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Als ich ins Ausland ging, war es ein Kritik-Thema

Martin Stranzls Karriere ist zu Ende. LAOLA1-Talk prägende Figuren, Constantini und "leiwande" Mentalität.

Als ich ins Ausland ging, war es ein Kritik-Thema

Berufsstatus: Fußball-Pensionist.

Die illustre Karriere von Martin Stranzl ist offiziell zu Ende. Nach knapp zwei Jahrzehnten im Profi-Geschäft hat einer der charismatischten österreichischen Fußballer der jüngeren Vergangenheit seine Schuhe an den Nagel gehängt.

Ein österreichischer Fußballer, der nie für einen österreichischen Verein gespielt hat. Bereits in der Jugend schloss er sich 1860 München an – zu einer Zeit, als es noch unüblich war, seine fußballerische Ausbildung im Ausland zu genießen.

Über die „Löwen“, den VfB Stuttgart und Spartak Moskau verschlug es ihn 2011 zu Borussia Mönchengladbach, wo er in den vergangenen Jahren zu einer Integrationsfigur avancierte.

258 Spiele in der deutschen Bundesliga, 95 Partien in der russischen Premier Liga und 56 Länderspiele lautet die nüchterne Bilanz seiner Laufbahn – gerade im Nationalteam „erwischte“ er von seinem Debüt im Jahr 2000 bis zu seinem Rücktritt 2009 eine Ära, die nicht gerade von Erfolgen geprägt war.

LAOLA1 hat Stranzl zu seinem Abschied in Mönchengladbach besucht. Ein Gespräch über die Borussia, prägende Figuren seiner Karriere, seine Zukunft in Deutschland, seinen Blick auf Österreich, Didi Constantini und den Traum, mit Schlittenhunden durch die Arktis zu fahren.

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LAOLA1: Du warst bei der Bekanntgabe deines Karriereendes extrem emotional. Inzwischen ist es offiziell vorbei. Bist du immer noch aufgewühlt?

Martin Stranzl: Nein. Das war bei der Pressekonferenz so, darauf kann man sich nicht vorbereiten. Ich bin relativ entspannt an die Sache herangegangen, aber wenn der Presseraum voll ist und man die Worte ausspricht, dass es am Saisonende vorbei ist, kommt halt einiges hoch. Aber es war wichtig, das auszusprechen, damit man das Thema abhaken kann. Das Gespräch mit den Geschäftsführern Max Eberl und Stephan Schippers war nicht weniger emotional. Meinen Moment auf dem Platz hatte ich schon im Februar gegen Werder Bremen. Es war eine riesige Wertschätzung, wie mich die Fans nach meiner langen Verletzung spontan willkommen geheißen haben. Die Verabschiedung gegen Leverkusen war länger geplant, von dem her nicht mit dem Spiel gegen Werder zu vergleichen. Aber ich habe mich dennoch darauf gefreut, mich von den Fans zu verabschieden und noch einmal die Atmosphäre zu genießen.

"In Österreich hat man den Schritt nur müde belächelt. Aber ich habe Recht behalten, denn das Potenzial war meines Erachtens damals schon sehr groß."

Stranzl über Wechsel zu Gladbach

LAOLA1: Hier in Mönchengladbach schwärmt jeder von Martin Stranzl. Wie fällt deine Selbsteinschätzung aus: Was hast du für diesen Verein bedeutet?

Stranzl: Mir hat der Verein sehr viel gegeben. Mönchengladbach hat mich offen empfangen. Ich habe versucht, das mit Leistung zurückzuzahlen. Der Verein hat sich damals in einer sehr schwierigen Situation befunden. In Österreich zum Beispiel hat man den Schritt nur müde belächelt. Aber ich habe Recht behalten, denn das Potenzial war meines Erachtens damals schon sehr groß. Das hat man in den letzten Jahren auch gesehen, die Mannschaft hat sich stets weiterentwickelt. Nächste Saison werden wieder international dabei sein – das vierte Mal in fünf Jahren. Ich würde sagen: Alles richtig gemacht! Aber welchen Stellenwert ich habe, schätze ich nicht selbst ein. Ich fühle mich hier sehr, sehr wohl, komme mit allen sehr gut klar, gehe auf die Menschen zu und verstelle mich nicht. Vielleicht kommt diese Art ganz gut an. Alles andere sollen andere beurteilen.

