nachwuchsfußball. Ich konnte dann den Schalter nicht so schnell umlegen, als ich in die zweite Mannschaft gekommen bin. Im Training wurde mir dann gezeigt, dass es so nicht mehr geht bei den Profis.“

Und es dauert, bis er sich davon erholt. Im Sommer 2016 kehrt Grbic nach Österreich zurück, der SCR Altach nimmt ihn unter Vertrag und verleiht ihn direkt an Zweitligist FAC weiter. In seiner Heimatstadt findet der Youngster einigermaßen in die Spur zurück, sieben Tore in 29 Pflichtspielen sind aber dennoch weit entfernt von der Treffsicherheit vergangener Tage.

"Abgesehen von Klaus Schmidt hatte ich aber bei keiner Person im Verein das Gefühl, dass sie hinter mir steht und mir den Rücken stärkt"

Adrian Grbic

Aber es ist genug, um in der Folgesaison einen Platz im Altacher Kader zu bekommen. Die zwei Bundesliga-Jahre im Rheindorf sind geprägt von Inkonstanz in jeglicher Hinsicht. Klaus Schmidt, Werner Grabherr, Wolfgang Luisser und Alex Pastoor sitzen in dieser Zeit auf der Trainerbank, Grbic spielt mal mehr, mal weniger und am Ende gar nicht mehr, weil er seinen auslaufenden Vertrag nicht verlängert.

Nach seinem Abgang ärgert er sich: „Für mich war es in Altach extrem schwer. Klaus Schmidt hat mir als Trainer immer gesagt hat, was ich besser machen kann. Aber für ihn war es riskant, auf einen jungen Spieler zu setzen, weil er Punkte benötigt hat und mit Hannes Aigner eine Tormaschine im Kader hatte. Abgesehen von ihm hatte ich aber bei keiner Person im Verein das Gefühl, dass sie hinter mir steht und mir den Rücken stärkt.“

Eine spannende Entscheidung

Foto: © GEPA

Grbic sieht seine Felle davonschwimmen. Im U21-Nationalteam unter Werner Gregoritsch ist er zwar weiterhin dabei, schießt die Truppe mit einem Freistoßtor im Playoff gegen Griechenland sogar zur EM in Italien, doch weil seine Stürmer-Konkurrenten Sasa Kalajdzic, Marko Kvasina und Pippo Schmidt im Verein regelmäßig spielen, muss er um seine vierte Endrunden-Teilnahme im ÖFB-Nachwuchs zittern.

Der Plan, sich mit starken Leistungen bei der U21-EM für einen neuen Verein zu empfehlen, wird ihm zu heiß, „Adi“ unterschreibt schon vorher in der Frankreichs zweiter Liga bei Clermont Foot. Der Wechsel wird durchaus kritisch beäugt – ein neues Land, eine neue Sprache, ein hartes Pflaster.

Doch nach der für ihn persönlich eher unbefriedigenden U21-EM – er schafft es doch in den Kader, spielt aber nur 21 Minuten lang – straft Grbic seine Kritiker lügen und findet in Zentral-Frankreich plötzlich seinen Torriecher wieder. Anders ausgedrückt: Der Stürmer schlägt bei Clermont Foot voll ein.

„Ich habe früher im Nachwuchs Woche für Woche Tore gemacht, das habe ich vermisst. Irgendwie ist es jetzt aber doch noch einmal ein anderes Gefühl, das ist der Profi-Bereich. Wenn du dein Team in Lens vor 25.000 Leuten in Führung schießt, fühlt sich das schon gut an. Es ist schön, wieder mal am Fließband zu treffen“, sagt er.

Sein Trainer Pascal Gastien schenkt dem Wiener, was dieser so dringend benötigt, um seine Leistungen abrufen zu können – vollstes Vertrauen. Bis die Ligue 2 wegen der Corona-Pandemie abgebrochen wird, erzielt der Neuzugang in 26 Spielen 17 Tore und erregt jede Menge Aufmerksamkeit. Der kroatische Verband signalisiert – wie schon zu Nachwuchs-Zeiten – wieder Interesse und auch zahlreiche namhafte Klubs, etwa Celtic, Brighton, Lyon und Marseille, werden mit ihm in Verbindung gebracht.

Rekordtransfer in die Bretagne

Letztendlich entscheidet sich Grbic für einen Wechsel innerhalb Frankreichs zum FC Lorient. Fast zehn Millionen Euro Ablöse bedeuten sowohl für Clermont Foot, als auch für seinen neuen Arbeitgeber einen neuen Rekord. In seinem ersten Meisterschaftsspiel in der Ligue 1 schreibt Grbic auch prompt seinen ersten Treffer an.

Teamchef Franco Foda honoriert die „außergewöhnlichen Leistungen“ des Goalgetters in den vergangenen Monaten mit einem Platz im ÖFB-Kader. Was er bekommt, hat nur zum Teil mit jenem jungen Mann zu tun, der 2013 in der U17 geglänzt und insgesamt in 59 Nachwuchs-Länderspielen 17 Tore geschossen hat.

Die Schultern des Frankreich-Legionärs sind ob des zurückgewonnenen Selbstvertrauens zwar ebenso breit wie damals, aber nun stimmt auch die Physis mit dieser Metapher überein. Um sich gegen die robusten Verteidiger in Frankreich durchzusetzen, hat der 24-Jährige körperlich noch einmal zugelegt. Und die Schnörkel in seinem Spiel sind endgültig Geschichte, Grbic ist ein geradliniger Stürmer geworden. Was geblieben ist: Seine außergewöhnliche Schusstechnik, die ihm nach wie vor Freistoßtore ermöglicht. Und eben der Traum vom ÖFB-Team…

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