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"Der ÖSV hat in der Hand, wie es bei mir weitergeht!"

„Danke Rainer, für die vielen tollen Momente!“ Als der Platzsprecher Rainer Schönfelder im Ziel verabschiedete, hörte es sich nach einem Abschied für immer an.

Schon während der Fahrt des 34-Jährigen schallte es gleich mehrfach aus den Boxen: „Das könnte heute seine letzte Fahrt sein!“

In Flachau reichte es wieder nur für eine Fahrt, für eine Qualifikation fehlten dem Kärntner 1,05 Sekunden. Eine kleine Welt im Niemandsland der Ergebnisliste.

Aber der 46. Platz war noch nicht der Schlusspunkt, stellt Schönfelder im Gespräch mit LAOLA1 klar. „Ich möchte mit dem Skifahren im Reinen abschließen!“

Warum er nicht aufhören kann, wieso ein Nationenwechsel kein Thema ist und weshalb er auf der Suche nach dem richtigen Feeling auch Ärger mit seiner Freundin in Kauf nimmt - all das und noch mehr verrät er im großen LAOLA1-Interview.

 

LAOLA1: Vor dem Flachau-Slalom hat es geheißen, dass es womöglich dein letztes Rennen im Ski-Weltcup ist. Wie geht man mit so einer Situation um?

Rainer Schönfelder: Mir ist schon klar, dass man mir das in den Mund legen will, dass es mein letztes Rennen ist. Aber dem ist nicht so, schließlich gibt es im April noch die Ortsmeisterschaften, die ich auf jeden Fall mitfahren werde.

LAOLA1: Spaß beiseite, es hat wieder nicht für den 2. Durchgang gereicht. Wohin soll das alles führen?

Schönfelder: Es geht nicht darum, ob ich in die Top-30 fahre oder nicht. Mein Problem ist, dass ich ein schlechtes Gefühl beim Rennfahren habe. Seit Amerika ist das Feeling weg. Es sind zwar gute Schwünge dabei, aber sie fühlen sich nicht gut an und sind vor allem auch nicht schnell. Aber ich bleibe ruhig, denn ich weiß, dass ich es noch drauf habe.

LAOLA1: Woher nimmst du diese Zuversicht?

Schönfelder: Mein Budget steht bis 2014, daran halte ich fest. Und ich erinnere an andere Beispiele. Drei Rennen, fast null Punkte – und das vierte Rennen hat er gewonnen: der Italiener Massimiliano Blardone. Von dem ich als Ski-Insider, der genau hinschaut, gedacht habe, dass er komplett wegbricht in diesem Winter. Und dann das! Genau das ist der Sport.

LAOLA1: Du sprichst das Feeling an. Was muss passieren, damit es wieder kommt?

Schönfelder: Ich muss einen Anhaltspunkt finden, dann erledigt sich der Rest von ganz alleine. Das kann etwas ganz Simples sein. Ein anderer Skistock, ein neuer Handschuh, vielleicht fahre ich auch einfach nur das erste Tor anders an. Keine Ahnung was, aber ich muss etwas finden, dass ich in Folge so fahre, wie ich mir das vorstelle.

LAOLA1: Weltcup-Rennen könnten auch helfen, aber im ÖSV-Team stehst du an der Kippe?

Schönfelder: Sicher ist die Entscheidung strittig bei mir, aber Rennen fahren ist kein Problem. Ich habe mich schon bei den Masters angemeldet, das ist alles geregelt. Auch wenn ich dann nach Frankreich fahren müsste, was schon eine zache Partie ist.

LAOLA1: Du nimmst das alles sehr locker und leicht, scheint es, aber wozu wärst du bereit, sollte der ÖSV dich nicht mehr fahren lassen? Vielleicht ein Nationenwechsel?

Schönfelder: Das geht ja alles nicht mehr so leicht. Da muss man einmal zwei Jahre in dem Land gelebt haben. Das ist also kein Thema. Deshalb versuche ich, mir im Einklang mit dem Verband, die Möglichkeiten frei zu halten. Ich gebe aber zu, dass die Gesamt-Bedingungen im ÖSV, nämlich dass nicht vier Junge in die Top-30 reinfahren, mich begünstigt. Ich hätte aber auch kein Problem damit, wenn heute jemand zu mir kommt und sagt: Danke, das war es!

LAOLA1: Also wenn schon „Ski happy“ von deinem Motto aktuell nicht zutrifft, „don't worry“ wird dennoch groß geschrieben?