Sportchef Eberl stellt Stranzl über diverse Gladbacher Ikonen

LAOLA1: Max Eberl hat das getan und dich als wichtiger als die ehemaligen Gladbacher Kaliber Marco Reus, Marc-Andre ter Stegen und Dante bezeichnet. Wie gut tun solche Worte?

Stranzl: Das ist natürlich eine große Wertschätzung. Die Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen hier im Verein war sehr angenehm und von gegenseitigem Respekt geprägt. Wenn Max Eberl das so gesagt hat, wird das auch seinen Hintergrund haben.

LAOLA1: Was macht für dich den Virus Borussia Mönchengladbach aus?

Stranzl: Ganz einfach: Die Fans. Sie tragen und unterstützen den Verein in jeglicher Situation. Als ich gekommen bin, war es trotz der schwierigen Situation eine sehr respektvolle Zusammenarbeit mit den Fans. Wir wussten, wir brauchen unsere Fans. Gerade in solch schwierigen Momenten sieht man, dass es auch anders geht. Ich habe viele Erfahrungen gesammelt, wo du auch mal wüst beschimpft oder unter der Gürtellinie beleidigt wirst. Das hemmt den einen oder anderen Spieler, wenn man weiß, du stehst eh schon unten drinnen und kriegst auch noch jeden Tag eine auf den Deckel. Bei uns findet es wirklich auf einer respektvollen Ebene statt und ich finde, das ist ein großes Ausrufezeichen für unsere Fans. Generell ist es so, dass sie bedingungslos den Verein supporten, sich aber nicht einen Spieler, der alles bedeutet, aussuchen. Denn sie haben das Geschäft Fußball so verstanden, dass Spieler kommen, Spieler gehen, aber der Verein bleibt. Das ist ganz klar ihr Credo. Dazu kommt die Historie in den 70ern, wo man so erfolgreich war. Das hängt über dem ganzen Verein und das sieht man auch, wenn man in die Geschäftsstelle kommt, wo die vielen Pokale ausgestellt sind.


LAOLA1: Keine Zukunft in Mönchengladbach hat leider dein Landsmann Martin Hinteregger. Wie beurteilst du seine Monate bei der Borussia?

Stranzl: Die Bundesliga ist schon noch einmal eine andere Herausforderung, das hat er selbst gesehen und mitgekriegt. Schade, dass er nicht auf seiner angestammten Position spielen konnte, da wir den einen oder anderen Ausfall hatten. Deshalb musste er auf der ungewohnten Linksverteidiger-Position spielen. Dann ist es für einen Spieler schwierig, in so kurzer Zeit sein wirkliches Potenzial zu zeigen. Man wird sehen, wo seine Reise hingeht. Wir waren Zimmerkollegen. Ich habe ihn als sehr offenen und netten Menschen kennengelernt. Er war sehr wissbegierig. Ich drücke ihm die Daumen und wünsche ihm, dass seine Entwicklung so weitergeht, dass sich seine Ziele verwirklichen lassen. Mit der EM hat er die nächste große Aufgabe vor sich. Er muss einfach dran bleiben.

"Meine Freunde aus der Schulzeit müssen alle woanders arbeiten, sei es nach Graz, Wien, Salzburg oder sonst wohin pendeln. Bei uns unten sind die Arbeitsmöglichkeiten sehr eingeschränkt. Hier hast du rundherum Großstädte und ganz andere Ausbildungsmöglichkeiten."

Stranzl über den Verbleib in Deutschland

LAOLA1: Dein Plan war einst, nach dem Karriereende nach Österreich zurückzukehren. Das hat sich geändert, du wirst mit deiner Familie hier bleiben. Wie ist es zu dieser Planänderung gekommen?

