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"Was Darmstadt erreicht, ist wirklich romantisch"

Romantische Naivität, taktische Eigenheiten, Jugendwahn & Pfarrwiesen-Kabinen. György Garics im LAOLA1-Talk:

„Ich habe einen Verein gebraucht, der mir die Freude am Fußball zurückgibt.“

György Garics und der SV Darmstadt 98 haben sich gesucht und gefunden.

Nach neun Jahren in seiner Wahlheimat Italien erlebt der ÖFB-Teamspieler ein neues Abenteuer.

Einen neuen Blickwinkel auf den Fußball, eine neue Facette seines Berufs. Eine neue Gelassenheit, eine Art Urlaub von der Schlitzohrigkeit.

Ein LAOLA1-Interview über die Eigenheiten zweier Fußball-Nationen, romantische Naivität, die eigenen Grenzen, den Champagner von Pep Guardiola, Kabinen wie in der alten Pfarrwiese und neu gemischte Karten im Nationalteam.

LAOLA1: Was macht für dich den Charme der Herausforderung Darmstadt aus?

György Garics: Ich habe in Bologna ein negatives Jahr erlebt. Die Art und Weise, wie das zustande gekommen ist, war sehr bitter. Für mich kann es nichts mit dem Fußballerischen zu tun gehabt haben, denn ich habe ja nicht von einem Tag auf den anderen das Fußballspielen verlernt. Also habe ich gesagt: Bologna ist erledigt, ich brauche eine neue Herausforderung. In den vier Topligen Deutschland, England, Spanien und Italien war ich für alles offen. Dass ich bei dem Jugendwahn, der in Deutschland herrscht, mit 31 noch so eine Möglichkeit bekomme, hätte ich mir nicht erwartet. In meinen Gedanken war es das Land, wo ich gedacht hätte, das wird am schwersten sein. Es ist schnell über die Bühne gegangen, wir haben uns binnen zwei Tagen geeinigt. Es ist die Herausforderung, die ich gesucht habe, und der Verein hat in meiner Person wahrscheinlich jemanden gefunden, den sie wegen meiner Erfahrung in der italienischen Schule für unsere Spielweise gebraucht haben. Ich habe einen Verein gebraucht, der mir die Freude am Fußball zurückgibt. Denn diese letzten sechs Monate waren schon ziemlich hart. Es ist mental nicht leicht zu verkraften, wenn du grundlos ins Abseits gestellt wirst. Natürlich kann man darüber philosophieren, ob man selbst die Geschichte anders sieht, aber wenn du das Jahr davor 34 Mal in der Serie A gespielt hast und das Jahr darauf eine Klasse niedriger nicht spielen kannst, passt das irgendwie nicht zusammen. Dann könnte ich ja auch jetzt in Deutschland nicht Woche für Woche über 90 Minuten meine Leistung bringen.

Darmstadt als Zeitreise in die Vergangenheit des Fußballs

LAOLA1: Du bist ein sehr reflektierender Typ und kannst dir die Situation in Bologna vom Kopf her vermutlich erklären. Aber spielt das Herz auch mit?

Garics: Kopf ist Kopf, Herz ist Herz. Das kann dir in privaten Beziehungen auch passieren, dass du mit dem Herzen noch dabei bist, aber mit dem Kopf nicht mehr – oder umgekehrt. Natürlich ist das nicht einfach. Aber mit dem Alter kannst du bestimmte Dinge auf den richtigen Platz stellen. Das gehört da hin und das dort hin. Dann bekomme ich ein Gesamtbild, was eigentlich passiert ist. Ich muss zugeben, selbst mit über 30 bereitet dir das natürlich Kopfschmerzen. Auch wenn ich inzwischen ein bisschen reifer bin, bin ich ein Mensch. Du wirst ja von Emotionen geleitet, und diese Emotionen richtig zu verwalten, ist nicht immer einfach. Mit dem Alter lernt man, es nicht überzubewerten, wenn man ein bisschen trauriger ist, und nicht vor Freude vom Baum zu hupfen, wenn man wirklich gut drauf ist. Ich habe diese Phase Gott sei Dank gut überbrückt. Jetzt kann ich sagen: Es geht mir wieder gut.

LAOLA1: Der Wechsel zu Darmstadt war diesbezüglich sicher ein wichtiger Schritt. Der Durchmarsch der „Lilien“ aus der Drittklassigkeit in die Bundesliga ist eine bemerkenswerte Geschichte. Experten haben Darmstadt vor Saisonbeginn jedoch nur wenig Chancen gegeben. Trotzdem beweist ihr, dass ihr mithalten könnt. Wie viel Spaß macht es, viele eines Besseren zu belehren?

