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Kommentar: Rapid - Nie über den Tellerrand hinaus

Feldhofer macht's! Überraschung? Nein. Gut? Vielleicht. Philosophie? Welche?

Kommentar: Rapid - Nie über den Tellerrand hinaus

Weißer Rauch über Wien-Hütteldorf!

Habemus Ferdinand Feldhofer, verlautbarte der SK Rapid am späten Sonntagabend. Der "Ferdl" soll es also schupfen, angelehnt an den "G'schupften Ferdl", den Schlager von Gerhard Bronner, den Helmut Qualtinger berühmt machte.

So richtig überrascht waren über diese Entscheidung aber wohl die wenigsten. Schon lange bevor Didi Kühbauer bei den Hütteldorfern passé war, begann die Gerüchteküche zu brodeln.

Feldhofer war von Anfang an dabei - in den Medien, beim Stadion-Plausch, am Stammtisch, selbst bei Teilzeit-Fußballsehern. Alle hatten den mittlerweile 42-jährigen Ex-Rapidler, der die Hütteldorfer 2005 zum bis dato vorletzten Meistertitel köpfte (oder war es doch die Schulter?), auf dem Zettel.

Weil er in seiner Trainerkarriere schon so viel erreicht hat? Nein, auch wenn seine Erfolge mit Lafnitz und dem WAC nicht schlechtzureden sind. Weil er grün-weißen Stallgeruch hat? Schon eher. Weil er vereinslos ist und keine Ablöse kostet? Es wird schon heißer. Weil er durch alle diese Gründe die für die Grün-Weißen naheliegendste Lösung war? Bingo.

Wieder einmal stellt sich unter Beweis, dass Rapid viele, viele Jahre schon nie über den Tellerrand hinausgeschaut hat. Das heißt nicht, dass die neue Beziehung nicht funktionieren kann und man Feldhofer eine Chance geben sollte. Für den großen Umbruch gehört jedoch mehr dazu.

Den harten Cut erneut vermieden

Auch wenn Feldhofer schon Angebote aus dem Ausland hatte, stellt die Rückkehr an seine alte Wirkungsstätte einen Aufstieg dar, das bisherige Highlight in seiner noch jungen Trainerkarriere.

Der Steirer wird das Abenteuer mit klaren Vorstellungen angehen, damit konnte der gerne und regelmäßig gesehene Rapid-VIP-Klub-Gast auch das Entscheidungsgremium der Wiener überzeugen. In dem sich laut Sportchef Zoran Barisic neben ihm, Präsidiumsmitglied und Ex-Rapidler Gerry Willfurth und Direktor Sportmanagement Stefan Ebner mit Präsident Martin Bruckner und Geschäftsführer Wirtschaft Christoph Peschek auch nicht reine sportliche Kompetenz paarte.

Der Prozess der Trainerfindung sei ein intensiver gewesen, man hätte einige Trainer auf dem Prüfstand gehabt, sie eingeladen und ihnen auf den Zahn gefühlt - auch das bestätigte der Sportchef. Und trotztdem fiel die Entscheidung so aus, wie von vielen Fußball-Fans nach einem kurzen Brainstorming vermutet.

Weil man mittlerweile weiß, wie Rapid tickt. Man hat seine Vorstellungen, bewegt sich in vielerlei Hinsicht in der Vergangenheit, lebt von den Erfolgen von anno dazumals. Den harten Cut, um sich aus der Komfortzone zu bewegen, versucht man zu vermeiden. Deshalb holt man sich Trainer ins Boot, die ihr in der Vergangenheit liebgewonnenes Nest nicht beschmutzen wollen - siehe Peter Schöttel, Zoran Barisic, Goran Djuricin oder Didi Kühbauer, die schon davor eine Zeit mit Rapid verband. Oft wäre es jedoch für den Verein besser, unangenehme Dinge anzusprechen, um nicht weiter im eigenen Saft zu schmoren. Mike Büskens oder Damir Canadi, die zu viel verändern wollten, waren nicht lange gern gesehen.

Feldhofer passt besser als Kühbauer - aber passt das Team dazu?

Auch von Feldhofer ist deshalb nicht zu erwarten, dass er den Laden komplett umkrempelt. Obwohl er mit seiner bisherigen Spielweise durchaus besser ins Anforderungsprofil passt, als es noch die populistische Lösung Kühbauer in der damaligen Krise war, der mit kleinen Vorgänger-Klubs das Heil in einer stabilen Abwehr und dem Umschaltspiel suchte.

Rapid konnte er damit trotz zweimaligen Vizemeistertitels und Europa-League-Teilnahmen nie so richtig den Stempel aufdrücken. Bei Feldhofer sind die Entscheidungsträger "felsenfest überzeugt", dass das menschlich, aber auch von der Philosophie und der Art des Fußballspielens passen könnte.

Immer wieder hörte man im Rapid-Umfeld, warum man es nicht mal mit zwei Stürmern probiert. Das könnte unter Feldhofer so kommen, wenn er das System implementiert, mit dem er beim WAC Erfolg hatte - ein 4-4-2 mit Raute im Mittelfeld. Kann das Rapid und hat auch die Spieler dafür? Das ist eine andere Frage. Auch ein 3-4-3 packte der Neo-Trainer schon mal aus, setzte auf hohe Ballgewinne und damit kurze Wege zum Tor.

