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64 Titel, Feueralarme und 19.000 Höhenmeter

64 Titel, Feueralarme und 19.000 Höhenmeter

64 Staatsmeistertitel sind ein Wert, um den Veronika Windisch wohl fast jeder Sportler beneidet.

Es deutet aber auch darauf hin, dass die Dichte im österreichischen Short Track enden wollend groß ist und passende Trainingspartner für Athletinnen mit Ambitionen auf internationale Topleistungen in der Heimat nicht vorhanden sind.

Für Windisch hieß das kurz: Trainieren mit anderen Teams. Dennoch schaffte es die Steirerin zwei Mal zu Olympischen Spielen und einem 11. Rang in Sotschi, bei der Europameisterschaft 2011 holte sie Silber.

Nachdem die Sporthilfe Ende 2014 Windischs Förderung strich, zog sie sich aus dem Weltcup zurück, holte aber noch einen achten Platz bei der EM. Am Sonntag gab Österreichs erfolgreichste Short-Trackerin via Facebook ihr Karriereende bekannt.

Das nach einem Sommer, in dem sich die 33-Jährige bereits in anderen Sportarten übte: Auf dem Rad wurde Windisch steirische Einzelzeitfahr-Meisterin, dazu feierte sie bei gemeinsam mit Snowboarder Benjamin Karl mit Platz drei bei der Bike Transalp ein erfolgreiches Mountainbike-Debüt.

LAOLA1 sprach mit der sportverrückten Serien-Meisterin über den Abschied vom Short Track, das Leben danach und die Umwälzungen im ÖESV.

LAOLA1: Ist der Rücktritt jetzt final? Können auch andere Athletinnen wieder Shorttrack-Staatsmeistertitel feiern?

Windisch: (lacht) Die Möglichkeit haben sie die letzten Jahre auch schon gehabt…

LAOLA1: Wird es jetzt realistisch?

Windisch: Ja, kann man so sagen. Vielleicht werde ich an der österreichischen Meisterschaft noch teilnehmen, aber eigentlich ist der Weg frei für andere.

LAOLA1: Was wird Ihnen am Short Track am meisten fehlen?

Windisch: Alles. Es war mehr oder weniger mein Lebensinhalt, ich habe alles darauf ausgerichtet – von der Ernährung bis zur Regeneration hat sich alles nach dem Trainingsplan orientiert. Jetzt trainiere ich für den Spaßfaktor noch weiter, aber der Sport wird meinem anderen Leben angepasst, früher war es umgekehrt. Auf jeden Fall vermissen werde ich die Szene. Short Track ist ein schöner Sport, weil er technisch so anspruchsvoll ist, kann man ihn nur betreiben, wenn man richtig fit ist.

LAOLA1: In Ihrem Abschiedspost auf Facebook (am Ende dieses Artikels zum Nachlesen) haben Sie sehr viele interessante Erinnerungen aufgelistet. Können Sie Ihre drei liebsten nennen?

Windisch: Es war so viel…allgemein einmal die Leute, die ich durch das Training mit fremden Teams kennengelernt habe. Zweitens ein Trainingslager in Park City (Utah, Anm.). Schon am Flughafen wären wir wegen eines Apfels im Gepäck beinahe eingesperrt worden. Beim Kochen haben wir den Feueralarm ausgelöst, einen Computer haben wir im falschen Zimmer eingesperrt und mussten ihn bei der Polizeistation abholen. (zögert) Es ist echt so viel…jede Geschichte hat eine eigene Erinnerung.

LAOLA1: Wenn man durch Ihre Facebook-Seite scrollt, sieht man ein Sport-Ereignis nach dem anderen. Kennen Sie jemanden, der sport-verrückter ist als Sie?

Windisch: Ich habe schon auch andere Freaks kennengelernt. Vor allem vereinzelte Sportler aus verschiedenen Ländern in der internationalen Trainingsgruppe, in der ich war – man muss ja sehr auf den Sport fokussiert sein, dass man von zuhause weggeht und weit weg von der Familie das Leben dem Sport widmet. Da waren ein paar dabei, die so fokussiert waren und so akribisch gearbeitet haben wie ich. Ich bin in dieser Hinsicht nicht alleine auf der Welt, aber Frauen kenne ich nicht viele.

LAOLA1: Kann es ein Segen sein, wegen mangelnder Strukturen immer woanders mittrainieren zu müssen, da man verschiedene Inputs bekommt oder bleibt unter dem Strich ein Minus?

Windisch zählt auch auf dem Rad zu Österreichs Besten

Windisch: Es ist unterm Strich schon ein Minus, aber es hat nicht nur Nachteile. Manche haben eben ihr System und müssen dann genau zu dem Physiotherapeuten, zu dem Psychologen, zu dem Ernährungsberater. Ich hatte das alles nicht. Wenn ich es wollte, habe ich mir dann Menschen gesucht, mit denen ich wirklich gut kann. Der Nachteil daran war, dass ich es selbst finanzieren musste und organisieren musste. Die Trainer haben mich eigentlich immer als Teil des Teams aufgenommen, von dem her hat es keinen Nachteil gegeben. Bei Wettkämpfen war ich dann aber wieder auf mich gestellt.

LAOLA1: Ist das Thema Sporthilfe jetzt abgehakt?