Garics: Das ist ein Wahnsinn! Ich muss ehrlich sagen, ich habe die Medien in Deutschland gar nicht so genau verfolgt. Aber natürlich kriegst du mit, was von den Zeitungen kommt. Dieses Belächeln, das es anfangs gab, hat sich mittlerweile in Respekt verwandelt. Es ist jetzt nicht mehr so, dass die Leute fragen: „Gegen wen sollen wir gewinnen, wenn nicht gegen Darmstadt?“ Das gibt es zumindest öffentlich nicht mehr. Vielleicht sagen es sich die Gegner innerhalb der Mannschaft immer noch. Aber in der Öffentlichkeit kommt der Respekt schon rüber. Nach Spielen hörst du immer wieder: „Boah, euch ein Tor zu schießen, ist nicht einfach.“ Das macht richtig Spaß! Das hört sich vielleicht komisch an, denn natürlich spielen wir nicht den Fußball, den Bayern München spielt. Aber im Spiel merkst du immer wieder, dass die Gegner keinen Bock mehr haben und ihnen die Ideen fehlen, wie sie durchkommen. Dann denkst du dir, wir machen unseren Job wirklich gut. Wenn du mit unseren Mitteln, mit diesem Kader mit vielen Spielern, die einen Neuanfang gebraucht haben, unsere Ergebnisse einfährst, ist das natürlich toll. Wir freuen uns, auf diese Art und Weise Fußball zu spielen. Natürlich wäre es mir auch lieber, wenn wir ein wenig mehr einen spielerischen Fußball spielen könnten. Nur: Es ist eine Qualität, die eigenen Grenzen zu kennen.

"Wir versuchen mit Wasser zu kochen, aber wirklich nur mit Wasser. Die anderen Mannschaften haben ein paar andere Zutaten dabei, zumindest ein bisschen Salz und Pfeffer"

György Garics

LAOLA1: Inwiefern ist in Darmstadt dieser Realismus Trumpf?

Garics: Wenn man weiß, ich bin zu dem und dem fähig, das mache ich zu 100 Prozent und ich kann damit erfolgreich sein, ist es eine Qualität. Dann ist es keine Schande zu sagen, wir spielen schlechter als die anderen, sondern es ist eben so. Es gewinnt nicht immer der, der besser spielt. Ich weiß, ich kann mit dir über Fußball sprechen. Aber wenn wir jetzt anfangen würden, über Quantenphysik zu reden und ich würde so tun, als würde ich mich auskennen, denkst du dir spätestens bei der zweiten Frage: Was redet der Vollidiot?

LAOLA1: Das größere Problem könnte sein, dass du von mir gar keine gescheite Frage zum Thema Quantenphysik bekommen kannst.

Garics: Wir können gerne ein Thema, bei dem du dich auskennst nehmen und ich nicht. Da bringt es nichts, wenn ich den großen Machatschek raushängen lasse. Da ist es doch schöner, die Hand zu heben: „Tschuldigung, ich kenne meine Grenzen!“ Und wir wissen genau, wo unsere Grenzen liegen. Diese Dinge lassen wir weg. Aber alles andere, was im Fußball möglich ist, natürlich nicht. Das heißt nicht, dass wir in jedem Spiel fünf Rote Karten kriegen. Wir versuchen mit Wasser zu kochen, aber wirklich nur mit Wasser. Die anderen Mannschaften haben ein paar andere Zutaten dabei, zumindest ein bisschen Salz und Pfeffer.

LAOLA1: Und bei Bayern München wird aus dem Wasser Rotwein.

Garics: Pep Guardiola hat Champagner zur Verfügung. Wenn sie nur Wasser hätten, was sind bei allem Respekt wir dann? Ich halte mich für einen guten Fußballer und habe etwas erreicht, aber man muss sich anpassen können. Wenn ich sagen würde, ich will mit Darmstadt groß kombinieren, hinten lasse ich mir vom Tormann den Ball geben und wir kombinieren uns durch, wäre ich ein Idiot. Das weiß ich, das weiß der Trainer, das wissen alle Mannschaftskollegen. Bisher schaut es ganz gut aus, aber die Saison dauert noch lange. Und das Schwierigste im Fußball ist für mich die Kontinuität. Wir stehen gut da, aber es geht natürlich schnell. Wir müssen auf der Lauer sein, um es bis zum Schluss gut hinzubekommen.

