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"Man kann nicht jedes Spiel gewinnen"

Alabas Wechselbad. Özcans Ärger. Sabitzers verpasste Chance. Aspekte des ÖFB-Tests:

Wieder nicht!

Wie schon 2014 vergibt Österreich bei der letzten Gelegenheit die Chance, erstmals seit 1996 ein Länderspiel-Jahr ungeschlagen zu beenden. Wieder durch ein 1:2. Vor zwölf Monaten hieß der Gegner Brasilien, diesmal avancierte die Schweiz zum Stolperstein.

Dass ausgerechnet das Heimatland von Teamchef Marcel Koller zum Spielverderber wurde, war natürlich nur eine Facette dieses Tests. LAOLA1 fasst die wichtigsten Aspekte zusammen:

KOLLER VS. SCHWEIZ:

„Diese Niederlage tut ihm bestimmt weh. Dieses Spiel war ihm nicht unwichtig. Das hat man im Vorhinein auch gemerkt. Es war ihm wichtig, dass wir nicht viel ändern und mit einer Mannschaft auf den Platz gehen, die alles schon kennt und verinnerlicht hat, was er will. Es tut uns auch leid für ihn, wir wollten genauso gewinnen wie er. Aber diese Scharte lässt sich bestimmt bald auswetzen“, meinte Julian Baumgartlinger. Ausgerechnet Marcel Kollers Heimatland trübte die bis dahin so makellose Länderspiel-Bilanz des ÖFB-Teams im Jahr 2015. Keine Frage, dass der 55-Jährige diesen prestigeträchtigen Sieg gerne mitgenommen hätte. Wobei der Teamchef bislang ganz gut mit der Strategie fuhr, solche persönlichen Eitelkeiten nicht in den Mittelpunkt zu stellen und dies auch nach der Partie beibehielt und versicherte: „Jede Niederlage ärgert mich, aber gegen die Schweiz ist es mir eigentlich noch am liebsten.“ Im Vorfeld des Matches konnte Koller noch nicht einschätzen, welche Emotionen ihn beim ersten Duell mit jenem Land, für das er als aktiver Spieler 55 Mal auflief, erwarten. Dass zwei Herzen in seiner Brust schlugen, liegt auf der Hand, ebenso wie der professionelle Wunsch, für seinen Arbeitgeber das Bestmögliche herauszuholen. Letztlich stand ohnehin die Aufgabe im Fokus und weniger diese Storyline: „Komisch war es nur während der Nationalhymne, danach nicht mehr.“

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GUTER AUFTRITT, SCHLECHTE CHANCENVERWERTUNG:

Laut eigener Einschätzung bekam Koller ein „gutes Spiel“ zu sehen, in dem letztlich Kleinigkeiten über Sieg und Niederlage entschieden hätten: „Die beiden Tore waren unnötig, sie entstanden aus Konzentrationsmängeln und Missverständnissen.“ Baumgartlinger ergänzte: „Es ist knallhart bestraft worden, was nicht so funktioniert hat.“ Der Ärger im ÖFB-Lager über die Niederlage war freilich groß, vor allem weil man sie als nicht leistungsgerecht empfand. „Wir haben wieder gezeigt, was wir können, hatten genug Chancen und haben unverdient verloren. Wir hätten das 2:1 machen können, es war kein Abseitstor. Ich weiß nicht, wie viele Chancen wir hatten. Aber von zehn oder 15 Spielen hast du halt ein Spiel, wo du alles probierst, aber es geht nicht. Das war so ein Spiel. Wer die Partie gesehen hat, weiß auch, dass wir uns einen Sieg oder zumindest ein Unentschieden verdient hätten“, bedauerte Marko Arnautovic. Mit Yann Sommer hätte die Schweiz einen Goalie als Rückhalt gehabt, der einiges gehalten hat. Die Conclusio des Stoke-Legionärs: „Man kann nicht alles gewinnen.“ Das Thema Effizienz war nach diesem Test naturgemäß wieder präsent. So ärgerte sich etwa Stefan Ilsanker über seine vergebene Topchance: „Das Tor wäre für mich persönlich natürlich sehr schön gewesen, aber viel wichtiger wäre es für die Mannschaft gewesen. Es wäre der Ausgleich zum 2:2 gewesen. Dann hätten wir die Partie vielleicht sogar noch einmal gedreht und auf Sieg spielen können.“ Doch auch der Weg bis zu den Chancen war keineswegs von restloser Zufriedenheit geprägt. „Im letzten Drittel hätten wir etwas mehr den entscheidenden Pass suchen können“, monierte Jakob Jantscher. Für Ilsanker war man trotz schöner Ballstafetten ein wenig zu unkonzentriert, je näher das gegnerische Tor kam. Dennoch war es unter dem Strich trotz Niederlage keine schlechte Performance der ÖFB-Elf. Dies symbolisierte auch die Analyse des Schweizer Teamchefs Vladimir Petkovic: „Es war kein typisches Freundschaftsspiel, sondern eines mit hohem Rhythmus und hoher Schlagzahl. Wir mussten leiden. Das hat mir gefallen.“

