Nach dem 1:2 gegen Island, das das EURO-Aus Österreichs besiegelte, spricht ÖFB-Teamchef Marcel Koller auch über die überraschende Systemumstellung (u.a. Dreierkette).
Für den Schweizer hatte diese keine Auswirkung auf die Niederlage: „Das hat nichts mit dem System zu tun, sondern mit Hektik und Nervosität.“
Die nüchterne EM-Bilanz des Schweizers: „In Hälfte zwei haben wir so gespielt, wie wir das in der Qualifikation gezeigt haben. Aber eine gute Hälfte im Turnier hat leider nicht gereicht.“
Mit dieser Leistung schied Österreich bei der EURO aus:
Koller hat mit seiner Aufstellung nicht nur ganz Österreich überrascht, Island-Coach Heimir Hallgrimsson gestand nach der Partie: „Wir haben Janko erwartet, Harnik ebenfalls. Auch das System haben wir nicht erwartet. Ja, wir waren überrascht, aber am Feld hat man, so denke ich, nichts davon gemerkt.“
Verlief Hälfte zwei wie auf einer schiefen Ebene aufs Tor der Isländer, dominierte bei Österreich davor die durch die EURO begleitende Nervosität. „Wir konnten nicht den Druck aufbauen, den wir wollten“, so Koller, der sich eingestehen muss: „Wir haben gesehen, dass man absolut topfit sein muss, um hier mithalten zu können. Diese Erfahrung können die Spieler in ihre weitere Karriere mitnehmen.“
Den Umstand, dass man nach der neuerlichen Systemumstellung in Hälfte zwei plötzlich wie verwandelt spielte, kommentierte Koller wie folgt: „Ja, es hat funktioniert. Aber leider erst das erste Mal in diesem Turnier.“
Der Dauerdruck, den Östereich in Hälfte zwei fabrizierte, zerbrach meist an der isländischen Menschenmauer. Nach dem Ausgleich beschränkten die Skandinavier ihr Spiel darauf, das Remis nach Hause zu spielen. Ein Durchkommen war da nur selten möglich. Österreich konnte nur einmal jubeln.
Pechvogel des Spiels war Aleksandar Dragovic.
Der Innenverteidiger setzte in Hälfte eins einen Elfmeter nur an die Außenstange. Vorwurf bekam er keinen zu hören: „David und Drago haben sich ausgemacht, wer schießt. Drago hat die Verantwortung übernommen. Einen Elfmeter kann man verschießen. Ich mache ihm keinen Vorwurf“, so die Worte, die Dragovic vorerst sicher nicht trösten können.
Von Pech möchte Koller nichts wissen. Auch wenn in Hälfte zwei ein elferreifes Foul an Sabitzer ungeahndet blieb. Etwas sauer stieß ihm hingegen das Zeitspiel des Gegners auf: „Islands Torhüter hat sich nach dem 1:0 bei jedem Abstoß sehr viel Zeit gelassen. Das man da erst in der 81. Minute auf Zeitschinden und Gelb entscheidet, ist dann doch reichlich spät.“
Ein Ärgernis, aber keine Ausrede fürs Scheitern.
Wenigstens Alessandro Schöpf hat einen Grund zum Jubeln:
Des einen Leid, des anderen Freud. Während 30.000 Österreicher frustiert die Heimreise antreten mussten, jubeln 10.000 Isländer.
„Unglaublich“, so „Man of the match“ Kari Arnason mit Humor: „So viele Leute aus unserem Land. Ich glaube, ich kenne da jeden zweiten persönlich.“ Trainer Hallgrimsson ist sich der Tragweite dieses Erfolgs für sein Land bewusst. Der Teamchef ebenso pointiert: „Ich glaube, unser Nationalfeiertag wird ab sofort auf den 22. Juni verlegt.“
Während Island sich jetzt einen Traum erfüllte und im Achtelfinale auf England trifft, tritt Österreich die Heimreise an.
Den Rest der Euro können Alaba & Co. nur mehr vor dem Fernsehgerät verfolgen. Tröstlich für Koller: „Es war wichtig für uns diese Erfahrungen zu sammeln. Mein Fazit: Bei einer EM gibt es keine schlechten Teams. Da musst du hellwach und fokussiert sein. Dieses Mal ist uns das leider nicht gelungen.“
Das EM-Abenteuer ist für Österreich zu Ende. Jetzt heißt es die Enttäuschung rasch zu überwinden und frisch gestärkt in die WM-Qualifikation zu starten.
Claus Schlamadinger