"Ich hätte nicht damit gerechnet, mit 31 in Deutschland zu landen. In Deutschland reicht es, wenn du jung bist, dann kriegst du eher eine Chance als ein älterer Gestandener. In Italien ist es genau umgekehrt. Dort zählt die Erfahrung."

György Garics

LAOLA1: Nach neun Jahren in Italien - und man weiß, du liebst die Fußball-Kultur dort - lernst du gerade etwas Neues kennen. Wofür steht für dich der deutsche Fußball?

Garics: Ich habe eingangs erwähnt, dass ich nicht damit gerechnet hätte, mit 31 in Deutschland zu landen. In Deutschland reicht es, wenn du jung bist, dann kriegst du eher eine Chance als ein älterer Gestandener. In Italien ist es genau umgekehrt. Dort zählt die Erfahrung. Ich muss ganz ehrlich sagen: Erfahrung kannst du durch nichts ersetzen. Das merke ich ja selber auch, wenn ich gegen Jüngere spiele. Natürlich kann ich sagen, dass die Verteidiger in Deutschland taktisch nicht so ausgebildet sind wie in Italien. Das ist dort natürlich immer das Um und Auf gewesen. Dafür hast du in Deutschland andere Qualitäten.

LAOLA1: Das Thema Taktik steht in Italien über allem anderen.

Garics: Auf jeden Fall! Das traue ich mich zu sagen. Ich habe zwar nicht in Frankreich, England oder Spanien gespielt, aber wir wissen ja ganz genau, wie hoch die deutsche Bundesliga zurzeit gehandelt wird. Diese Qualität bestätigt sich auch. Aber auf andere Art und Weise. In Italien findest du die Herangehensweise von Darmstadt auch bei größeren Mannschaften – nur haben die natürlich auch Qualität, die können schon auch Fußball spielen. Selbstverständlich sehe ich das auch mit den Augen eines Verteidigers und nicht als Stürmer. Ich habe immer wieder gesagt: Der italienische Fußball ist für mich nicht der Schönste, aber der Schwierigste. Der deutsche Fußball ist viel schöner. Es ist wirklich Fußball spielen. In Italien ist es Fußball planen. Die Kunst des Verteidigens, alles wird millimetergenau ausgerechnet. Das ist natürlich weder für den Fußballer noch für den Zuschauer so schön. Fürs Auge ist der deutsche Fußball viel besser, es geht rauf und runter. Andererseits muss ich das Beispiel von unserem 2:2 bei Borussia Dortmund hernehmen. Da haben wir in der 92. Minute ausgeglichen. Das passiert in Italien nicht. Und wenn es passiert, sitzen nachher der Trainer und die Spieler bei der Pressekonferenz und werden beschossen. Aber das ist eben die Philosophie, die der deutsche Fußball mitbringt. Du weißt ganz genau: Bis zum Schluss kann etwas passieren, und man hat mehr Spaß. Als Kleiner denkst du dir natürlich: Super! Aber wenn ich mit meinem italienischen Kopf denke: So etwas ist dort unmöglich.

Für das Auge ist der Fußball in Deutschland laut Garics der schönere

LAOLA1: Wie wichtig ist es für dich, im Herbst der Karriere noch einmal solche neuen Erfahrungen in einem anderen Land zu machen?

Garics: Ich bin schon ewig in Italien, meine Frau ist von dort und ich werde nach meiner Karriere wahrscheinlich teilweise dort leben. So ein großer Italien-Fan ich auch sein mag, dass ich diese Erfahrung mitnehmen kann, ist Gold wert. Vor dem Fernseher kann man nichts vergleichen. Man muss es am eigenen Leib erfahren und diese Möglichkeit habe ich in Darmstadt. Ob Darmstadt, Dortmund oder Bayern: Du spielst deutsche Bundesliga. Und die kann ich nun von innen erleben. Und es geht mir gar nicht darum zu fragen: Ist das eine besser oder schlechter? Ich lerne einfach eine neue Kultur kennen. Du schreibst für LAOLA1. Sagen wir, nächste Woche ruft ESPN an und du kannst dort berichterstatten. Es ist zwar das Gleiche, aber doch etwas ganz anderes. Solche Erfahrungen sammeln zu können, ist doch das Schönste, das einem passieren kann. Ich werde dafür bezahlt, und ich sehe ein Land, das ich wahrscheinlich selbst nie erlebt hätte. Ich sehe den gleichen Sport, den ich schon seit Jahren betreibe, aus einem anderen Blickwinkel und in einem Land, wo er ganz anders gelebt wird. Auch wenn wir von den Bedingungen her sicherlich noch ein bisschen ein „Schwarzes Schaf“ sind. Wenn man die Bedingungen in Deutschland und Italien vergleicht, ist es die eine Sache. Wenn man jedoch die Bedingungen in Rest-Deutschland und Darmstadt vergleicht, ist es wieder etwas anderes. Das hat mich gereizt. Die „Naivität“ und Einfachheit in Darmstadt sind fast schon romantisch.