"Ich nehme das Tor natürlich auf meine Kappe, das war sicherlich mein Fehler. Aber ich lasse mich von so etwas nicht ablenken oder aus dem Spiel bringen"

David Alaba

ALABAS WECHSELBAD DER GEFÜHLE:

Leiden musste auch David Alaba. Zumindest in der 9. Minute, als er das 0:1 durch Haris Seferovic verschuldete. „Das ist ärgerlich. Ich nehme das Tor natürlich auf meine Kappe, das war sicherlich mein Fehler. Aber ich lasse mich von so etwas nicht ablenken oder aus dem Spiel bringen“, betonte der Bayern-Star. Mit einer verunglückten Kopfball-Rückgabe legte er dem Stürmer der Eidgenossen den Treffer auf. „Ich dachte, hinter mir stehen noch die Innenverteidiger, aber da war keiner“, erklärte der 23-Jährige. Dass er sich nicht ablenken ließ, bewies Alaba umgehend durch seinen Ausgleich in Minute 13: „Ich habe versucht, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren, und das ist das Spiel. Es war noch am Anfang der Partie, und wir hatten noch sehr viel Zeit, um das Spiel zu drehen.“ Dass man schließlich als Verlierer vom Platz ging, ärgerte den Superstar des ÖFB-Teams: „Wir haben über weite Phasen dominiert, waren die bessere Mannschaft und das Team, das versucht hat, das Spiel zu machen. Wir haben uns viele Chancen herausgearbeitet, die wir nicht genutzt haben. Da müssen wir einfach kaltschnäuziger sein, dann schaut das Spiel ganz anders aus.“

DIE CHANCE DER BACKUPS:

Auch wenn Koller am liebsten mit seiner Stammelf gespielt hätte, war dies diesmal nicht möglich. Robert Almer, Zlatko Junuzovic und Martin Harnik verpassten den Lehrgang verletzungsbedingt, im Vorfeld der Begegnung musste auch noch Goalgetter Marc Janko w.o. geben. Bereits in der ersten Spielminute zog sich Innenverteidiger Sebastian Prödl eine Blessur an der linken Wade zu und musste raus. Für die nachrückenden Spieler bedeutete das Fehlen der etablierten Kräfte eine der zuletzt seltenen Chancen von Beginn an. „Ich habe mich gefreut, dass ich spielen konnte. Es war schon eine lange Zeit, seit ich das letzte Mal von Anfang an aufgestellt wurde. Deswegen war es für mich sehr wichtig, zum Einsatz zu kommen, damit ich auch wieder meinen Rhythmus finde“, erklärte Jantscher. Gerade die Offensive hatte ein komplett neues Gesicht. „Dadurch, dass wir ein Konzept haben und der Trainer es jedem Neuen von Anfang an klar erklärt, und wir im Training auch viel an diesen Spielzügen, am Aufbau und am Anlaufen arbeiten, war es keine große Umstellung“, stellte Baumgartlinger klar.

