news

Wie "Papa" Pioli den AC Milan zurück an die Spitze führte

Noch vor seiner Ankunft in Mailand wurde sein Rauswurf gefordert, nun ist der Emilianer drauf und dran, die "Rossoneri" zurück auf den Fußball-Olymp zu bringen.

Wie Foto: © getty

Vor ziemlich genau drei Jahren lag der große AC Milan am Boden.

Aufgrund von Verstößen gegen das Financial Fairplay vom Europacup ausgeschlossen mussten sich die "Rossoneri" in der Saison 2018/19 ganz auf die italienische Meisterschaft konzentrieren, in der sie nach elf Spieltagen mit nur 13 Zählern am Konto Anfang November 2019 den schwachen 14. Zwischenrang belegten.

Der damalige Coach wurde nur Wochen zuvor installiert, galt eigentlich schon bei seinem Amtsantritt als angezählt und legte mit nur einem Sieg aus den ersten sieben Serie-A-Runden einen absoluten Fehlstart hin.

Nun, fast auf den Tag genau drei Jahre später ist exakt jener Coach der frischgebackene Trainer des Jahres in Italien, nachdem er die Mailänder zum ersten Scudetto seit elf Jahren führte und nur mehr ein Remis davon entfernt ist, den AC Milan erstmals seit 2014 in die Runde der letzten 16 der UEFA Champions League zu befördern: Stefano Pioli.

LAOLA1 stellt den 57-jährigen Italiener und seinen unwiderstehlichen Weg an die Spitze des Weltfußballs vor dem alles entscheidenden Duell seines AC Milan gegen den FC Salzburg am Mittwoch (21 Uhr im LIVE-Ticker) etwas genauer vor:

Pioli hält Altersrekord bei Juventus

Ein Trend, der sich schon seit jeher durch Piolis Laufbahn im Fußball zog, ist, dass es im professionellen Leben des 1965 in Parma geborenen Emilianers nicht immer nur nach oben ging, sondern ihn ständige Rückschläge begleiteten.

Bei seinem Heimat- und Herzensverein Parma Calcio machte Pioli seine ersten Schritte im Profifußball, ehe er gerade mal 18-jährig von Juventus Turin verpflichtet wurde. Bei der "Alten Dame" konnte der junge Abwehrmann auf Anhieb überzeugen und avancierte prompt zum Stammspieler.

Auch im europäischen Bewerb setzte der damalige Juve-Trainer Giovanni Trapattoni auf Pioli und bescherte ihm in der ersten Runde des Europapokals der Landesmeister einen klubinternen Rekord, der bis heute Bestand hat:

Mit nur 18 Jahren und 335 Tagen gab Pioli sein Startelfdebüt im Europacup und ist damit der bis heute jüngste Juve-Kicker, der jemals im höchsten europäischen Bewerb in einer Startelf stand.

Nie mehr so gut wie mit 18

Kurz darauf erwischte Pioli in Form von seiner ersten schwereren Verletzung der erste von vielen noch folgenden Rückschlägen in seiner Karriere. Der zumeist als "Stopper", italienisch für Innenverteidiger, eingesetzte damalige italienische U21-Teamspieler konnte seinen Stammplatz in Turin nie wieder zurückerobern und musste den Klub nach drei Jahren verlassen.

Nachdem er mit Juventus – zwar nur als Ergänzungsspieler, aber immerhin – 1985 den Europapokal der Landesmeister und ein Jahr später den Scudetto gewinnen konnte, sollte es das mit den großen Trophäen für den Spieler Pioli gewesen sein.

Bei Hellas Verona und der Fiorentina spielte Pioli in den kommenden Jahren mit einer Ausnahme stets in der Serie A und erreichte mit den Florenzern 1990 sogar das UEFA-Cup-Finale – welches ironischerweise gegen Juventus Turin verloren ging -, fehlte im Endspiel gegen seinen Ex-Klub aber wie so oft in dieser Phase seiner Karriere aber verletzt.

Trotz seiner Verletzungsanfälligkeit brachte er es immerhin auf 185 Spiele für die Toskaner – das wohl einschneidendste davon absolvierte er am 6. November 1994.

