Es ist höchste Zeit! Und zwar im doppelten Sinn.
Einerseits, dass Österreich endlich in die EURO 2016 eingreift. Im Vorfeld des Auftakts gegen Ungarn ist inzwischen wirklich alles gesagt, geschrieben, analysiert und prophezeit. Es bleibt nur noch, viel Glück zu wünschen. Zeigt einfach genau das, was ihr drauf habt!
Andererseits, dass diese ÖFB-Generation endlich ihren großen Tag erlebt. Diesen speziellen Moment. Dieses Gänsehaut-Feeling. Das erste Turnier-Spiel nach aus eigener Kraft geschaffter Qualifikation in diesem Jahrhundert.
Die Zeit dafür war überreif.
Rund um solch einschneidende Daten neigt man dazu, ein wenig zu reflektieren. Aus persönlicher Sicht war und ist es höchstinteressant, den Reifeprozess dieser Mannschaft mitzuverfolgen. Wenn man einige ÖFB-Kicker, die den 30er inzwischen bereits gefeiert haben oder selbigem immer näher kommen, seit ihren späten Teenager-Tagen begleitet, weiß man, wie viel Arbeit im letzten Jahrzehnt dahintergesteckt hat, um dieses Ungarn-Spiel zu ermöglichen.
Die Hoffnung: Im Idealfall geht die Arbeit jetzt erst richtig los. Im Idealfall ist dieser 14. Juni 2016 nämlich eine Zäsur. Im Idealfall ist Österreich ab heute eine Turniermannschaft, und zwar im Sinne eines Immerwieder-Gasts und nicht nur eines Alle-8-Jahre-Teilnehmers.
Möglich ist es. Das Potenzial ist da. Sowohl für diesen Kader, der bis auf wenige Ausnahmen wohl auch – bereichert durch eine Endrunden-Erfahrung - die WM-Qualifikation in Angriff nehmen wird, als auch durch diverse Nachrücker, die bereits in den Startlöchern scharren. Shootingstar Alessandro Schöpf sollte nur der Vorbote der Next Generation sein, die auf dem Weg dieses ÖFB-Teams aufbauen sollte, ja eigentlich sogar muss.
Dieser Weg war beileibe kein leichter. Ein kurzes Zeitraffer-Brainstorming durch das letzte Jahrzehnt:
2006: Mit Junuzovic, Janko, Fuchs und Garics feiern die ersten Mitglieder dieses EURO-Kaders ihr Länderspiel-Debüt.
2007: Platz vier bei der U20-WM deutet an, dass der radikale Umbruch in der Nachwuchsförderung Früchte trägt.
2008: Die Heim-EURO kommt für die damalige Mannschaft trotzdem viel zu früh.
2009: Ein „Feuerwehrmann“ legt mehr fußballerische Brände, als er löscht.
2010: Taktik wird überwertet.
2011: Das nächste verlorene Jahr endet mit jenem Schweizer Fundstück, das ein gewonnenes Jahrzehnt mit sich bringen sollte.
2012: Taktik wird nicht mehr überbewertet, sondern intensiv trainiert.
2013: Die neu entfachte Euphorie wird in Stockholm auf brutalste Art und Weise im Keim erstickt. Im Rückspiegel ein Negativerlebnis, durch das sich diese Mannschaft neu erfunden hat.
2014: Fokus, Ergebnisorientierheit und Von-Spiel-zu-Spiel-Denken werden nun bedingungs- und gnadenlos umgesetzt.
2015: Stockholm war diesmal mehr als eine Reise wert.
Ich bin selbst schon mehr als gespannt, was uns allen einmal zu 2016 einfallen wird. Dies entscheidet sich in den kommenden Wochen. Überschwängliche oder gar unrealistische Prognosen wie Forderungen verkneife ich mir bekanntlich. Es kommt ohnehin, wie es kommt.
Ich begreife diese EURO aber definitiv nicht als Ziel, sondern als Start einer neuen Etappe.
Sicherlich steht und fällt zumindest kurzfristig vieles mit dem Abschneiden bei dieser Europameisterschaft, aber weitergehen wird der Weg so oder so, und es müsste schon besonders blöd zugehen, wenn es kein guter wird. Aber schöner wäre natürlich, wenn der Frankreich-Ausflug ein Turbo-Boost statt einer Bremse für die Zukunft wäre.
Diese EURO ist davor der Moment, um innezuhalten. Um zu lachen, zu weinen, zu zittern, zu jubeln, sich zu ärgern, meinetwegen im positiven Sinne völlig durchzudrehen, was auch immer, wie auch immer, wo auch immer.
Fußball-Österreich steht vor einem ungewohnten Gemeinschafts-Erlebnis. Fußball-Österreich darf endlich wieder einmal vor einem Turnier-Spiel so richtig nervös sein. Fußball-Österreich wird emotional sein. Vielleicht wird Fußball-Österreich auch größer und spricht neues Publikum an, wichtig wäre es. Fußball-Österreich sollte diese kommenden Tage und hoffentlich Wochen schlicht und ergreifend genießen.
Dabei wünsche ich uns allen viel Spaß. Vor allem den Spielern. Noch einmal: Zeigt einfach genau das, was ihr drauf habt!
Es ist höchste Zeit! Es ist eure Zeit. Und es ist auch unsere Zeit.