Stranzl: Durch die Familie. Die Kinder sind sozial sehr gut eingebettet, für uns als Eltern hat sich ein Freundeskreis gebildet. Ich bin jemand, der seine Kinder ungern aus einem Umfeld rausreißt, in dem sie sich so wohlfühlen. Ich weiß aus Moskau und vom Umzug nach Deutschland, dass unser Sohn sich da schwer tut. Außerdem haben die Kinder hier im Endeffekt viel mehr Möglichkeiten als bei uns zu Hause. Vor drei Jahren war es so: Ich wollte mit dem Verein erst über eine Vertragsverlängerung sprechen, als klar war, dass unser Sohnemann hier in jene Schule gehen kann, in die seine Fußball-Freunde gehen. Ich musste abwarten, ob wir die Genehmigung für die Schule bekommen, weil die einen Aufnahmeprozess hat und wir relativ spät dran waren. Wir haben danach bewusst immer nur von Jahr zu Jahr verlängert, weil man im Alter von 32 oder 33 nie weiß, wie es sich körperlich entwickelt. Ich habe leider immer wieder gelesen, der Verein muss den Spieler überreden – das ist alles Quatsch. Wir hatten ganz klare Absprachen und einen sehr respektvollen Umgang. Deswegen konnte man das immer relativ schnell abarbeiten. Aber die Prämisse war immer, dass sich die Familie wohlfühlt. Im Endeffekt hat es sich dahingehend entwickelt, dass wir überhaupt hier bleiben. Wir haben ein super Umfeld aufgebaut. Warum soll man dann seine Zelte wieder abbrechen?

LAOLA1: Du hast die besseren Möglichkeiten für deine Kinder als in Österreich angesprochen. Ist das auf den Traum deines Sohnes, Fußball-Profi zu werden, bezogen oder generell auf die Ausbildung?

Stranzl: Auf alles. Das ist einfach erklärt. Wir kommen aus dem Südburgenland. Dort ist es sehr ruhig, es gibt wunderschöne Natur, es ist unser Rückzugsgebiet. Aber ich muss nur meine Freunde aus meiner Schulzeit hernehmen. Die müssen alle woanders arbeiten, sei es nach Graz, Wien, Salzburg oder sonst wohin pendeln. Bei uns unten sind die Arbeitsmöglichkeiten sehr eingeschränkt. Hier hast du rundherum Großstädte und ganz andere Ausbildungsmöglichkeiten – unabhängig vom Fußball. Vom Fußball braucht man gar nicht zu reden, denn was sich hier im Umkreis mit den Bundesliga-Vereinen abspielt, brauche ich keinem zu erzählen. Zudem ist ein Flughafen in der Nähe, ich habe in Düsseldorf meine Firma aufgemacht. Das wäre bei uns unten einfach nicht möglich gewesen.


LAOLA1: Du hast in den vergangenen zwei Jahrzehnten bei vier Vereinen gespielt. Das kriegen manche Profis in zwei Jahren hin. Wie wichtig ist dir diese Loyalität?

Stranzl: Rückblickend waren es alles Traditionsvereine. Nur in Stuttgart war ich kürzere Zeit, wir haben uns jedoch auch dort sehr wohl gefühlt. Klar ist mir diese Loyalität wichtig. Ich bin keiner, der irgendwohin geht und seine Zelte wieder abbricht, sondern wenn ich mich wohlfühle, bleibe ich länger. Dann gibt es kein Taktieren, um bessere Verträge rauszuschlagen. Ich sage auch immer wieder:  Wenn im Umfeld alles passt, kann ein Spieler auch seine Leistung auf dem Platz bringen. Bei mir ist es vielleicht noch extremer, dass es noch besser geht beim Fußballspielen, wenn zu Hause alles passt. Das ist mir halt sehr, sehr wichtig.

Willensschulung: Werner Lorant beförderte Stranzl zu den 1860-Profis

LAOLA1: Wer waren die prägenden Figuren in deiner Profi-Karriere?

