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"Nur ganz wenige sind aus diesem Holz geschnitzt"

Hermann Maier und Marcel Hirscher haben viel gemeinsam.

Zum einen die Initialen – wenn auch in verkehrter Reihenfolge. Zudem kommen beide aus Salzburg und gelten bzw. galten als äußert ehrgeizige Sportler. Nicht zu vergessen die Erfolge: Kombiniert 85 Weltcupsiege (Maier 54, Hirscher 31), zwölf WM-Medaillen (je 6) und je vier Gesamtweltcupsiege.

Bei dem um 16 Jahre jüngeren Hirscher könnten in Zukunft aber noch mehrere große Kugeln hinzukommen. Ab 25. Oktober (Auftakt in Sölden) macht der Ski-Star der vergangene Jahre wieder Jagd auf den "depperten Glasbecher".

"Ich gehe fast davon aus, dass er es schafft. Marcel ist ein Perfektionist und hat ein perfektes Team um sich. Nur ganz wenige sind aus diesem Holz geschnitzt, er gehört einfach dazu. Er ist fast unschlagbar", lobt ihn der einstige Dominator in höchsten Tönen.

Hirscher selbst will sich nicht unter Druck setzen lassen. Auch nicht von seinem einstigen Idol. "Das muss er jetzt sagen", lacht der 26-Jährige. Das Verhältnis zwischen den beiden scheint zu stimmen, beide haben merklich großen Respekt vor den Leistungen des Anderen.

LAOLA1 hat mit beiden gesprochen und die wichtigsten Themen zusammengefasst. Unter anderem über Druck, Nachwuchskrise im ÖSV, das ÖFB-Team und Gemeinsamkeiten mit dem jeweils anderen:

ZUKUNFT

"Ich habe viel zu tun (lacht). Es gibt viele Projekte mit Raiffeisen, die ich umsetze. Mein größtes ist aber mein neues Hotel-Konzept, „adeo Alpin“. Es entstehen zwei Hotels, die im Jänner 2016 fertig werden sollen. Ski fahren ist so teuer geworden, wir wollen es wieder leistbar machen. Deshalb beginnen wir bei den Übernachtungen, die bei uns günstiger sind. Wir haben aber erst im März begonnen zu bauen. Wir brauchen also einen sehr schnellen Baufortschritt. Momentan klappt das, wir sind auf einem sehr guten Weg. Dieses Projekt vereinnahmt mich. Ich liebe den Bau, deshalb bin ich stark involviert. Ich bringe das Projekt in die Werbung, plane und schwinge die Maurerkelle. Die Eröffnung erfolgt am 17. Jänner in St. Johann in Tirol, genau in der Kitzbühel-Woche. Das wird sehr spannend."

"Bis jetzt habe ich nicht genügend Tage auf Schnee in den Beinen, noch dazu bin ich ja mit einem Magen-Darm-Virus flach gelegen. Mir sind dadurch einige Trainingstage flöten gegangen. Ich bin zuversichtlich, dass es in den kommenden Wochen schönes Wetter gibt und ich gut trainieren kann. Ich habe mich für diesen Weg entschieden, zu dem muss ich stehen. Es wird sich weisen, ob es eine gute Entscheidung war, oder ob ich im nächsten Jahr wieder nach Übersee reise. In den letzten zwei Wochen ist zu wenig passiert. Deswegen wäre es super, wenn wir in den nächsten fünf Wochen bis Sölden noch einige Schneetage sammeln könnten."

 

DRUCK

"Die Drucksituation ist speziell bei Marcel gar nicht so groß. Er kann sein eigenes Süppchen kochen, das ist sehr gut. Er muss nicht alles gleich machen, wie das Team. Die Individualität, die er zugesprochen bekam, ist sehr wichtig. Dadurch kann er sich international messen. So sehe ich überhaupt keinen Druck. Wenn du viermal den Gesamtweltcup gewonnen hast, hast du von außen keinen Druck. Nur der eigene Druck, dich selbst weiterzuentwickeln, ist der einzige Druck. Dazu kommt das eigene Team, dem man etwas beweisen und zurückgeben will."

"Angst verspüre ich in diesem Bereich überhaupt nicht. Die Motivation ist eine Frage der Trainingsgestaltung. Wenn man es vielseitig und abwechslungsreich gestalten kann, macht es mir nach wie vor Spaß. Die Vorbereitungsphase ist am schwierigsten, weil sie am wenigsten mit dem zu tun hat, was ich liebe – dem Ski fahren im Winter. Es ist so, als würde man sich Mitte März auf die Badesaison vorbereiten und in österreichischen Seen schwimmen gehen. Das macht auf nicht viel Spaß. So ist es, wenn wir im Hochsommer Ski fahren."