Schönfelder: So ist es! Ich bin total unemotional. Nach dem Rennen bin ich in mein Quartier gegangen, habe den Schraubenzieher rausgeholt und eine neue Idee umgesetzt. Meine Fast-Frau sagt zwar, dass ich einen vollen Klopfer habe, aber ich muss das so tun.

LAOLA1: Auch bei einigen anderen Slalom-Routiniers im ÖSV-Team läuft es derzeit nicht nach Wunsch.

Schönfelder: Ich bin mit meiner Nicht-Qualifikation nicht in alleiniger Gesellschaft, das möchte ich schon betonen. Da gibt es einige in der Slalom-Mannschaft, die nicht einmal ein dreiviertel Jahr jünger sind als ich. Aber davon redet ja keiner.

LAOLA1: Wird da also mit zweierlei Maß gemessen?

Schönfelder: Ich weiß es nicht, aber es ist auch nicht mein Job, das zu bewerten. Aber wenn ich immer höre, dass ich zu alt bin und dann sehe ich andere, die nicht viel jünger sind als ich, dann stehe ich sicher nicht alleine da. Das muss man auch einmal sagen.

LAOLA1: Der Stadionsprecher in Flachau hat sich bei dir für die „vielen schönen Momente“ bedankt und dich quasi verabschiedet. Was ist dir da durch den Kopf gegangen?

Schönfelder: Der ist ein bisserl voreilig. Wenn er meine Lippen hätte lesen können, dann wüsste er, was ich ihm ausgerichtet habe. Nämlich, dass er sich noch anschauen wird. Ich kenne diesen Sprecher auch – und ich werde ihn irgendwann einmal auch unemotional drauf ansprechen.

LAOLA1: Wie groß ist deine Angst vor dem Tag, an dem dich jemand vom Verband anspricht, um dir zu sagen, dass es nicht mehr reicht und du raus bist?

Schönfelder: Nein, nein, der Tag kann ganz klar kommen. Dann wird man darüber diskutieren. Aber dieses Thema ist noch nicht angesprochen worden, nicht im entferntesten Sinn. Auch nicht vor Flachau. Wenn es soweit ist, werden wir sehen, was dann passiert.

LAOLA1: Wie ist aktuell dein Verhältnis zum Skiverband?

Schönfelder: Der Skiverband hat es in der Hand, mich bei keinem Rennen der Welt starten zu lassen. So gesehen ist der ÖSV mein Arbeitgeber, der den Hahn zudrehen könnte. Ich will die Sachen nur so darstellen, wie ich sie sehe. Und da bin ich mir nicht sicher, ob es fair wäre, mir den Hahn zuzudrehen.

LAOLA1: Ständig kämpfen, dazu die Ungewissheit, wie es weitergeht. Macht Skifahren so überhaupt noch Spaß?

Schönfelder: Absolut. Ich mache viele Sachen gerne und werde nicht so alt werden, um Alles zu tun, was ich gerne tun möchte. Beim Skifahren habe ich Lichtblicke gesehen, seit Neuseeland, bei den Trainings. Das habe ich vier Jahre nicht gehabt, ich war vier Jahre in der Scheiße. Jetzt merke ich: Hoppala, da geht was! Deshalb kann mir keiner übel nehmen, dass ich das noch ein bisschen weitermachen möchte.

LAOLA1: Hand aufs Herz: Was ist für Rainer Schönfelder im Ski-Weltcup noch möglich?

Schönfelder: Mein letztes Ziel, meine Vision ist es, wieder ganz rauf zu kommen. Aufs Stockerl zu fahren. Das ist eine gewagte Aussage, für die mich viele auslachen werden. Wenn ich mich 2018 nicht für die Olympischen Spiele in Korea qualifiziere, werde ich sagen: Scheiße, ist sich doch nicht ausgegangen.

LAOLA1: Sotschi 2014, Pyeongchang 2018, muss man Angst haben, dass aus dir ein neuer Hubertus von Hohenlohe wird?

Schönfelder: Wer weiß das schon? Ich habe in meiner Vergangenheit schon so viel gesagt, was nicht passieren wird und genau das ist dann passiert. Am Dienstag hat ein Völkl-Servicemann, 65 Jahre alt und nicht mehr gut zu Fuß, mit mir über den optimalen Zug gesprochen. Hut ab vor dieser Begeisterung und Leidenschaft.

Das Interview führte Stephan Schwabl