news

Salzburg: "Größter Tag der Vereinsgeschichte"

Ekstase pur bei Rekord-"Bullen" nach erstmaligem Aufstieg ins CL-Achtelfinale:

Salzburg:

Der 8. Dezember 2021 wird noch länger im österreichischen Fußballgedächtnis verankert bleiben.

Mit dem FC Salzburg ist nicht nur erstmals eine rot-weiß-rote Mannschaft in das Achtelfinale der Champions League eingezogen, die "Bullen" erreichten diesen Meilenstein auch noch als jüngstes Team der kompletten Bewerbs. Noch nie konnte eine jüngere Mannschaft das Achtelfinale der "Königsklasse" erreichen.

Die im Schnitt gerade einmal 23,1 Jahre junge Mozartstädter Mannschaft konnte im Finale am letzten Gruppenspieltag der Champions League mit dem FC Sevilla ein absolutes europäisches Schwergewicht aus dem Weg räumen (Spielbericht>>>).

"Ausnahmeszustand, bei uns in der Kabine geht's rund. Extrem emotional, es ist der größte Tag unserer Vereinsgeschichte. Wir haben so lange gebraucht, in die Champions League hineinzukommen und jetzt haben wir die Gruppenphase überstanden gegen einen richtig starken Gegner aus Spanien. Das ist natürlich phänomenal", krächzt ein völlig heiserer Christoph Freund nach der Partie ins "Sky"-Mikrofon.

Auch Youth-League-Team im Achtelfinale

Für den Salzburger Sportdirektor gibt es an diesem Tag doppelt Grund zum Jubeln. Bereits am frühen Nachmittag fixierte die U19-Mannschaft der Salzburger von Rene Aufhauser den Einzug ins Achtelfinale der UEFA Youth League. Dank eines 2:0-Erfolgs über die Altersgenossen aus Sevilla konnten die "Jungbullen" am letzten Spieltag noch auf Rang eins springen. Auch das ist im noch jungen U19-Bewerb zuvor noch keiner österreichischen Mannschaft gelungen.

"Am Nachmittag hat schon die Youth-League-Mannschaft gewonnen und wir sind jetzt auch weiter. Im europäischen Fußball sind wir immer noch ein kleiner Verein und wir genießen richtig, was wir heute geschafft haben", kommt Freund gar nicht mehr aus dem Schwärmen heraus.

Jaissle: "Wir sind überwältigt"

Dank des Dreiers gegen Sevilla ist Salzburg als Gruppenzweiter mit zehn Punkten - ebenfalls österreichischer Rekord - ins Achtelfinale aufgestiegen, wo nun absolute Hammergegner warten (Alle Infos>>>).

Geschafft hat dieses Kunststück Matthias Jaissle, mit 33 Jahren der jüngste Trainer der gesamten "Königsklasse". Der Deutsche übernahm die "Bullen" im Sommer während eines großen Umbruchs, stellte sie taktisch neu auf und feiert nun, nach nur wenigen Monaten im Amt, die neben dem Europa-League-Halbfinaleinzug von 2018 größte Errungenschaft des Klubs.

"Natürlich sind wir überwältigt. Es ist sehr emotional geworden unten in der Kabine, die Freude war sehr ausgeprägt, die Stimmung ist gut. Wir haben etwas ganz Besonderes geschafft mit der jungen Mannschaft, deshalb dürfen sie heute feiern", zeigt sich auch Jaissle auf der Pressekonferenz nach dem Spiel emotional.

Okafor als "Bullen"-Erlöser

Nachdem die jungen Salzburger in den letzten Wochen erstmals Schwächen zeigten und gleich zwei Matchbälle auf den vorzeitigen Achtelfinale-Aufstieg in Wolfsburg und in Lille nicht verwerten konnten, rechneten ihnen nur die wenigsten Fußballkenner Chancen gegen die abgezockten "Sevillistas" zu. Pünktlich zum wichtigsten Spiel des bisherigen Herbstes waren die Mozartstädter aber wieder voll da und zeigten eine speziell in der Defensive hervorragende Leistung.

Dafür gibt es Lob von Chef Jaissle: "Heute hat sehr viel von dem funktioniert, was wir uns vorgenommen haben. Die Jungs haben das von der ersten Minute an wirklich gut gemacht, und zwar in allen Phasen des Spiels. Wir waren engagiert, haben frühzeitig draufgepresst und Sevilla dazu gebracht, dass sie gar nicht alle ihre Muster spielen konnten. Dem gebührt alle Ehre." Bis auf einen Lattenkopfball von Munir unmittelbar nach Seitenwechsel brachten die Andalusier tatsächlich über 90 Minuten kaum Gefährliches zustande.

Der "Bullen"-Coach war während der Partie sichtlich angespannt, tänzelte nervös in seiner Coaching Zone herum und lebte wie gewohnt bei jeder gelungenen Aktion seiner Mannschaft lautstark mit. Beim 1:0 durch Noah Okafor entwich ihm ein lauter Schrei: "Wenn du 1:0 in Führung gehst, spielt dir das natürlich in die Karten. Das war schon eine große Erlösung. Das Tor war super herausgespielt, richtig gut abgeschlossen von Noah."

Deutsch-Schweizer Achse Salzburgs Erfolgsrezept

Okafor wurde damit wie bereits beim 3:1-Sieg gegen Wolfsburg im Oktober zum Salzburger Matchwinner. Sein Einsatz war dabei bis zuletzt ungewiss, eine unangenehme Muskelverhärtung setzte den Schweizer zuletzt mehrere Wochen außer Gefecht. "Großes Kompliment an den kompletten Staff, die Physios haben rund um die Uhr an Noahs Comeback geschuftet", heißt es deshalb von Jaissle bei "ServusTV".