Als Piolis Herz aufhörte zu schlagen

Pioli, der mit der Fiorentina nach dem ersten Abstieg in die Serie B seiner Karriere wenige Monate vor diesem düsteren November-Tag den sofortigen Wiederaufstieg schaffte, wurde beim Heimspiel gegen den AS Bari so heftig vom gegnerischen Stürmer Igor Protti an der Schläfe getroffen, dass er einen Herz-Kreislauf-Stillstand erlitt.

Als ich wieder zu Bewusstsein kam, habe ich sofort gefragt, ob wir in der Serie A oder in der Serie B spielen

Stefano Pioli nach seinem Herzstillstand

Zurückgeholt ins Leben wurde der damals 29-Jährige vom Florenzer Klubarzt, der rasch den Ernst der Lage begriff und eine Herzmassage einleitete, während ein Masseur die Mund-zu-Mund-Beatmung übernahm. Erinnerung an dieses traumatische Ereignis hat Pioli nicht.

"Nein, ich weiß nicht, was mit mir passiert ist. Als ich wieder zu Bewusstsein kam, habe ich sofort gefragt, ob wir in der Serie A oder in der Serie B spielen", wurde der Fußballverrückte, in dessen Leben sich bis heute alles um seinen Job dreht, einen Tag nach dem Vorfall von der italienischen Tageszeitung "La Repubblica" zitiert.

Pioli erholte sich glücklicherweise rasch von dieser Nahtod-Erfahrung und stand nur 24 Tage später schon wieder 90 Minuten in einem Pflichtspiel auf dem Feld. Die Zeiten waren andere.

Irre Verletzungshistorie verhinderte große Spielerkarriere

Gänzlich der Alte war Verteidiger danach aber nicht mehr. 1995 wechselte Pioli zu Calcio Padua, stieg zum zweiten Mal in seiner Karriere ab und trat im Jänner 1997 mit einem Transfer nach Pistoia sogar den Gang in die Serie C an. Die Karriere des einst so talentierten Verteidigers war mit Anfang 30 faktisch beendet, nach zwei weiteren Karrierejahren in der emilianischen Regionalliga war sie das auch offiziell.

Vier Mittelfußfrakturen, die letzte mit notwendigem Knochentransplantat, ein Schulterbruch, mehrere gerissene Bänder und schlussendlich auch ein Herzstillstand sorgten dafür, dass Pioli als Spieler niemals sein Potenzial und damit die Spitze des Weltfußballs erreichen konnte.

Und auch im Trainerbereich hätte ihm das in Fußball-Italien wohl lange niemand zugetraut. Piolis Umstieg an die Seitenlinie erfolgte nur ein Jahr nach seinem Karriereende – bis diese zweite Karriere-Laufbahn aber so richtig ins Laufen kam, dauert es über ein Jahrzehnt.

Piolis Anfänge als "Mann mit dem rosa Blatt"

Stefano Pioli in seinen jungen Trainerjahren
Foto: © getty

Als Jugendtrainer beim FC Bologna und Chievo Verona schnupperte der Emilianer Anfang des neuen Jahrtausends erste Erfahrung im Trainerbereich, ehe er 2003 beim US Salernitana erstmals in der Serie B eine Chance bekam.

Beim Team aus Kampanien, das damals nur aufgrund der Serie-B-Erweiterung auf 24 Teams nicht den Abstieg in die Drittklassigkeit antreten musste, suchte man damals nach einem neuen Trainer. Während Präsident Aniello Aliberti ursprünglich eine erfahrene Lösung präferierte, ließ er sich schlussendlich umstimmen und installierte mit Pioli einen völlig Unbekannten.

"Ich erinnere mich noch an das erste Treffen: Er hat nicht mehr als fünf Worte gesagt", blickte der mittlerweile längst zurückgetretene Präsident in der "Gazzetta dello Sport" einmal zurück. Trotz Piolis Wortkargheit verschaffte Aliberti dem damals 38-Jährigen seinen ersten Job als Profitrainer und verpasste ihm nur wenige Monate später den wenig rühmlichen Spitznamen "Il mister con il foglio rosa" – auf deutsch "Der Mann mit dem rosa Blatt" –, der Pioli länger nachhing.

Als foglio rosa wird in Italien der Probeführerschein für Straßen-Neulinge bezeichnet. Da Pioli zu diesem Zeitpunkt noch keinen Führerschein hatte und der Trainerjob in Salerno sein allererster war, durfte man den von Aliberti erdachten Spitznamen durchaus doppeldeutig verstehen.