Gut möglich also, dass in den kommenden Transferphasen kein Stein auf dem anderen bleibt. 15 Verträge laufen aus - deshalb hat Rapid einen extremen Handlungsspielraum, den es auszunützen gilt. Gleichzeitig birgt dies jedoch auch ein Risiko, sich nicht zu übernehmen.

Durchgängige Philosophie? Das wäre etwas Neues

Dabei ist noch zu hinterfragen, warum Feldhofer zu Rapids Philosophie passt? Wie schon oft betont, stellte sich in der vergangenen Zeit wiederholt die Frage, wofür Rapid mittlerweile überhaupt noch steht? Welche Philosophie also?

Möglicherweise sehen die Hütteldorfer aber den Trainerwechsel doch als Chance, langsam, mit aller Geduld etwas Nachhaltiges aufzubauen, nicht nur in den Tag hineinzuleben und sich stets einem neuen Trainer anpassen zu müssen, sondern selbst die Linie vorzugeben. Denn ein Zitat in der offiziellen Presseaussendung des SK Rapid lässt besonders aufhorchen:

"Er zählt zu einer neuen, modernen Trainergeneration, setzt auf innovative Arbeitsmethoden und wird mit großem Engagement und Fachkenntnis seine neue Herausforderung antreten. Ferdinand Feldhofer hat bereits bei seinen bisherigen Stationen bewiesen, dass er auf attraktiven Fußball mit einer konkreten Idee setzt und mit seinem Konzept auch Erfolg haben kann. Ganz wichtig war für uns auch, dass er sich mit unserer Spielphilosophie, die sich künftig durch den ganzen Verein ziehen soll, voll identifiziert und diese auch umsetzen will", wird Sportchef Barisic dort zitiert.

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Demnach darf man daraus schließen, dass sich Rapid möglicherweise doch nach Jahren des Auflehnens dagegen für eine durchgängige Spielphilosophie von der Akademie, über Rapid II bis hin zu den Profis entscheidet - eine Philosophie, ein Konzept, das man so lange vermisste. Nähere Informationen dazu fehlen jedoch, zuletzt hatte man sich immer nur auf eine offensive, attraktive Spielweise berufen, basierend auf der Integration von jungen Eigenbauspielern, am besten noch kombiniert mit dem Rapid-Leitspruch "Gemeinsam. Kämpfen. Siegen." Doch bei der Präsentation von Feldhofer am Montag wird sich Rapid deklarieren müssen, in welche Richtung es tatsächlich gehen soll.

Feldhofer wird Rapid nicht alleine neu aufstellen

Das könnte durchaus interessant werden, wenn das Zusammenspiel zwischen dem bemühten Barisic und Feldhofer funktioniert. Als Spieler war Feldhofer 13-facher ÖFB-Teamspieler, konnte 277 Einsätze in der österreichischen Bundesliga verbuchen, wurde Meister mit Sturm Graz und Rapid. Als Trainer hat er bisher Fußspuren hinterlassen, die aber noch lange nicht so ausgetreten sind wie jene als aktiver Kicker.

Vor sechs Jahren startete der ehemalige Verteidiger als Trainer, in der Regionallige Mitte beim SV Lafnitz, 2018 gelang der Aufstieg in die 2. Liga. Eine neue heimische Trainerhoffnung war geboren - mittlerweile verfügt er über die UEFA-Pro-Lizenz.

Der Vorauer etablierte den Fußballzwerg und wurde im Dezember 2019 befördert - der Wolfsberger AC klopfte an. Feldhofer wurde Dritter in der Bundesliga - ein Riesenerfolg -, reüssierte und überwinterte sogar in der Europa League, war für den x-ten Frühling von Michael Liendl und Co. verantwortlich - ehe ihm genau jener Spieler mit dem meisten Sagen bei den Kärntnern zum Verhängnis wurde. Ungereimtheiten zwischen Team, Trainer und Vereinsführung führten dann zur Trennung, weil Liendl für seine Vorstellungen zu wenig gegen den Ball arbeitete, Feldhofer jedoch seinem Spielstil treu blieb und den Oldie rausrotierte. 

46 Pflichtspiele mit dem Bundesligisten, 20 Siege, 10 Remis und 16 Niederlagen bleiben, bei 1,6 erzielten Toren und 1,5 erhaltenen Toren pro Partie. Insgesamt bringt der Ex-Profi "nur" 14 Monate Erfahrung in der höchsten Spielklasse mit.

Unter dem Strich muss man aber festhalten, dass Rapid auch über die Grenzen hinaus nicht mehr diese große Nummer wie noch vor ein, zwei Jahrzehnten ist. Dass das Geld bei den Hütteldorfern nicht auf den Bäumen wächst, Corona erst recht eine ganz spezielle Situation bedeutet. Somit setzt man auf eine rot-weiße-rote Lösung mit Potenzial. Feldhofer wird es allerdings nicht alleine schaffen, den Verein neu aufzustellen und für die Zukunft vorzubereiten. Nur wenn alle etwas verändern wollen, kann diese Kombination von Erfolg gekrönt sein.


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