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"Ich bin froh, dass diese Leute jetzt ruhig sind"

Hannes Reichelt strahlte mit der Sonne um die Wette.

Doch schon wenig später, bei der Siegesfeier, kullerten Tränen über sein Gesicht. Freudentränen wohl gemerkt.

„Ich habe mir geschworen, nicht zu weinen, weil das nicht männlich ist. Ab und zu muss man aber auch ein Softie sein“, lachte der frischgebackene Super-G-Weltmeister. „Mir ist das alles, was vor ziemlich genau einem Jahr passiert ist, durch den Kopf gegangen. Ich hätte mir nicht erträumen lassen, so zurückzukommen.“

Mit dem Sieg kürte er sich im zarten Alter von 34 Jahren und 215 Tagen zum ältesten Weltmeister der Ski-Geschichte. "Ich habe in den letzten Jahren einen Weg gefunden, schnell Ski zu fahren. Bei manchen Läufern dauert das eben länger, manche haben es gleich von Anfang an“, schenkt er dem Alter keine allzu große Bedeutung.

Viel mehr freute er sich, einige Kritiker Lügen gestraft zu haben: „Manche Journalisten waren der Meinung, ich sei im Weltcup gut, aber hätte bei Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen Probleme, schnell zu sein. Ich bin froh, dass diese Leute jetzt ruhig sind.“

Warum er seine Erfolge Rudi Nierlich zu verdanken hat, er wusste, dass Dustin Cook schnell sein würde und es angenehm sei, in Beaver Creek auf einen Kaffee zu gehen, ohne erkannt zu werden, erklärt Hannes Reichelt bei LAOLA1:

HANNES REICHELT ÜBER...

… SEINEN LAUF: Auf dieser Strecke ist es einfach für mich, schnell zu sein. Am Start war ich aber richtig nervös. Zehn Sekunden vor dem Start habe ich mir geschworen, aggressiv zu fahren. Ich wollte mir im Ziel nicht vorwerfen müssen, nicht alles für ein gutes Ergebnis gegeben zu haben. Ich habe oben wirklich Gas gegeben, im Mittelteil hatte ich einen kleinen Fehler. Den größten Fehler hatte ich vor dem Zielsprung. Das war ungewöhnlich, normalerweise werde ich zum Ziel hin immer schneller.

… DIE PROBLEME, DIE VIELE FAHRER HATTEN: Ich hatte ebenfalls Probleme, vor allem im Schlussteil. Das Gute in Beaver Creek ist: Der Kurs ist so schwer, dass er kleinere Fehler verzeiht, wenn du wirklich am Limit fährst. Im Gegensatz zur Abfahrt in Kitzbühel, die war so kurz, dass du mit einem Fehler schon außerhalb der Top 30 warst. Hier musst du nicht perfekt sein, nur aggressiv und weniger Fehler machen, als die anderen.

… DIE KURSSETZUNG: Es war ähnlich gesetzt, wie im Dezember. Es waren aber auch Sachen drin, die den anderen Jungs gelegen sind. Es war eine gute Mischung, Mothl (Mayer) hat nur ganz knapp das Podium verpasst. Da haben die Trainer ihren Job gut gemacht.

… DIE TRÄNEN, DIE ER BEI DER SIEGESFEIER VERGOSS: Mir ist das alles, was vor ziemlich genau einem Jahr passiert ist, durch den Kopf gegangen. Ich hätte mir nicht erträumen lassen, so zurückzukommen. Ich kenne einige Jungs, die nach so einer OP nicht mehr den Weg zurückgefunden haben. Ich bin sehr dankbar, dass mir das gelungen ist. Da muss ich meinem ganzen Team danken. Ich habe mir geschworen, nicht zu weinen, weil das nicht männlich ist. Ab und zu muss man aber auch ein Softie sein (lacht).

… DIE ABFAHRT, WO ER SICH ZUM DOPPEL-WELTMEISTER KÜREN KÖNNTE: Die Herausforderung ist, besser als im Dezember zu fahren. Da hatte ich im Steilhang große Probleme. Was dann rauskommt, ist offen. Man darf sich keine bzw. minimale Fehler leisten, also wird es nicht leicht. Die Form passt und es ist möglich, bis dahin habe ich aber noch viel Arbeit vor mir. Dennoch ist es leichter, der ganze Druck ist weg.