Die 17-tägige Entlassung in Modena

Piolis "Übungsfahrt" im Profigeschäft mit Salernitana verlief mühsam – zwischenzeitlich forderten die kampanischen Fans seinen Rücktritt und der Trainernovize kam diesen Forderungen sogar nach, doch Aliberti weigerte sich, denselbigen anzuerkennen –, schlussendlich konnte er das heutige Team von ÖFB-Legionär Flavius Daniliuc aber vor dem Abstieg retten.

Trotzdem trennten sich nach der Saison 2003/04 die Wege von Salernitana und Pioli, und Letzterer heuerte beim FC Modena an. Mit den "Canarini" schrammte er in seinem ersten Jahr knapp an den Aufstiegs-Playoffs vorbei und war auch in seiner zweiten Saison in Modena gut unterwegs, ehe er Anfang 2006, nach einer kurzen Schwächephase, die erste Entlassung seiner noch jungen Karriere hinnehmen musste – es sollte bei Weitem nicht die letzte bleiben.

Nach gerade einmal 17 (!) Tagen wurde sein Nachfolger Maurizio Viscidi allerdings schon wieder rausgeworfen und der Job wanderte zurück zu Pioli. In weiterer Folge scheiterte Modena knapp am Aufstieg in die Serie A, Pioli durfte trotzdem endlich auch als Trainer ins italienische Oberhaus.

Zeit bei Heimatklub Parma bis heute "eine Enttäuschung"

Der gebürtige Parmaer bekam 2006 nämlich die Chance bei seinem Jugendklub Parma Calcio – und scheiterte krachend. Nach nur einem halben Jahr musste Pioli seinen geliebten Verein schon wieder verlassen, nachdem er aus den ersten 21 Serie-A-Runden nur drei Siege mitnehmen konnte.

"Parma bleibt für mich eine Enttäuschung, ich hätte diese Erfahrung gerne anders gemacht, aber es hat geholfen zu werden, was ich heute bin, mit dem Wunsch zu wachsen und mich zu verbessern", blickt Pioli aus heutiger Sicht positiv auf diese schwierige Zeit zurück.

Nach einem halben Jahr Abstand vom Trainergeschäft startete der zu diesem Zeitpunkt 41-Jährige mit dem US Grosseto neu in der Serie B durch und heuerte 2008 schließlich bei Piacenza Calcio an.

Wolf schwärmt: "Wie ein Vater"

Daniel Wolf (rechts im Bild) kickte ein Jahr unter Pioli bei Piacenza
Foto: © getty

Dort traf er unter anderem auf den ehemaligen ÖFB-Legionär Daniel Wolf, der noch heute ins Schwärmen gerät, wenn er nach Pioli gefragt wird.

"Er ist menschlich top, einer der besten Trainer, die ich je hatte. Sein Erfolgsrezept ist, dass er sehr nahe an der Mannschaft ist und dass er ihr das Gefühl gibt, wie ihr Vater zu sein. Man denkt sich: Der ist einer von uns, für den gibst du dein letztes Hemd", so Wolf gegenüber LAOLA1.

Auch taktisch kann der heute 37-Jährige, der seine Karriere nebenberuflich beim SC Ritzing ausklingen lässt, (fast) nur positive Dinge berichten: "Bei ihm ist man das Training 30 Minuten vorher an der Taktiktafel durchgegangen. Er hat dich gefragt, wo du stehst, wenn der Ball hier ist, und dann hast du auf der Tafel verschieben müssen. Wenn das einen Zentimeter daneben war, hat er dich korrigiert."

Lachender Nachsatz: "Teilweise war es wirklich mühsam, aber der italienische Fußball ist extrem von Taktik geprägt und er hat das natürlich auch gelebt. Für ihn ist Taktik sehr, sehr wichtig."

Bei ihm ist man das Training 30 Minuten vorher an der Taktiktafel durchgegangen. Er hat dich gefragt, wo du stehst, wenn der Ball hier ist, und dann hast du auf der Tafel verschieben müssen. Wenn das einen Zentimeter daneben war, hat er dich korrigiert

Daniel Wolf über Pioli

Als Pioli Wolf das Vertrauen in seinen Körper zurückgab

Als Wolf sich im November 2008 einen offenen Bruch der Kniescheibe zuzog, war Pioli der Erste, der ihn im Spital besuchte, um ihn wieder aufzubauen.

