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Mesotitsch: "Der WM-Titel ist drin"

Mesotitsch:

Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.

Dieses Motto nimmt sich Daniel Mesotitsch zu Herzen. Aus diesem Grund will der Kärntner WM-Pechvogel – im Sprint wie auch in der Verfolgung musste er mit dem undankbaren vierten Platz vorlieb nehmen – keine Hände schütteln.

„Das hat rein hygienische Gründe“, erklärt der Routinier. Er sei zwar kein für Krankheiten anfälliger Typ, betrachtet dieses Vorgehen aber als nicht unbedeutendes „Mosaiksteinchen“, um Krankheiten vorzubeugen.

„Der kleinste Virus kann dich niederstrecken“

„Nach so harten Rennen wie bei der WM ist der Körper anfälliger als sonst. Der kleinste Virus kann dich niederstrecken und um alle Chancen bringen“, erläutert der 35-Jährige.

Im Interview mit LAOLA1 gab Mesotitsch Einblicke in das Seelenleben eines Biathleten – wie fühlt man sich vor einem entscheidenden Schießen? Was geht einem auf der Schlussrunde durch den Kopf?

Des Weiteren spricht er über den besonderen Spirit im ÖSV-Team, fehlenden Killerinstinkt und möglichen Lagerkoller.

LAOLA1: Daniel, du hattest eine Nacht Zeit, um das zweite „Blech“ zu verarbeiten. Hast du die Tatsache, zweimal knapp eine Medaille verpasst zu haben, schon verdaut oder schmerzt es noch immer?

Daniel Mesotitsch: Nein, da schmerzt nichts mehr. Es war extrem bitter, zum zweiten Mal bei der Siegerehrung zusehen zu müssen, wie den anderen die Medaillen überreicht wurden. Nach dem Sprint war ich richtig zufrieden mit meinem Rennen und froh, so weit vorne gelandet zu sein. In der Verfolgung war es enttäuschend, dass ich die große Chance nicht wahrnehmen konnte.

LAOLA1: Erklär doch bitte, was in einem Sportler vorgeht, der weiß, dass es beim letzten Schießen um Edelmetall geht.

Mesotitsch: Der Druck war der gleiche wie immer. In der Verfolgung ist klar, dass man beim letzten Schießen unbedingt die Null benötigt, um sich zu verbessern. Ich habe versucht, möglichst locker zu bleiben. Wirklich gelungen ist es mir nicht, schlecht war es aber mit einem Fehler auch nicht. Andere hat es noch viel schlimmer zerbröselt.

LAOLA1: Was hast du auf der Schlussrunde gefühlt?

Mesotitsch: Es war unglaublich bitter, zu sehen, wie dir die Medaille Sekunde für Sekunde mehr entgleitet. Wenn du merkst, dass du den vierten Platz absichern musst, weil nach vorne nichts mehr geht, ist es ernüchternd. Das tut weh.

LAOLA1: Dein Trainer Reinhard Gösweiner hat gemeint, einzig „das letzte Eitzerl“ habe zur Medaille gefehlt. Ist dieses „Eitzerl“ das fehlende Quäntchen Glück oder vielleicht der unbedingte Siegeswille?

Mesotitsch: Mir hat wohl der Killerinstinkt gefehlt beim letzten Schießen. Ich war vielleicht nur mit 98 Prozent Konzentration dabei und schon geht einer daneben. Genau das ärgert mich auch so: Ich weiß, dass ich Null schießen kann und dann bekomme ich es nicht hin.

LAOLA1: Trotz der verpassten Medaillen ist unübersehbar, dass deine Form punktgenau zur WM wieder richtig gut ist. Wie genau ist der Aufbau planbar bzw. welche Rolle spielt der Faktor Glück?

Mesotitsch: Zu einem gewissen Grad ist es Zufall. Ich muss aber auch sagen, dass ich in der Vorbereitung ziemlich viel riskiert habe. Es war diesmal ganz untypisch, weil wir so gut wie keinen Umfang trainiert haben. Dafür gab es immer nur Vollgas-Einheiten und viel Regeneration. Direkt vor der WM habe ich dann noch drei freie Tage eingelegt. Es war ein mit Risiko belasteter neuer Weg, der sich bislang rentiert hat.

LAOLA1: Machte sich zwischenzeitlich Panik breit, nachdem die Resultate ausblieben und die Weltmeisterschaft Schritt für Schritt näher kam?

Mesotitsch: Panik gibt es bei mir nie. Dafür bin ich zu alt und zu lange dabei. Ich habe alle Höhen und Tiefen miterlebt und weiß, dass ich ein Athlet bin, der von einer auf die andere Woche in Form kommen kann. Nervosität macht sich auch deshalb nicht breit, da es Wichtigeres gibt als Medaillen. Ich nehme es, wie es kommt und werde mich stets zu hundert Prozent vorbereiten: Wenn es klappt, schön. Wenn nicht, habe ich eben Pech gehabt.

LAOLA1: Nun steht schon am Dienstag der Einzel-Wettkampf auf dem Programm. Nagt der Verfolger noch an dir oder bist du mental voll auf den nächsten Bewerb programmiert?

Mesotitsch: Es nagt wirklich gar nicht mehr. Das Rennen ist abgehakt, am Dienstag ist ein neues Rennen. Ich habe ein gewisses Selbstvertrauen gesammelt, lasse mich nicht nervös machen und freue mich auf den 20er. Der liegt mir ohnehin, weil ich nicht unbedingt ein Schnellstarter bin und so das Rennen gemütlicher angehen kann. Speziell auf der ersten Runde tue ich mir immer schwer. Das Einzel ist so gesehen fast ein bisschen auf mich zugeschneidert.