Windisch: Das hat mich schon ein bisschen verletzt, dass ich hier keine Anerkennung bekommen habe. Mittlerweile ist es abgehakt, wenn sich eine Türe schließt, öffnet sich eine andere. Es hat meine Entscheidung auch erleichtert.

LAOLA1: Gab es im Zuge des Förderbescheids persönlichen Kontakt?

Windisch: Ich habe ihn nicht gehabt, mir ist das nur über meinen Verband vermittelt worden.

LAOLA1: Wie geht es für Sie weiter?

Windisch: Ich hatte das Glück, beim Bundesheer sein zu dürfen, da bin ich jetzt noch in der beruflichen Bildung. Ich habe Sportwissenschaften fertig studiert, mache jetzt das Lehramt dazu und habe nebenbei eine geringfügige Stelle an einer Schule, wo ich unterrichten kann. Sportlich bin ich ja weiterhin aktiv, aber eben mit einem anderen Zugang. Vielleicht ergibt es sich, dass ich in meiner Heimatstadt Weiz als Helferin oder später Trainerin fungiere. Fad wird mir sicher nicht.

LAOLA1: Wollen Sie Projekte wie das Bike Transalp (ein Mountainbike-Etappenrennen, bei dem Zweierteams binnen sieben Tagen 611 Kilometer und mehr als 19.000 Höhenmeter bewältigen müssen) noch öfter angehen?

Windisch: Da wäre ich nicht abgeneigt. Ich habe sehr gelitten, aber es war ja auch ein ziemlich wilder Einstieg ins Mountainbiken. Es hängt natürlich wieder ein bisschen vom Finanziellen ab, aber da ist es leichter als im Short Track, etwas aufzutreiben.

LAOLA1: Sie sind extrem durchtrainiert, aber wie verkraftet es ein Körper, einfach mal sieben Tage auf höchstem Niveau zu mountainbiken?

Windisch: Ich habe mich selbst gewundert, wozu ein Mensch überhaupt in der Lage ist. Mit dem Benni (Snowboard-Ass Karl, Anm.) habe ich einen Partner gehabt, der mich sehr gut unterstützt hat. Das Teamgefüge war so toll, dass man es dann auch für das Team schaffen will. Ich habe auch danach gelitten, aber es war so ein Glücksgefühl, ins Ziel zu kommen, dass nur die schönen Erinnerungen geblieben sind und ich schon an das nächste Mal gedacht habe. Vor allem weiß ich erst jetzt, worauf ich mich da eingelassen habe; das hatte ich ein wenig unterschätzt. Jetzt hätte ich Ideen, wie ich es besser machen könnte. Der sportliche Ehrgeiz ist nach wie vor vorhanden.

LAOLA1: Wie kommt man auf die Idee, das Transalp-Rennen zu fahren?

Windisch: Benjamin hat mich so nebenbei gefragt. Ich kenne ihn von der Grundausbildung im Bundesheer und habe mit ihm Kontakt über Facebook gehabt. Wir haben uns bei den Olympischen Spielen gesehen, ich habe seine Ergebnisse verfolgt und er scheinbar meine. Er hat gemerkt, dass ich letzte Saison am Rad unterwegs war. Er selbst ist ja ein ziemlich guter Mountainbiker, da hat er mich gefragt, ob ich Interesse hätte. Ich habe halt ja gesagt, ohne zu wissen, worauf ich mich da einlasse. Er hat mich gefragt, ob ich am Mountainbike gut bin. Da habe ich gesagt: ‚Keine Ahnung, ich habe kein Mountainbike.‘

LAOLA1: Apropos Radsport - fahren Sie nächsten Sommer auch wieder Straßenrennen?

Windisch: Möchte ich schon. Wer weiß, wie viel ich jetzt mit meinen anderen Tätigkeiten abbaue, aber ich brauche auf jeden Fall noch das Wettkampf-Feeling. Mit dem Radsport passt das eigentlich ganz gut, das habe ich auch nächstes Jahr vor. Heuer habe ich eventuell noch Nationalteam-Einsätze, aber ich weiß noch nicht wie tief ich wirklich einsteige. Die Rennen in Österreich werde ich auf jeden Fall mitmachen.

LAOLA1:Was halten Sie mit etwas Distanz von der neuen ÖESV-Führungsriege und Präsident Hans Spohn?

Windisch: Ich habe ihn persönlich noch gar nicht kennengelernt. Ich habe mich letztes Jahr nach den Wahlen und den Streitereien, wo jeder jedem etwas vorgeworfen hat, eigentlich nicht mehr damit beschäftigt. Was da ablief, hat mich am Anfang meiner Sportkarriere so belastet, dass ich versucht habe, mich davon zu distanzieren. Wenn ich jetzt als Trainerin etwas mache, werde ich Spohn kennenlernen müssen und will das auch, aber ich kann noch keine Meinung dazu abgeben. Ich glaube, aber, dass sie am richtigen Weg sind.

LAOLA1: Könnten Sie sich auch vorstellen, irgendwann abseits des Trainerjobs im ÖESV aktiv zu werden?

Windisch: Weiß ich nicht, ob Funktionär oder gleich in die Politik. Derzeit habe ich nicht die Ambition.

LAOLA1: Wir danken für das Gespräch.

 

Das Interview führte Martin Schauhuber

 

Ein Kapitel ✔Ich beende hiermit offiziell meine Short Track Karriere. Die Entscheidung ist schon länger in mir...

Posted by Windisch Veronika on Sonntag, 6. September 2015