Der Mittelfeldspieler erholte sich bis zum Ende der Saison 2008/09 nicht vollständig von der Horrorverletzung, trotzdem wollte Pioli ihm im letzten Saisonspiel unbedingt noch einen Einsatz schenken – und tat dies mit einer Einwechslung zur Halbzeit auch.

"Nach dem Spiel ist er gleich zu mir gelaufen, hat mich umarmt und hat mir das Gefühl gegebenen, dass ich wieder zurück, wieder fit bin. Ich habe so eine Freude gehabt und bin so in die Sommerpause gegangen, dass ich mir gedacht habe: 'Geil, du bist zurück und kannst die Vorbereitung mit der Mannschaft starten.' Und das war sein Ziel. Normalerweise hätte er mich nicht spielen lassen dürfen, weil ich erst viel zu kurz wieder im Training dabei war. Aber ihm war wichtig, mir das Gefühl zu geben, dass ich wieder zurück bin. Das sagt schon viel über einen Menschen und einen Trainer aus, wenn er das berücksichtigt", schwärmt Wolf.

Ähnlich positive Worte begleiten Pioli während seiner gesamten Karriere – doch dazu später mehr. Denn so gut der emilianische Menschenfänger bei seinen Spielern ankam und -kommt, so schwierig gestaltete sich seine Trainerkarriere in den folgenden Jahren sportlich.

Rauswurf vor dem Saisonstart: "Nicht mein Problem"

Nach seiner einjährigen Amtszeit Piacenza hieß Piolis folgender Schritt US Sassuolo. Nachdem er dort 2010 nur knapp den sportlichen Aufstieg in die Serie A verpasste, schaffte er diesen dank eines Jobwechsels zu Chievo Verona erneut trotzdem. Dort überzeugte der Wandervogel so sehr, dass er nach nur einem Jahr zum Palermo FC weiterzog – was in einem Desaster endete.

Schon Ende August 2011, also noch vor dem Saisonstart der Serie A, wurde Pioli nach einem blamablen Aus in der Europa-League-Qualifikation gegen den FC Thun von der sizilianischen Klubführung gegangen. "Wenn ein Trainer nach 50 Tagen ohne ein Ligaspiel entlassen wird, ist das nicht sein Problem, sondern das von jemand anderem", nahm Pioli seinen Rauswurf damals nicht allzu schwer.

Allerdings verfolgte den Taktikfuchs in weiterer Folge so etwas wie ein Fluch. Bei seiner nächsten Station, dem FC Bologna, dauerte es knapp mehr als zwei Jahre bis zu seinem Rauswurf, bei der darauffolgenden, Lazio Rom, etwas weniger als zwei Jahre.

Trotz der vielen Rückschläge konnte Pioli während dieser Phase seiner Karriere auf sich aufmerksam machen und so den bisher größten Job seiner bisherigen Karriere landen: Ausgerechnet bei Inter Mailand.

Pioli ein Interista? "War ein molliger 13-Jähriger"

"Meine Familie sind alle Inter-Fans. Dann hat mich mein Beruf woanders hingeführt, aber Inter war immer mein Glaube", verkündete Pioli im November 2016 nach seiner Amtsübernahme bei den "Nerazzurri" stolz gegenüber "Tuttosport".

Drei Jahre später sollte ihm diese Aussage beinahe zum Verhängnis werden. Als die Milan-Fans im Oktober 2019, als der Emilianer als neuer Coach der "Rossoneri" vorgestellt wurde, nämlich darauf stießen und auch deshalb noch vor seinem Amtsantritt seinen Rauswurf forderten, stand Pioli in Erklärungsnot.

"Ich war ein schüchterner und molliger 13-Jähriger. Ich bin jetzt ein reifer, kahlköpfiger Mann. Ich bin ein Profi und möchte nur für das beurteilt werden, was ich mit Mailand machen werde, und nicht für die Vergangenheit, als ich noch keine klaren Vorstellungen hatte", so Piolis Entschuldigung für seine "Jungendsünde".