 

5. GESAMTWELTCUPSIEG

"Ich traue es ihm auf alle Fälle zu. Jemand aus den schnellen Disziplinen hat fast keine Chance, weil es mehr technische Rennen gibt. Mit Mannschaftsbewerben und Parallelbewerben muss der Gesamtweltcupsieger eigentlich ein technischer Fahrer sein. Ich weiß, was es heißt, den Gesamtweltcup so oft zu gewinnen. Du darfst nie verletzt sein und musst immer konstant vorne mitfahren. Diese Konstanz ist die große Herausforderung, die Saison auf höchstem Niveau bis zum Schluss durchzufahren. Sportlich gesehen ist der Gesamtweltcup sicher das größte, was man erreichen kann. Er kann sich eigentlich nur selbst schlagen. Eine Verletzung darf man nie außer Acht lassen, obwohl da auch eher die Speed-Fahrer gefährdet sind. Ich gehe fast davon aus, dass er es schafft. Marcel ist ein Perfektionist und hat ein perfektes Team um sich. Nur ganz wenige sind aus diesem Holz geschnitzt, er gehört einfach dazu. Er ist fast unschlagbar. Dass er einen Gesamtweltcupsieg mehr als ich hätte, ist mir komplett egal. Ich hätte mir nie gedacht, dass ich einen Rekord aufstellen würde. Dazu kommt die Frage, was richtige Rekorde sind. Man ist immer selbst motiviert und fokussiert. Während der Karriere wird man immer wieder darauf angesprochen, danach ist es einem sowieso völlig egal. Die eigenen Erlebnisse sind stärker als alle Zahlen."

"Es wäre eine riesige Geschichte und würde mich natürlich irrsinnig freuen. Dennoch darf man sich mit vier großen Kugeln nicht verstecken, ich habe die Schäfchen schon im Trockenen. Ich habe viel mehr erreicht, als ich jemals gedacht hätte. Ich gehe es an, aber relaxt. Ich werde mich nicht stressen und mir Druck auferlegen. Dieses Spiel kenne ich aus den letzten Jahren, Stress nützt gar nichts. Man muss es genießen, das werde ich machen."

"Parallelen kann man immer finden, wenn man sie sucht. Es war einfach nett, Hermann abseits der Rennstrecke privat und persönlich kennenzulernen. Dazu hat man auf der Skipiste nicht immer die Gelegenheit. Als er seine Karriere beendet hat, war ich noch in den Anfängen, deshalb kam es damals nicht wirklich dazu. Es war ein riesiger Spaß."

 

Aufgezeichnet von Matthias Nemetz/Peter Rietzler

 

NACHWUCHSKRISE IM ÖSV

"Ich sehe keine Krise kommen. Die Dichte ist nicht mehr so vorhanden. Wenn man ganz ehrlich ist, gab es die Dichte zu unserer Zeit einmal kurz geballt. Damals war es für einige Läufer sehr schwer, viele Talente sind rausgefallen. Heute wären sie vorne dabei. Es war brutal, weil es ja auch um „Arbeitsplätze“ ging. Du verlierst deinen Kindheitstraum und deinen Arbeitsplatz, das war für viele heftig. Jetzt ist es 'einfacher'. Ich denke nicht, dass ein großes Loch entsteht. Es kommt immer darauf an, wie verwöhnt Österreich ist."

"Es ist schwer, etwas dazu zu sagen, weil ich keinen Einblick in die unteren Bereiche habe. Ich gehe davon aus, dass gut gearbeitet wird. Ich beschränke mich momentan auf mich selbst. Die Dichte war mit Sicherheit schon einmal höher, das braucht man nicht schönreden. Jeder bemüht sich, so gut es geht. Die Talente stehen bereit, sie müssen nur gefördert werden. Dann haben wir in ein bis zwei Jahren – vielleicht auch früher – eine Top-Truppe zusammen."

 

DAS ÖFB-TEAM

"Ich bin speziell seit letztem Dienstag noch mehr beeindruckt, als die Qualifikation gemeistert wurde und das Team die Schweden dominiert hat. Ich habe den ÖFB-Teamspielern letzten Herbst ein paar Geschichten aus meiner aktiven Zeit erzählt, wie ich es auch schon vor der WM im Mai beim deutschen Nationalteam gemacht habe. Bei ihnen hat es auch sehr gut funktioniert (lacht). Meine Rede ist vielleicht ein ganz kleiner Teil, der bei jemandem hängen bleibt. Motivation ist im Sport sehr wichtig. Viele kluge Menschen halten Motivations-Vorträge ab, ich mache das nicht, Headsets sind nicht so meines. Der persönliche Kontakt zum Sportler ist etwas Besonderes. Die Fußballbegeisterung in Österreich war immer da, mit der Qualifikation ist sie aber noch stärker geworden."

"Ich freue mich voll mit. Genial, dass jetzt so ein Aufschwung da ist. Das war nicht immer so, dass so viel Begeisterung da war. Mir taugt es einfach, weil die Jungs auch so eine lässige Truppe sind. Ich kenne die wenigsten persönlich, aber wenn man die Postings auf diversen Plattformen sieht, habe ich das Gefühl, dass das ein Team ist."

 

GEMEINSAMKEITEN

"Es gibt einige Parallelen. Wir kommen beide aus der selben Gegend und sprechen den gleichen Dialekt. Er ist Leistungssportler, ich war es. Er ist sehr ehrgeizig, bei mir war auch immer von großem Ehrgeiz die Rede. Es war schön, mich mit ihm zu unterhalten. Es gibt gewisse Dinge, über die du nur mit jemandem sprechen kannst, der in ähnlichen Situationen war."