Stranzl: Sicherlich Werner Lorant und Peter Pacult, die mich damals bei 1860 in die Profi-Mannschaft hochgeholt haben. Werner Lorant ist natürlich sehr bekannt für seine Trainingsmethoden und Spielanlage. Das war einfach eine super Willensschulung, die mich über die Jahre auch geprägt hat. Beim VfB Stuttgart hatte ich mit Matthias Sammer und Giovanni Trapattoni zwei Trainer, die mich in den Bereichen Taktik und Defensivverhalten sehr vorangebracht und geprägt haben, vor allem Trapattoni. In Moskau hatten wir eine technisch sehr versierte Spielkultur mit viel Offensive und hohem Pressing. Wir mussten jedes Jahr um den Titel mitspielen, das war die Vorgabe. Das ist natürlich eine ganz andere Drucksituation als bei anderen Vereinen. Dort hatte ich alteingesessene Trainer wie zum Beispiel Vladimir Fedotov, der sehr viel Erfahrung hatte. Zum Ende hin kam Valeri Karpin, der lange in Spanien gearbeitet, diese Erfahrungen mit nach Russland genommen und so die Disziplin und taktische Entwicklung der Spieler geschärft hat. Hier in Mönchengladbach war es natürlich Lucien Favre, der vom Fußball-Verständnis her eine ähnliche Denkweise wie ich hat. Wir haben uns einfach super ergänzt. Ich würde sagen, das sind die prägendsten Figuren.


LAOLA1: Verändert sich der Blick auf Österreich, wenn man so wie du seit knapp 20 Jahren weg ist – sei es bezüglich des Fußballs oder anderer Stärken und Schwächen des Landes?

Stranzl: Im fußballerischen Bereich hat man, was man im Ausland so mitkriegt, viel verabsäumt. Das sieht man ja jetzt. Die Nationalmannschaft besteht fast nur aus Legionären, aus der heimischen Liga sind kaum Spieler dabei. Als ich damals weggegangen bin, war es eher ein Kritik-Thema, warum man ins Ausland geht. Ich habe es trotzdem durchgezogen. Mittlerweile ist die Nationalmannschaft so stark, weil wir eben sehr viele Legionäre haben, die in starken Ligen spielen und vor allem regelmäßig spielen. Die österreichische Liga hat dafür in meinen Augen schon vieles verabsäumt. Es ist aber natürlich auch schwierig, weil wir ein kleines Land sind und sicher nicht so viele Möglichkeiten haben wie andere Länder. Trotzdem hätte man da schon besser arbeiten können. Man wird sehen, inwiefern sich die Liga weiterentwickelt. Ansonsten bin ich nicht so häufig zu Hause, meist nur im Urlaub. Darum ist es schwierig, entscheidende Dinge in den Fokus zu rücken – sei es politisch oder wirtschaftlich. Das nehme ich ja auch nur in der Berichterstattung wahr. Da fehlt mir der Einblick.

"Was heißt hinterherhinken? Unsere Mentalität ist ja so. Bisserl lockerer, leiwand, lässig – so wie man es bei uns in Österreich immer sagt. Das ist ja nichts Böses oder Negatives."

Martin Stranzl

LAOLA1: Ich möchte noch einmal beim Legionärs-Thema einhaken. Als du im Nationalteam gespielt hast, warst du einer von einer Handvoll an Legionären. Wie schwierig war es für euch bisweilen, da ihr aus Topligen einen anderen Ablauf gewohnt wart? Emanuel Pogatetz und Paul Scharner haben damals ja deutlich artikuliert, dass man in manchen Bereichen hinterherhinkt.

Stranzl: Was heißt hinterherhinken? Unsere Mentalität ist ja so. Bisserl lockerer, leiwand, lässig – so wie man es bei uns in Österreich immer sagt. Das ist ja nichts Böses oder Negatives. Wenn man die junge Generation angeschaut hat, war es trotzdem irgendwie so: Es geht ja in der Liga mit einem geringeren Aufwand. Warum soll ich mich, wenn ich den Ehrgeiz nicht habe, irgendwo plagen, wenn es so auch geht? Da hat ein bisschen ein Umdenken stattgefunden. Viele Spieler sind dann auch schon in jungen Jahren in andere Ligen gegangen. Folgendes ist ja Fakt: Wenn man heraussticht, aber zu lange auf einem Level hängen bleibt, finde ich halt, dass man sich irgendwann anpasst, auch wenn man selbst ein besseres Niveau hätte. Das ist völlig menschlich und normal. Das ist nichts Böses, das ist einfach so. Wenn man dann vier oder fünf Jahre Erfahrung gesammelt hat und meint: „Okay, jetzt probiere ich es trotzdem“, dann wird es schwer. Man muss sich immer wieder selbst fordern. Aber im Endeffekt hat uns damals, und das ist ja ebenso Fakt, die Qualität gefehlt. Wir waren halt nicht so gut wie die jetzige Nationalmannschaft. Da brauchen wir nicht drum herum reden, die anderen Nationen waren einfach besser. Da kann man noch so viel über Taktik oder Trainingsinhalte philosophieren: Wenn du nicht die Qualität hast und es nicht auf den Platz bringst, bringt ja alles andere auch nichts.