Okafor merkte man die mangelnde Spielpraxis speziell im ersten Durchgang an, nur wenige seiner Aktionen mit dem Ball wurden von Erfolg gekrönt. In der 50. Minute bewies der Sprinter allerdings einmal mehr seine neuentdeckten Knipser-Qualitäten, als er bei einem perfekten Adeyemi-Stangler am Fünfer genau richtig stand und den schwierig zu verarbeitetenden Ball in die Maschen drückte.

"Ich verstehe mich mit Karim gut, wir wissen immer, dass, wenn jemand von außen kommt, der andere reinspielen muss", streicht Okafor das tolle Teamwork mit Adeyemi hervor. Überhaupt scheinen der Schweizer und der Deutsche, die auch abseits des Feldes eine enge Freundschaft verbindet, besonders gut zu harmonieren. Vor Jaissles Übernahme standen die beiden flinken Angreifer nie gemeinsam im Salzburger Doppelsturm.

Kaum Erfahrung, viel Reife

Vor sechs Monaten haben einige Jungs noch in der 2. Liga gespielt und jetzt spielen sie in der Champions League ums Weiterkommen. Das ist unser Weg und der geht auf. Wir geben den Spielern das Vertrauen und sie zahlen es zurück.

Christoph Freund

Der ehemalige Innenverteidiger von der TSG Hoffenheim hat nun das geschafft, was seinem Vorgänger Jesse Marsch zuletzt zwei Jahre in Folge nicht gelungen war: Die Salzburger im Finalspiel um den Achtelfinal-Aufstieg perfekt einzustellen, um einen Weltklassegegner zu schlagen. Unter dem US-Amerikaner war die Aufgabe der Mozartstädter in den letzten beiden Jahren allerdings noch um einen Deut schwerer, gegen den FC Liverpool vor zwei Jahren und im letzten Dezember gegen Atletico Madrid hätten die "Bullen" siegen müssen. Gegen Sevilla hätte diesmal bereits ein Remis gereicht.

Besonders beeindruckend daran ist, dass am Mittwoch nur zwei Salzburger am Feld waren, die bereits vor einem Jahr bei der Pleite gegen Atletico in der Startelf aufgeboten wurden. Der Rest spielte damals nur eine untergeordnete Rolle, war noch nicht beim Verein, oder kickte gar noch beim FC Liefering.

"Vor sechs Monaten haben einige Jungs noch in der 2. Liga gespielt und jetzt spielen sie in der Champions League ums Weiterkommen. Das ist unser Weg und der geht auf. Wir geben den Spielern das Vertrauen und sie zahlen es zurück", hält Christoph Freund deshalb fest.

Kristensen: "Wir haben das so verdient"

Einer der Spieler, die bereits vergangenes Jahr dabei waren, ist Rasmus Kristensen. Der Däne ist mit seinen 24 Jahren eines der alten Eisen im Salzburger Kader, für ihn war der Mittwoch "der schönste Abend meiner Karriere, ein super Moment und ein super Gefühl. Ich bin stolz und vielleicht auch ein bisschen emotional, weil es war eine unglaubliche Leistung. Wir haben das so verdient."

Noch ist der Abend für den als Feierbiest bekannten Rechtsverteidiger aber noch lange nicht zu Ende: "Sevilla ist eine unglaublich gute Mannschaft, aus zwei Spielen gegen Sevilla vier Punkte zu machen, ist unglaublich. Wir haben uns verdient zu feiern, wir müssen heute alles geben in der dritten Halbzeit, das ist auch wichtig."

VIDEO: So verlief Salzburgs "dritte Halbzeit"

(Text wird unterhalb fortgesetzt)

Salzburg mittlerweile 20. in ganz Europa

Der andere Salzburger, der vor einem Jahr gegen Atletico Madrid mitwirkte, heißt Andreas Ulmer. Der 36-jährige Kapitän der jungen Mozartstädter Truppe lieferte gegen Sevilla eine der besten Partien seiner gesamten Karriere ab, auch für ihn ist der Aufstieg sehr besonders:

"Ich werde diesen Abend sicher nie vergessen. Was wir heute über 90 Minuten geleistet haben, war wirklich eine großartige Leistung. Ich bin sehr stolz darauf, wie wir uns präsentiert haben. Das war ein großes Ausrufezeichen für den österreichischen Fußball."

Damit spricht Ulmer einen weiteren Rekord an, der an diesem Mittwoch geknackt wurde: Das aktuelle Punktekonto von Österreich in der UEFA 5-Jahreswertung konnte auf 36,450 Punkte hochgeschraubt werden, rechnet man die 0,4 Bonuspunkte des LASK für Gruppenrang eins in der Europa Conference League dazu, stünde das derzeit auf acht (!) rangierende Österreich bereits bei 36,850 Zählern. Vor Mittwoch lag Österreichs Rekord bei 35,825 Punkten aus der Vorsaison.

Doch der FC Salzburg tat am Mittwoch nicht nur etwas für das rot-weiß-rote Punktekonto, auch das klubeigene in der Klubrangliste der UEFA wurde dank der Bonuspunkte für den Aufstieg auf 70 aufpoliert. Damit belegen die "Bullen" momentan Rang 20 in ganz Europa - auch das ist, wenig überraschend, österreichischer Rekord.

Kommentare