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Vettori: "Sie haben jetzt das Alter, in dem es zählt"

Vettori:

Der Aufschrei war groß, als Österreichs Skispringer mit Rang acht im Teambewerb von Klingenthal in die Saison starteten.

Das Ende der Super-Adler prophezeiten viele, als Heinz Kuttins Mannen ohne Podestplatz aus Kuusamo abreisten.

Inzwischen sind die Kritiker verstummt, geradezu mundtot. Vier Mann hat der ÖSV in den Top-7 der Vierschanzen-Tournee-Gesamtwertung, darunter mit Stefan Kraft den Führenden und Michael Hayböck den Drittplatzierten. Der trägt ganz nebenbei noch das Gelbe Trikot des Gesamtweltcup-Leaders.

"Mehr, als wir erwarten durften"

Eine Momentaufnahme, die selbst den Adler-Chef überrascht. Er hätte diesen Zwischenstand zur Tournee-Halbzeit selbstverständlich umgehend unterschrieben, verrät Ernst Vettori, der sportliche Leiter, im Gespräch mit LAOLA1.

Es gebe schließlich zahlreiche Top-Nationen mit außergewöhnlicher Qualität. Dennoch vier Mann ganz vorne zu haben "ist sicher mehr, als wir erwarten durften". Die tolle Ausgangslage vor den beiden Heimspringen in Innsbruck (Sonntag, ab 14 Uhr im LAOLA1-LIVE-Ticker) führt er auf die harte Arbeit im vergangenen Sommer zurück.

Dort wurde der Grundstein gelegt, zudem gab es "Gott sei Dank keine Verletzungen, was das Allerwichtigste ist. Wir wussten ja, dass die Jungs was drauf haben. Michi hat es schon bei Olympia gezeigt, Stefan zu Saisonende."

Dabei haben beide bewiesen, dass sie zur erweiterten Weltklasse gehören. Inzwischen haben sie den nächsten Schritt gemacht. Dem Olympiasieger von 1992 entlockt es ein Lächeln. "Es ist hoch erfreulich, dass sie jetzt noch zulegen konnten. Es ist aber auch notwendig, wenn sie ganz Große werden wollen. Sie haben jetzt das Alter, in dem es zählt."

Als "Gelber" nicht viel falsch gemacht

Vettori traut beiden den großen Wurf zu. Auch Hayböck, dem hin und wieder mangelnde Kaltschnäuzigkeit vorgeworfen wurde. Der sportliche Leiter hält entschieden dagegen: "Wenn man das Gelbe Trikot hat und Weltcup-Gesamtführender ist, hat man nicht viel falsch gemacht. Er hat es gelernt, noch einen Schritt gemacht und sicher das Potenzial, zu gewinnen."

Lob gebührt aber nicht nur den Athleten, sondern auch dem großen Stab dahinter. Von Heinz Kuttin angefangen, der als Cheftrainer seit dieser Saison das Sagen hat, über die vielen kleinen Helfer im Olympiazentrum Salzburg-Rif, in dem Kraft und Hayböck trainieren, bis hin zu den Vereinen in Schwarzach/St. Veit bzw. Hinzenbach, die bei der Ausbildung der beiden ÖSV-Aushängeschilder entscheidend mitwirkten.

Noch ist nichts gewonnen

Bei aller Begeisterung für den aktuellen Zwischenstand ist allerdings auch klar: Noch ist nichts gewonnen! Zwei Tournee-Bewerbe stehen noch aus, der Druck in den Heimbewerben am Bergisel sowie in Bischofshofen ist noch einmal einen Tick höher als zuletzt.

Vettori weiß nur allzu gut, wie das ist. 1984/85 kam er als Leader in die Heimat, ehe ihm die Nerven versagten. In den beiden Folgejahren war er gereift und stand schlussendlich jeweils als Gesamtsieger fest. "Ich hatte im ersten Jahr einen Riesenvorsprung in Oberstdorf", erinnert er sich.

Ernst Vettori ist mit der Leistung der ÖSV-Adler bisher überaus zufrieden

Mental war er allerdings noch nicht so weit, um damit fertig zu werden. "Ich habe es nicht richtig eingeordnet und hatte meine Probleme. Man muss das lernen. Es gibt Naturbegabte, die damit umgehen können, oft muss man sich das aber arbeiten."

Kofler ist im Aufwind

Aus seiner Sicht haben die Burschen das Rüstzeug, um den großen Wurf zu landen. Doch nicht nur Kraft und Hayböck lassen den 50-Jährigen strahlen. Mit Andreas Kofler, der Gesamt-Sechster ist, hat ein weiterer Österreicher zuletzt klare Aufwärtstendenz erkennen lassen.

Die fehlende Konstanz in seinen Sprüngen scheint der Team-Olympiasieger in den Griff bekommen zu haben, "weil er ein Rezept gefunden hat, das erste (Flug)Drittel ordentlich zu überstehen. Wenn Kofi so weitermacht, wird er uns in dieser Saison noch einiges zeigen."

Und dann wäre da noch der zweifache Tournee-Sieger und Rekord-Weltcupsieger Gregor Schlierenzauer. In Oberstdorf hat er bereits sämtliche Siegchancen eingebüßt, doch auch der 24-Jährige tankte mit dem vierten Rang in Garmisch-Partenkirchen Selbstvertrauen.

"Gregor ist in einem Prozess", erklärt Vettori. "Er hat sich materialmäßig umgestellt und teilweise schon wieder ganz gute Sprünge. Wenn er aber zulegen will, geht es nicht so, wie er sich das vorstellt." Skispringen sei eben extrem komplex und sensibel, doch auch "Schlieri" stimme ihn zuversichtlich, denn zuletzt habe er vermehrt Sprünge gesehen, "bei denen nicht mehr viel auszusetzen ist. Die waren 'First Class'."

Ob der schlechten Wetterprognose für das Bergisel-Springen zeigt er sich entspannt. Man könne es nicht ändern und müsse das akzeptieren. "Ich bin trotzdem zuversichtlich, dass es ein anständiger Wettkampf wird." Wichtig sei vor allem, dass der Bewerb regulär durchgeführt werden kann. "Ich bin aber Optimist."


Aus Innsbruck berichtet Christoph Nister