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"Mit ein wenig Abstand relativiert sich alles"

Gregor Schlierenzauers Schanzenrekord hielt nicht lange.

215,5 Meter - es war eine magische Marke, die der Tiroler 2009 am Kulm aufstellte.

Aufgrund des Umbaus auf der Flugschanze in der Obersteiermark löste Severin Freund den 25-Jährigen in diesem Jahr als Rekordhalter ab. 237,5 m konnte der Deutsche im Training verbuchen. 

Bei Schlierenzauer, der den neuen Kulm einweihen durfte ("Es war sensationell"), ist die Vorfreude auf die beiden Bewerbe am Wochenende riesig.

Im Interview mit LAOLA1 lässt er zudem die Tournee Revue passieren und verrät, was er sich von den Tournee-Überfliegern Stefan Kraft und Michael Hayböck abschauen kann.

LAOLA1: Gregor, nachträglich alles Gute zum Geburtstag. Wie viel Zeit blieb zwischen Tournee und dem Skifliegen am Kulm zum Feiern?

Gregor Schlierenzauer: Ein ganzer Tag, der sehr ruhig und entspannt abgelaufen ist und den ich sehr genossen habe.

LAOLA1: Du hast die Tournee auf Rang sieben beendet und gemeint, du wärst nicht unzufrieden. Was stimmt dich zuversichtlich? In welchen Bereichen musst du noch den Hebel ansetzen?

Schlierenzauer: Es geht um die Feinabstimmung bei der Anfahrtsposition und die Identifikation mit der Stabbindung und was mich zuversichtlich stimmt, ist der Prozess, wie die Dinge erarbeitet werden. Wir haben ein sehr gutes und produktives Klima im Team, es geht was weiter und es macht Spaß.

LAOLA1: Du sprichst häufig vom Setup. Inwieweit besteht die Gefahr, dass man sich zu sehr der Tüftelei verschreibt und dadurch die nötige Lockerheit verliert?

Schlierenzauer: Die Gefahr kann schon bestehen, auf der anderen Seite musst du ganz einfach Tüfteln um vorwärts zu kommen.

LAOLA1: Mit Stefan Kraft und Michael Hayböck sind zwei deiner Teamkollegen in bestechender Form. Was kannst du dir von ihnen abschauen?

Schlierenzauer: Ihr Spaß am Skispringen ist ansteckend und motivierend, die Selbstverständlichkeit, mit der sie ihre Sprünge runterklopfen, muss ich mir noch erarbeiten.

LAOLA1: Wie schwer fällt es dir, anderen sportlich und medial den Vortritt zu lassen? Siehst du darin auch Vorteile?

Schlierenzauer: Es fällt überhaupt nicht schwer, da sich beide das Rampenlicht verdienen, sie sind aktuell die Besten und sie sind beide aus unserem Team, da freut man sich automatisch mit. Und der Vorteil ist, dass wir durch die Leistung mehr Ruhe von außen bekommen. Viele haben uns nach dem schwachen Saisonstart bereits vorzeitig abgeschrieben, jetzt haben wir die Kritiker eines Besseren belehrt.

LAOLA1: Was macht die Stärke des Teams derzeit aus?

Schlierenzauer: Wir halten zusammen, haben einen klaren Plan und Vorgaben und pushen uns auf einem sehr hohen Level. Das war schon in der Vorbereitung so, der Wohlfühlfaktor passt und das ist gut so.

LAOLA1: Du hattest die Ehre, den neuen Kulm einweihen zu dürfen. Was hast du gedacht, als du davon erfahren hast?

Schlierenzauer: Yes! Das ist für mich eine tolle Sache, ich verbinde so viele Emotionen mit dem Kulm und bin sehr stolz darauf, dass ich den allersten Flug machen durfte. Es war ein sensationelles Gefühl.

<span style=\'color: #ffff00;\'>KULM NEU
Anlauflänge 123 Meter (vor dem Umbau: 146 Meter)
Anlaufneigung 35 Grad
Höhenunterschied 197 Meter
Höhe des Schanzentisches 4,6 Meter
Aufsprungneigung 30,5 bis 37,5 Grad
Größe des Windnetzes 4.000 m²
K-Punkt 200 Meter
Hillsize 225 Meter

LAOLA1: Der Kulm ist ein Mythos, du hast hier schon gute wie negative Erfahrungen gemacht. Welche Erinnerungen haben sich bei dir besonders eingeprägt?

Schlierenzauer: Klarerweise die 215,5 Meter (Schanzenrekord, Anm.), auch die Siege bleiben unvergessen. Und selbst die Sache mit dem Reißverschluss (Schlierenzauer flog mit kaputtem Reißverschluss und wurde disqualifiziert, Anm.) ist letztendlich nichts Negatives. Klar war ich damals enttäuscht, aber mit ein wenig Abstand relativiert sich alles. Der Kulm hat mir unglaublich viel gegeben, wie du richtig sagst, er ist Mythos.

LAOLA1: Die Zuschauermassen in Tauplitz sind noch beeindruckender als während der Tournee. Wie sehr bekommt man die Stimmung als Athlet mit und inwieweit dient sie als zusätzliche Motivation?

Schlierenzauer: Das, was sich bei der Tournee abspielt, ist schon unglaublich, aber der Kulm ist einfach nur der Wahnsinn. Du fliegst eine gefühlte Ewigkeit auf eine brodelnde Masse zu, die immer größer und lauter wird. Du bekommst alles mit, es ist Gänsehaut pur und natürlich die geilste Motivation, die man sich vorstellen kann.

LAOLA1: Mit der WM steht noch ein Großereignis auf dem Programm. Wie sieht dein Fahrplan in Richtung Falun aus?

Schlierenzauer: Richtig, mit der WM steht uns noch ein weiterer Kracher ins Haus, aber aktuell möchte ich genießen, was kommt. Der Fokus gilt voll und ganz dem Kulm, das ist bei dieser Monsterschanze auch zwingend notwendig. Im Anschluss geht es weiter nach Polen, dann schauen wir weiter.

LAOLA1: Welche Zielvorgaben steckst du dir selbst, damit du nach dem Ende der Saison zufrieden deinen Urlaub antreten kannst?

Schlierenzauer: Ich möchte mit meiner Entwicklung zufrieden sein und mich darüber freuen, dass die Knochen heil geblieben sind und die Lust ungebrochen groß ist.

LAOLA1: Vielen Dank für das Gespräch.


Aus Tauplitz/Bad Mitterndorf berichtet Christoph Nister