Das Kapitel Inter Mailand war nach dem Verpassen der Europacupränge und dem damit verbundenen Rauswurf aber ohnehin nach wenigen Monaten schon wieder beendet und Pioli zog es zurück zur Fiorentina – zu jenem Klub, für den er als Spieler am öftesten auflief.

Aber auch in Florenz wurde er nicht endgültig glücklich. Nach einem guten ersten Jahr zurück in der Toskana ging es in der zweiten Spielzeit rapide bergab und Pioli zog mit einem Rücktritt kurz vor Ende der Saison 2018/19 selbst die Reißleine.

#PioliOut wurde zum weltweiten Trend

Piolis ständiges Scheitern war neben der bereits erwähnten Nähe zu Inter Mailand nur einer der Gründe, warum der Aufschrei besonders groß war, als er im Oktober 2019 schließlich als neuer Trainer des AC Milan vorgestellt wurde.

"#PioliOut ist die Synthese der Wut der Milan-Fans, weil er eine schlechte Wahl ist, eine Bestätigung der Mittelmäßigkeit von Managern und Eigentümern, die sagten, sie wollten Milan wieder an die Spitze bringen!", tweetete kurz vor Piolis Bestellung der Twitter-User @salva__ und erntete dafür über 500 Likes.

Und User @GFI65 forderte: "Wir müssen #PioliOut auf den ersten Platz der Twitter-Trends bringen und es dort festnageln, damit sich diese Schurken schämen, was sie in Mailand tun." Der Wunsch wurde Befehl.

Zehntausende Tweets mit dem Hashtag #PioliOut wurden in diesen Tagen abgesetzt und sorgten dafür, dass der Hashtag in den italienischen Twitter-Trends Rang eins und weltweit zwischenzeitlich die Top-5 erreichte.

Pioli wegen Rangnick zunächst nur Überganglösung

Zu Ehren des 19. Scudetto von Milan ließ sich Pioli seinen linken Unterarm tätowieren
Foto: © getty

Davon unbeirrt begann Pioli seine Arbeit bei den "Rossoneri". Rund um junge, ungeschliffene Spieler wie Gianluigi Donnarumma, Theo Hernandez, Ismael Bennacer, Franck Kessie, Davide Calabria oder Rafael Leao, die damals alle 22 Jahre oder jünger waren, baute er eine Milan-Mannschaft auf, die sehr langsam aber sicher wieder das Siegen lernte.

So richtig zündete der Mailänder Turbo aber erst mit dem Jahreswechsel auf 2020, als mit Simon Kjaer und Zlatan Ibrahimovic zwei äußerst erfahrene Spieler geholt wurden, die den Grundstein für den künftigen Erfolg bilden sollten. Dank eines starken Frühjahres – von den elf Spielen nach der Coronapause in der Serie A wurde keines mehr verloren – erreichte Milan trotz des Horrorstarts in die Saison 2019/20 noch Rang sechs und damit die Europacup-Ränge.

Dennoch galt Pioli während dieser Monate weiterhin nur als Übergangslösung mit Ablaufdatum. Im Hintergrund wurde von Geschäftsführer Ivan Gazidis Verhandlungen mit Ralf Rangnick geführt; der nunmehrige ÖFB-Teamchef hätte im Sommer 2020 von Pioli übernehmen sollen.

Da innerhalb des Vereins parallel zu den starken Leistungen der Mailänder immer mehr Stimmen gegen Rangnick und pro Pioli laut wurden, bekam Letzterer im Juli 2020 schließlich ein Angebot zur Vertragsverlängerung bis 2022 vorgelegt. Der Emilianer durfte in Mailand bleiben, Rangnick ging trotz monatelangem Italienisch-Lernen leer aus.

Dann kam der Meistertitel

In der Folgesaison führte Pioli die "Rossoneri" bis ins Achtelfinale der Europa League und in der Meisterschaft zum Vizemeistertitel. Der große Wurf gelang ihm aber in der Saison 2021/22.

Während Serienmeister Juventus Turin nach dem zehnten Meistertitel in Folge einen absoluten Fehlstart hinlegte, war der AC Milan vom Saisonauftakt an voll da. In einem speziell auf die Stärken der einzelnen Spieler ausgerichteten 4-2-3-1-System pflügten die Lombarden durch das erste Saisondrittel und holten aus den ersten elf Serie-A-Runden zehn Siege.