 

Aufgezeichnet von Matthias Nemetz

… ÜBERRASCHUNGSMANN DUSTIN COOK: Es war eine kleine Überraschung, dass er so schnell ist. Ich wusste, dass er schnell fahren kann, weil wir gemeinsam in Panorama trainiert haben. Ich bin glücklich, das Hundertstel-Glück auf meiner Seite gehabt zu haben.

… DIE GENUGTUUNG, BEI EINEM GROSSEVENT ZUGESCHLAGEN ZU HABEN: Manche Journalisten waren der Meinung, ich sei im Weltcup gut, aber bei Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen Probleme hätte, schnell zu sein. Ich bin froh, dass diese Leute jetzt ruhig sind. Hier war es schwer, ich war einer der Favoriten. Der Druck von außen war groß, aber der Druck den ich mir selbst gemacht habe war größer. Den Sieg von Dezember (Weltcup/Anm.) zu wiederholen, war hart. Das macht mich so glücklich.

… DEN LEBENSTRAUM WELTMEISTERTITEL: Man träumt von so einer Goldmedaille. Das erste Mal, wo ich das selbst so richtig zu schätzen gelernt habe, war, als Rudi Nierlich in Saalbach Gold im Riesentorlauf geholt hat. Da dachte ich mir, das ist richtig cool, wie die Leuten einem zujubeln. Ich war vor Ort und dachte mir, er ist ein Held. Als Stephan Eberharter 2003 den Super-G gewinnen konnte, war ich mit ihm am Start und habe das Rennen leider nicht beenden können. Ich habe mich gefragt, warum es bei einem Großevent einfach nicht funktioniert. Man braucht das Glück am Tag X auf seiner Seite, das hatte ich heute mit den Hundertstel definitiv.

… DEN RÜCKSCHLAG IN KITZBÜHEL UND IM TRAINING: Ich habe analysiert, was in Kitzbühel falsch gelaufen ist. Ich habe dort keine Ruhe gefunden und konnte mich nicht auf das Wesentliche konzentrieren. Deswegen war ich dort so schlecht. Im Training hier war es ein Flüchtigkeitsfehler, vielleicht waren es die Nachwehen von Kitzbühel. Für mich ist es wichtig, vor dem Wettkampf Ruhe zu haben. Die gestrige Verschiebung ist mir auch zu Gute gekommen, so hatte ich noch einen Tag, um zu relaxen und mich zu fokussieren.

… DEN MACHTKAMPF MIT DEM US-TEAM: Ich denke, unser Herren-Team ist im Moment sehr stark, vor allem in den Speed-Bewerben. Die Amerikaner haben uns in Schladming die Show gestohlen, jetzt wollen wir das in den USA machen. Das war jetzt ein erster Schritt, aber die US-Leute werden kämpfen. Das macht den Sport so interessant.

… DIE BEDEUTUNG, ÄLESTER SKI-WELTMEISTER DER GESCHICHTE ZU SEIN: Danke für das Kompliment (lacht). Es ist schön, eine Rekordmarke zu knacken. Ich hatte in meiner Karriere einige Rückschläge durch Verletzungen. In den letzten Jahren habe ich einen Weg gefunden, schnell Ski zu fahren. Bei manchen Läufern dauert das eben länger, manche haben es gleich von Anfang an. Das Umfeld, das ich mir in den letzten Jahren geschaffen habe, ist perfekt. Das ist sicher ein Teil davon. Man braucht das Glück auf seiner Seite, bei ersten Abfahrtstraining hätte ich eine "Brez'n“ reißen können. Man muss dankbar sein, gesund zu sein.

… DEN UNTERSCHIED ZWISCHEN SCHLADMING UND BEAVER CREEK: Ich würde nicht sagen, dass der vierte Platz in Schladming so schlecht war. Wie ich gesagt habe, du musst das Glück auf deiner Seite haben. Hätte ich in Schladming eine Medaille geholt, würde sich die Frage nicht stellen. Natürlich ist es für uns einfacher, hier zu sein. In Beaver Creek kann ich auf einen Kaffee gehen, und keinen juckt es. Das ist eine Freiheit, die du in Österreich nicht hast. Wiederum hast du in Österreich so viele Zuseher, dass es dir im Ziel die Gänsehaut aufstellt.