LAOLA1: Die Bedingungen in Darmstadt sind in Deutschland eher die Ausnahme. Ansonsten lebst du jetzt eher in einer sterilen Fußball-Welt mit vielen Stadion-Tempeln. Aus Italien bist du anderes gewohnt. Taugt dir das?

Garics: Die Bedingungen waren ein Mitgrund, warum ich vorab nach Darmstadt gefahren bin. Deswegen wollte mich der Trainer vorher sprechen. Er wollte weniger wissen, was ich als Fußballer mitbringe – Statistiken sagen zwar wenig aus, aber einer, der eine bestimmte Anzahl an Jahren auf hohem Niveau gespielt hat, wird wahrscheinlich auch für Darmstadt in Ordnung sein. Er wollte vielmehr wissen, wie ich als Mensch bin. Ich habe mir gedacht: Okay, fahren wir nach Deutschland, dort erwarten dich diese riesigen neuen Stadien, alles ist perfekt. Dann kommst du nach Darmstadt und du glaubst du bist Back to the Roots in Ungarn bei Haladas. Das Böllenfalltor ist ein altes Stadion mit 17.000 Plätzen – davon 3000 Sitzplätze und 14.000 Stehplätze. Das Stadion ist wirklich saualt. Die Kabinen sind ein bisschen wie im alten Rapid-Stadion vor dem Hanappi, der Pfarrwiese. Die Tribünen sind offen und breit, ähnlich wie bei der Vienna auf der Hohen Warte. Aber: Samstag, volle Hütte, alle für uns! Da geht die Post ab! Die Gegner, die die modernen Arenen gewohnt sind, denken sich: „Was machen wir hier? Machen wir das Spiel und fahren wir wieder nach Hause.“ Das ist ein Riesen-Vorteil für uns! Dazu macht ihnen unser Fußball keinen Spaß. Uns macht es Spaß! Ich bin natürlich in Italien auch nicht die besten Stadien gewohnt gewesen, aber dort wurde dir trotzdem immer alles zur Verfügung gestellt. Hier musst du wirklich für jede Kleinigkeit kämpfen und auch alleine viel dazu machen. Ich denke, da kommt es sehr auf die Person an, die hinter dem Fußballer steckt. Ich bin zwar Fußballer, aber für mich war immer das Wichtigste, dass ich Mensch bleibe und als solcher akzeptiert werde. Um unter solchen Bedingungen zurecht zu kommen, gehört dazu, dass du immer am Boden geblieben bist. Das war für mich nie ein Problem.

Garics über das Böllenfalltor: "Samstag, volle Hütte, alle für uns!"
LAOLA1: In Deutschland geht im Normalfall alles eher korrekt ab. Vermisst du hin und wieder die Schlitzohrigkeit, für die Italien steht, oder bist du froh, davon eine Auszeit zu haben?

Garics: Beim Spielen merkst du das und auch rundherum muss man ein bisschen aufpassen, was passiert. Vermissen tue ich es in dem Sinn aber nicht, weil leider Gottes öfter auch negative Gedanken dahinter sind – vor allem, wenn es um so viel geht wie heutzutage im Fußball. Ich denke, dass da die Menschen noch etwas dazulernen könnten. Das Leben wird immer mehr so, dass der weiterkommt, der nicht nur Qualität sondern auch – und ich meine das gar nicht negativ – Schlitzohrigkeit mitbringt. Das brauchst du schon in Italien. Vielleicht ist diese neue Gelegenheit genau das, was ich nach diesen neun Jahren gebraucht habe, dass ich das Ganze einmal ein bisschen ruhiger und gelassener angehen kann. Vor allem nach meinen letzten Erlebnissen dort. Davon profitiere ich. Dieser Druck und dieses Aufpassen wegen jeder Kleinigkeit fallen weg. Das gibt mir die Freiheit, wieder mein Ding zu spielen und Woche für Woche das Beste rauszuholen. Druck gehört dazu, Druck erzeugt Konkurrenz, Konkurrenz verbessert dich und die Mannschaft. Aber wenn man eine gewisse Gelassenheit mit sich bringen kann, ist das schon sehr wertvoll. Wenn ich in Darmstadt bin, kommt es mir ein bisschen wie „Urlaub“ vor, weil es dir so gut geht.