LAOLA1: Die Rennstrategie lautet demnach: Cool down und abwarten, was passiert?

Mesotitsch: So ist es. Wichtig ist, sich nicht gleich nervös machen lassen, denn manche starten wie die Irren. Mit Fortdauer holt man diese wieder ein, weil sich der Wettkampf extrem zieht und sie zwangsläufig irgendwann Milch geben müssen. Ich habe ja doch eine gewisse Erfahrung und ziehe daher mein Programm durch. Mein Ziel lautet, am Schießstand möglichst fehlerfrei zu bleiben. Läuferisch bin ich auch gut drauf.

LAOLA1: Was ist für dich drin?

Mesotitsch: Alles! Vom Weltmeistertitel bis zum letzten Platz ist alles möglich. Mehr als einen Fehler werde ich mir für eine Medaille sicher nicht erlauben dürfen. Das habe ich aber drauf, zumal ich mir die nötige Sicherheit erarbeitet habe.

LAOLA1: Bei deinen Kollegen, die gemeinsam mit dir trainiert und ein ähnliches Programm abgespult haben, läuft es nicht so gut. Was machst du besser als Sumann, Landertinger und Eder?

Mesotitsch: Simon kämpft schon die ganze Saison mit gesundheitlichen Problemen. Wenn man ständig angeschlagen ist, kommt man einfach nicht in Form. Seine Saison erinnert mich an meine letzte. Immer, wenn man sich ran kämpft und gut fühlt, gibt es im Training einen Rückschlag. Die Handhabung solcher Probleme ist extrem schwierig. Sumi hatte kurz vor der WM eine Magen-Darm-Grippe, die brutal viel Energie kostete. Das ist insofern ärgerlich, da er im Training läuferisch genauso schnell war wie Landi und ich. Und Landi hatte im Verfolger ein tolles Rennen bis zum letzten Schießen. Er hat mir erzählt, dass er sich danach von meinem Rennen ablenken ließ. Er war geistig weg von seiner Arbeit, sodass er ein Blackout hatte.

LAOLA1: Das lief extrem unglücklich mit vier Fehlern, die ihn viele Plätze kosteten. Darf man im Umkehrschluss davon ausgehen, dass sein Mitfühlen mit dir von tollem Teamspirit zeugt?

Mesotitsch: Absolut. Mir passierte das gleiche in Pyeongchang, als er Weltmeister wurde. Er ist mein Zimmerkollege, wir sind gut befreundet. Es war aber natürlich ein Nachteil, dass er sich ablenken ließ. Doppelt bitter ist, dass er sich damit ein Spitzenergebnis verbaute und im Einzel ein Top-Resultat braucht, um im Massenstart dabei sein zu können. Andererseits ist der 20er genau seine Strecke. Er ist groß, leicht und hat jede Menge Schmalz. Was er für seine Statur zu drücken im Stande ist, ist brutal. Er kann super schießen, laufen natürlich auch. Ich rechne stark mit ihm.

LAOLA1: Biathlon ist ein Einzelsport. Ist es für euch trotzdem wichtig, an den Leistungen der Kollegen Anteil zu nehmen?

Mesotitsch: Natürlich. Wir trainieren immer zusammen und verbringen mehr Zeit miteinander als mit der Familie. In unserer Gruppe herrscht ein unglaublicher Spirit. Jeder vergönnt den anderen einen Spitzenplatz. Das ist ja auch wichtig für den österreichischen Biathlon-Sport, da muss man schon auch über den Tellerrand hinausschauen. Speziell in einer Saison wie der aktuellen ist es fast schon egal, wer eine Medaille holt, wichtig ist nur, dass wir eine holen. Auch, um nicht die Gunst der Fans zu verlieren. Was ist man auch für ein Sportler, wenn man den Kollegen den Erfolg nicht gönnt?

LAOLA1: Seltenheit ist das keine. Man denke nur an die glorreichen Zeiten der Ski-Herren zurück.

Mesotitsch: Ich weiß nicht, wie es da ablief. Bei uns wird mit den Kollegen mitgefiebert und ausgeholfen, wenn etwas gebraucht wird. Das Training macht ja auch viel mehr Spaß, wenn man sich untereinander versteht.

LAOLA1: Unter den Athleten wird die Zusammenarbeit mit Mentaltrainern immer beliebter. Kann man dich auch dafür begeistern?

Mesotitsch: Nein, das brauche ich überhaupt nicht. Ich arbeite ein Rennen mit dem Trainer auf, das dauert eine Minute und ist danach erledigt. Ich glaube auch nicht, dass ich eine mentale Blockade habe. Wenn ich körperlich in der entsprechenden Verfassung bin, um vorne mitzulaufen, läuft es auch am Schießstand. Bin ich schon auf der Loipe ausgepowert, geht beim Schießen genauso wenig.

LAOLA1: Euer Tagesablauf ist mit Training/Wettkampf, Massage und Regeneration von eintöniger Natur. Wie vertreibt ihr euch die Zeit, die euch sonst noch bleibt?

Mesotitsch: Wenn möglich, schlafe ich auch einmal länger. Dazu kommen Interviews (lacht), mit der Familie telefoniere ich natürlich täglich. Dazu lese ich, sehe fern und bin im Internet. Naja, und dann ist der Tag auch schon wieder rum.

LAOLA1: Von Lagerkoller keine Spur?

Mesotitsch: Wenn es läuft, gibt es nie Lagerkoller. (lacht)

LAOLA1: Vielen Dank für das Gespräch.

 

Das Interview führte Christoph Nister