Spiels 2 der Ära Constantini in Serbien war das letzte von Stranzl im ÖFB-Dress

LAOLA1: Es ist natürlich anzunehmen, dass du zu deinem Rücktritt aus dem Nationalteam stehst. Aber bist du so gesehen nicht doch zu früh gegangen? Denn es war absehbar, dass eine Phase des Aufschwungs beginnt, und von der Arbeitsweise her würdest du wohl auch sehr gut zu Teamchef Marcel Koller passen.

Stranzl: Nein, das sehe ich gar nicht so. Ich habe den Schritt ja bewusst gemacht. Man kann es ja genauso ummünzen: Wer weiß, wie es ohne Rücktritt bei Mönchengladbach gelaufen wäre? Denn wenn du in der Nationalmannschaft spielst, hast du noch einmal eine andere Belastung, noch einmal mehr Spiele. Man darf auch nicht vergessen, dass die vielen Reisen aus Moskau dazugekommen sind. Das ist ein wichtiger Faktor. Die Spiele an sich wären nicht so ein Problem gewesen, aber die Leute unterschätzen diesen Reiseaufwand. Die ständigen Flüge sind eine irrsinnige Belastung. Wer weiß, wie es damals hier im Abstiegskampf gelaufen wäre, wenn ich dabei geblieben wäre. Vielleicht hätte ich auch früher aufhören müssen. Das ist natürlich alles hypothetisch. Aber ich glaube, für mich war es nicht der falsche Zeitpunkt, ganz im Gegenteil. Ich glaube, es war der richtige Schritt zum richtigen Zeitpunkt. Es sind ja andere Spieler nachgekommen, die ihre Leistung gebracht haben. Die Nationalmannschaft hat sich für die EURO qualifiziert.

LAOLA1: Welche Rolle hat die Person Didi Constantini bei deinem Rücktritt gespielt?

Stranzl: Er hatte eine andere Auffassung als ich. Wir haben das besprochen. Er hat seine Meinung geäußert, ich meine. Ich habe das dann auch noch einmal mit dem ÖFB besprochen. Daraus habe ich für mich meine Rückschlüsse gezogen und ihm diese auch mitgeteilt. Er hat das akzeptiert. Damit war das Thema dann auch durch.


LAOLA1: Wie geht es bei dir weiter? Ist bezüglich deiner Zukunft schon eine Entscheidung gereift?

Stranzl: Ich habe viele Gedanken im Kopf. Ich werde jetzt sicherlich einmal ein halbes Jahr ein bisschen runterfahren und Energie tanken, um dann eine Entscheidung zu treffen. Ich habe mit dem Verein schon Gespräche geführt, auch in andere Richtungen. Aber das lasse ich in aller Ruhe auf mich zukommen. Ich denke, das wird sich alles irgendwo von alleine ergeben. Wichtig ist es jetzt einmal, mich zu sammeln und dann voller Energie neue Aufgaben anzugehen, und nicht gleich durchzustarten, obwohl ich noch in diesem Thema drinnen bin. Die 20 Jahre zehren ja irgendwo auch an einem. Es ist wichtig, dass die Akkus wieder voll sind.

LAOLA1: Du hast angekündigt, dass du mit deinem Berater Thomas Böhm mit Schlittenhunden durch die Arktis fahren willst. Wird dieses Abenteuer durchgezogen?

Stranzl: Das ist ein Wunschgedanke. Es lässt sich nicht immer alles im Leben realisieren, da erzähle ich nichts Neues. Aber das ist ein Ziel, das in der Planung mit drinnen ist. Wir werden sehen, wie und wann sich das verwirklichen lässt. Wir haben noch genug Lebensjahre vor uns.


Das Gespräch führte Peter Altmann


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