Wobei gerade das Fehlen von Junuzovic und seiner Art, den Zehner zu interpretieren, für diese Mannschaft nur schwer zu kompensieren ist. Diesmal durfte sich Marcel Sabitzer erstmals von Beginn an in dieser Rolle versuchen und erwischte dabei nicht seinen besten Tag. „Sabitzer hat in der ersten Hälfte etwas unglücklich agiert, zu viele Abspielfehler gemacht. Er hat uns in der Qualifikation viel geholfen, muss aber noch Erfahrung sammeln. Es ist gut, dass er diese Erfahrung gemacht hat. Wir werden uns sein Spiel gemeinsam anschauen und analysieren. Bei der einen oder anderen Aktion war ein Fehler dabei. Auf diesem Level muss er die Konzentration über längere Zeit hochhalten und nicht zu viele Abspielfehler machen, sonst geht es in die Rückwärtsbewegung und das kostet sehr viel Kraft“, übte Koller Manöverkritik am Leipzig-Legionär. Für Baumgartlinger sind die Automatismen ohne Junuzovic zwar andere, dennoch hieß er diesen Auftritt mit der einen oder anderen neuen Kraft willkommen: „Sabi hat sich diese Chance verdient. Es ist wichtig, dass man Spieler hat, die reinkommen können. Bei der EM kann alles passieren. Es kann einer gesperrt sein oder sich verletzen, so wie Basti in der 1. Minute. Zladdi ist ein besonderer Spieler, das ist allen klar. Aber trotzdem sollte es für uns möglich sein, jeden einzelnen Spieler zu ersetzen. Wir haben auf der Bank und im erweiterten Kader wirklich sehr viele qualitativ gute Spieler, die das können. Das Eingespielte, das letzte Prozent, kann natürlich nicht da sein. Aber das müssen wir hinkriegen.“

"Im Vorhinein appelliert man an die Konzentration. Aber man sieht ja: Es war schon zu merken, dass es kein Wettbewerbsspiel war"

Ramazan Özcan

ÖZCANS ÄRGER:

Auch im Tor stand diesmal ein „neues“ Gesicht. In Abwesenheit von Almer bestritt Ramazan Özcan sein fünftes Länderspiel. Das eine oder andere Mal konnte sich der Ingolstadt-Legionär gut auszeichnen. Aber einen zufriedenen Torhüter findet man selten, nachdem er nicht zu Null gespielt hat: „Das nervt mich schon! Ich ärgere mich, dass ich zwei Gegentore gekriegt habe, weil ich grundsätzlich ungern welche bekomme, und die Art und Weise, wie wir sie bekommen haben, ist auch ein Stück weit ärgerlich.“ Alabas Fauxpas vor dem 0:1, der Stellungsfehler beim zweiten Streich von Seferovic zum 1:2 – beides jeweils untypisches Abwehrverhalten für ein Nationalteam, dessen Kompaktheit in der Qualifikation für die EM ein Trumpf war. Für „Rambo“ sind solche Konzentrationsfehler „menschlich. Wir waren zwei Mal unachtsam. Der Gegner hat es eiskalt ausgenutzt. Wir werden das nüchtern analysieren. Wir wissen, was wir falsch gemacht haben.“ Dennoch könne man laut Meinung des Vorarlbergers erhobenen Hauptes auf das Länderspieljahr zurückblicken. Beim finalen Auftritt habe man jedoch ein wenig den Unterschied zwischen einem Pflicht- und einem Testspiel gesehen: „Im Vorhinein appelliert man an die Konzentration. Aber man sieht ja: Es war schon zu merken, dass es kein Wettbewerbsspiel war.“ Auch das Schiedsrichter-Team um Manuel Gräfe hielt die Konzentration nicht in jeder Szene aufrecht. Özcan tat das zu Unrecht aberkannte Tor von Rubin Okotie weh: „Das habe ich dem Schiedsrichter auch gesagt. Aber er ist auch ein Mensch. Wenn wir Fehler machen, darf er auch Fehler machen.“

DEBÜTANTENBALL:

Mit Karim Onisiwo und Florian Kainz feierten im Laufe der zweiten Halbzeit zwei Neulinge ihr ÖFB-Debüt. Wendung konnten sie dem Spiel keine mehr geben. „Wir haben verloren, deswegen ist es keine schöne Erinnerung“, konnte sich Kainz nach dem Spiel zwar nicht so richtig freuen, meinte jedoch auch: „Ich bin froh, dass ich das erste Mal dabei war und auch Einsatzzeit bekommen habe.“ Ob er im Trainingslager in Spanien beziehungsweise bei seiner Premiere im A-Team genügend Eindruck hinterlassen hat, um ein Thema für die EM zu sein, werde man sehen: „Ich bin froh, dass ich mich einmal präsentieren konnte. Bis zur EURO ist noch einige Zeit. Wichtig ist, dass ich bei Rapid meine Leistung bringe.“ Genau diese Herangehensweise wünscht sich auch Koller: „Die Debütanten waren aktiv dabei und haben einen guten Eindruck hinterlassen. Beim ersten Mal ist man natürlich noch etwas nervöser als sonst. Für das erste Spiel war es schon recht gut. Entscheidend ist, dass sie bei den Klubs weiter Gas geben. Sie müssen dort als Nationalspieler vorne weg gehen.“

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DAS JAHR NICHT TRÜBEN LASSEN:

„Jetzt spüren wir wieder einmal das Gefühl, wie es ist, zu verlieren“, betonte Koller. Erkenntnisse gewann er in diesem Probelauf sicher einige. Sich das bis dato historische Länderspiel-Jahr trüben zu lassen, wäre laut Baumgartlinger jedoch „ein Blödsinn, weil die Leistung ja nicht schlecht war. Wir haben trotzdem viel gezeigt und einen Gegner, der von der Qualität her in unserem Dunstkreis ist, über 90 Minuten dominiert.“ Wie der Mainz-Legionär fühlte sich auch Christian Fuchs an den Test gegen Brasilien erinnert. Auch 2014 verpasste man zum Jahresausklang die Chance auf eine weiße Weste. Aus der Bahn werfen ließ man sich von dieser Niederlage bekanntlich nicht. „Wir können auch aus diesem Spiel sehr viel Positives mitnehmen. Ich kann dem Team nichts vorwerfen. Wir haben Gas gegeben, haben gut gespielt. Es wollte nicht sein. Schwamm drüber. Wir haben 2015 ein richtig geiles Jahr gespielt und mit der erstmaligen sportlichen Qualifikation für die EURO etwas Historisches erreicht“, resümierte der Kapitän. Außerdem lernt man bekanntlich aus Niederlagen am meisten. Diese Sichtweise brachte auch Baumgartlinger ins Spiel: „Wenn wir jedes Spiel gewinnen würden, wäre es vielleicht auch nicht gut, denn unsere Entwicklung ist noch nicht zu Ende. Es ist nie gut, wenn man verliert, aber es ist trotzdem wichtig, dass man genau hinschaut und sich noch verbessert.“

Vor diesem Gegner sollte man sich in Acht nehmen. Sie haben eine gute Mannschaft mit guten Einzelspielern. Man muss in Frankreich mit ihnen rechnen

Vladimir Petkovic

DIE EURO ZÄHLT:

Die noch anstehenden Verbesserungen sollen natürlich im Juni 2016 in Frankreich schlagend werden. Dann zählt es. Weshalb auch Koller meinte: „Besser wir verlieren heute als bei der EM.“ Ein Satz, den man in der Nachbetrachtung der Partie das eine oder andere Mal hörte. Der Glaube in die eigenen Stärken ist weiterhin ungetrübt. Fuchs: „Ich brauche keine Bestätigung mehr, dass wir gegen solche Kontrahenten mithalten können. Das weiß ich. Wir haben das Selbstvertrauen und den Anspruch, gegen jeden Gegner ein gutes Spiel zu machen und zu gewinnen.“ Der Respekt vor dem ÖFB-Team ist auch jenseits der Landesgrenzen gestiegen. Auch bei Petkovic hat der rot-weiß-rote Kontrahent trotz der Niederlage spürbar Pluspunkte gesammelt: „Es ist total positiv, dass wir Österreich die erste Niederlage in diesem Jahr zugefügt haben. Aber vor diesem Gegner sollte man sich in Acht nehmen. Sie haben eine gute Mannschaft mit guten Einzelspielern. Man muss in Frankreich mit ihnen rechnen.“


Peter Altmann/Jakob Faber/Alexander Karper/Martin Wechtl

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