Auch ein frühzeitiges Gruppen-Aus bei der Champions-League-Rückkehr sowie eine kurze Schwächephase gegen Jahresende konnten den 19. Scudetto der "Rossoneri" schlussendlich nicht verhindern. Ein im Schnitt nur 26 Jahre junges Team – und damit die jüngste italienische Meistermannschaft seit fast 30 Jahren – setzte sich schlussendlich knapp aber doch gegen den Erzrivalen Inter Mailand durch und ließ das rot-schwarze Mailand erstmals seit elf Jahren wieder über einen Titel jubeln.

"Papa" Pioli und seine Mailänder Söhne

Olivier Giroud über Pioli: "Er ist ein echter Mensch"
Foto: © GEPA

Pioli war nicht nur sprichwörtlich Vater dieses Erfolgs, sondern "er ist wie ein Vater", beschreibt Milan-Mittelfeldmotor Sandro Tonali die Beziehung zu seinem Trainer. Und auch eine Anekdote von Superstar Ibrahimovic drückt das Verständnis, das Pioli von seinem Job hat, treffend aus:

"Ich sprach mit Stefano Pioli und sagte ihm, ich möchte meine Karriere beenden und nach Schweden zurückkehren, dort warten meine zwei Söhne auf mich. Er erwiderte, hier hast du 25 Söhne und sie brauchen dich. Danach entschied ich, bei Milan zu bleiben, auch wenn ich meine beiden Kinder sehr vermisse", so der Schwede vor zwei Jahren in einem "DAZN"-Interview.

Pioli versucht, so oft es möglich ist, mit allen Kadermitgliedern individuelle Gespräche zu führen und gibt selbst seinen Ergänzungsspielern das Gefühl, eine bedeutende Rolle zu spielen. Als "extrem empathisch" bezeichnete ihn Torino-Coach Ivan Juric erst kürzlich und Milan-Stürmer Olivier Giroud sagt: "Er ist ein echter Mensch: Wenn er spricht, kommt das, was er sagt, von Herzen, aus seinem tiefsten Inneren."

Und wie sieht Pioli selbst den zwischenmenschlichen Aspekt seiner Trainerrolle? "Ich versuche, hinter die Oberfläche zu blicken. Ich versuche, über den Wert eines Spielers hinauszugehen und zu seiner Person vorzudringen. Auch wenn es sich um junge Burschen handelt, die wir als glücklich bezeichnen würden, so sind sie doch junge Burschen mit ihrem eigenen Leben, ihren eigenen emotionalen Auslösern, persönlichen Bindungen und Schwierigkeiten", so der 57-Jährige gegenüber dem "Guardian".

Pioli: "Akzeptiere keine Mittelmäßigkeit"

Allerdings hat Pioli auch seine harten Seiten: "Ich akzeptiere keine Mittelmäßigkeit. Und ich toleriere es nicht, wenn wir uns nicht genug anstrengen, um besser zu werden. Wenn ich Spieler sehe, die viel von sich verlangen, werde ich, ich würde nicht sagen ihr Freund, aber ich gebe ihnen positive Unterstützung. Wenn ich diese Anstrengungen nicht sehe, muss ich mehr fordern."

Beim AC Milan dürften Piolis menschliche sowie taktische Qualitäten endlich ihre volle Wirkung entfalten können. Schon jetzt ist der Aufenthalt bei den "Rossoneri" der bis dato längste in seiner Trainerkarriere; am vergangenen Montag verlängerte er seinen Vertrag vorzeitig bis 2025.

Pioli hat mit Milan noch viel vor, langfristig will er den dreifachen Champions-League-Sieger wieder an die absolute Weltspitze heranführen. Mit dem erstmaligen Achtelfinal-Aufstieg in der "Königsklasse" seit neun Jahren würde der Emilianer und seine Lombarden den nächsten Schritt in diese Richtung tätigen.

Allerdings dürfte ein gewisser FC Salzburg etwas dagegen haben, dass Piolis Mailänder Märchen schon am Mittwoch um ein weiteres Kapitel reicher wird.

Die UEFA Champions League LIVE bei Sky >>>

 

Alle Europacup-Spiele, Premier League, dt. Bundesliga und öst. Bundesliga, ab 15 Euro im Monat, bei Sky >>>

Kommentare