LAOLA1: Darmstadt hat ein Fußball-Märchen geschrieben, wie man es in der heutigen Zeit kaum mehr für möglich hält. Wie groß ist da der Druck, den Klassenerhalt schaffen zu müssen?

Garics: Darmstadt ist ein wirklich sympathischer Verein. Es ist ja auch wirklich romantisch, was sie erreicht haben. Ein kleines Märchen und alle zwei Wochen ist Kirtag in Darmstadt. Diesen Druck machen wir uns mittlerweile selber, nicht das Drumherum. Das hat sich nicht geändert und darf sich auch nicht ändern. Nur weil der Start gut gelaufen ist, darf es jetzt nicht „unbedingt“ heißen. Natürlich wollen wir unbedingt drinnen bleiben, das ist ein Riesen-Ziel, und wenn wir es schaffen könnten, wären wir wahrscheinlich die Helden. Wir werden versuchen, alles herauszuholen.

LAOLA1: In Italien warst du als Nationalspieler alleine. Wie ist es eigentlich, nun beinahe Woche für Woche auf ÖFB-Kollegen aus anderen Vereinen zu treffen?

Garics: Ich muss ganz ehrlich sagen: Wir sehen uns im Nationalteam so oft, da habe ich sie in den letzten Jahren nicht vermisst… (lacht) Vor allem im Herbst bist du jeden Monat zehn Tage zusammen. Da bist du ja fast schon mehr beim Nationalteam als daheim. Wir Nationalspieler haben ja auch außerhalb des Platzes Kontakt. Wenn wir gegeneinander spielen, denke ich jedoch nicht darüber nach. Das interessiert mich nicht. Da sind wir alle Profis genug, wobei es nett ist, nach dem Spiel ein paar Wörter wechseln zu können. Ich verstehe jetzt auch, warum viele von der Bundesliga schwärmen.

"Ich möchte auch beim Nationalteam meine Karten noch einmal neu mischen."

György Garics

LAOLA1: Wie wichtig war der Wechsel nach Darmstadt im Hinblick auf das Nationalteam?

Garics: Der Wechsel war sicherlich die beste und richtige Entscheidung. Der Verein ist zufrieden, und auch der Teamchef ist zufrieden, dass ich wieder zu meinen Einsätzen komme. Ich habe immer gesagt: Ich möchte auch beim Nationalteam meine Karten noch einmal neu mischen. Wenn ich noch ein Jahr in Bologna geblieben wäre, wäre es vielleicht schwieriger geworden, kontinuierlich dabei zu sein. Dann hätte ich dem Teamchef gegenüber auch nichts in der Hand, um zu sagen: Ich bin auch noch da und möchte meinen Teil beitragen. Wobei er an fast jedem von uns bei Negativphasen im Verein festgehalten und uns Vertrauen geschenkt hat. Dennoch brauchte ich etwas, das es mir ermöglicht, bei der EM dabei sein zu können und dort eventuell wieder bessere Karten zu haben, von Beginn an zum Zug zu kommen.

LAOLA1: Was in der EM-Quali nie der Fall war.

Garics: Im Fußball ist man mal oben, mal unten. Obwohl ich meine Situation nicht als unten bezeichnen würde. Denn der Teamchef hat mir immer das Gefühl gegeben, dass ich dazugehöre. Die Jungs sowieso. Das ist keine Mannschaft mehr, das ist mittlerweile eine Familie. Auch wenn man nicht von Beginn an spielt, fühlt man sich wichtig und als Teil der Mannschaft. Natürlich möchte ich spielen, so wie jeder von uns, das ist eh klar. Ich weiß ganz genau, dass es genauso wie es jetzt in die eine Richtung gegangen ist und ich nicht mehr von Beginn an dran war, wieder in die andere Richtung gehen kann. Bis Juni ist noch viel Zeit. Ich bin froh, dass ich dabei bin, aber nicht so froh, dass ich Danke sagen muss, dabei sein zu dürfen. Ich habe immer meine Leistung gebracht. Ich bin kein 18-Jähriger, der reinschnuppert, sondern habe einige Jahre auf höchstem Niveau gespielt. Zuletzt hatte ich eine Negativphase, aber das bringt dich weiter. Man lernt aus den negativen Sachen viel mehr als aus den positiven. Das kann ich zu 100 Prozent sagen.


Das Gespräch führte Peter Altmann

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