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Olympia-Abfahrtsdesigner Russi: "Lässiger Job"

Olympia-Abfahrtsdesigner Russi:

Wenn jemand eine Herren-Abfahrt baut, dann hat er etwas zu erzählen.

Von Nacht- und Nebelaktionen beim ersten Erforschen des unwegsamen Geländes, dem Geruch frischen Bärenkots nahe der Höhle des in russischen Wäldern beheimateten Wildtieres und vom Wählen der Fast-Putin-Geheimnummer im Notfall.

Pistendesigner Bernhard Russi hat die Olympia-Strecke der Herren in Krasnaja Poljana entworfen. Die Aufgabe lautete, in einen jungfräulichen Berg eine spektakuläre Rennstrecke für die Winterspiele 2014 zu zaubern.

Abfahrt aus dem Nichts

An zwei Dutzend Abfahrten seit Are 1983 hat Russi schon mitgearbeitet. Nach der Strecke in Calgary, Kvitfjell und Beaver Creek begann er 2006 in Russland aber erst zum vierten Mal an einem Berg zu schaffen, der nicht erschlossen war.

Ausgerüstet mit einer Karte, Kompass, einer Flasche Wasser, einer Taschenlampe und dem Reisepass machte er sich nach dem Ausstieg aus dem Hubschrauber am Gipfel auf den Weg nach unten.

Von 10.00 Uhr vormittags bis 3.00 Uhr in der Früh war er unterwegs, überkletterte Felsen, durchquerte Bächlein und Baumgruppen, die später möglicherweise fallen mussten.

Nervös vor der Premiere

Es folgten weitere zwanzig Begehungen, von unten nach oben, von oben nach unten, an denen er jeweils Markierungen anbrachte und diese auf der Karte einzeichnete.

Er versucht, den ökonomischen und ökologischen Aspekt immer im Auge zu behalten.

"Es ist schon lässig, so einen Job zu machen. Ich bin sehr nervös vor den Rennen jetzt, vor allem auch, was die Sprünge betrifft", sagte Russi am Mittwoch nach der Besichtigung der Abfahrt, an der sich die Medienvertreter beteiligen durften.

Freilich nur wenige waren mit, denn vor allem der erste Streckenteil ist steil und erfordert Können oder zumindest sehr scharfe Kanten an den Skiern.

Sprachliche Probleme

Die größte Barriere, die Russi zu überwinden hatte, war jene der Sprache. "Man ist abhängig von der Übersetzung. Aber man muss nicht nur die Sprache übersetzen, sondern auch die Philosophie."

Wenn man sage, man wolle eine Rechtskurve, dann hätte das beinahe ausgesehen wie eine Kurve in einer Bobbahn. Es sei den Ingenieuren nicht einleuchtend gewesen, dass man auch anders um die Kurve fahren könne.

Er habe sie erst lehren müssen, was Skifahren sei. Für Russi entpuppten sich die Russen als melancholisches Volk, aber er sei schnell gut Freund mit seinen Arbeitspartnern geworden.

"Das Startdrittel ist mein Herz"

Wenn er das Werk betrachtet, dann ist der Mittelabschnitt für den 63-jährigen Russi ein Kompromiss.

"Das Startdrittel ist mein Herz, das Schlussdrittel auch. Wenn da das Abfahrerherz nicht juchzt, dann ist er kein Abfahrer."

Mit dem Schlussabschnitt und den schönen Sprüngen hat Russi die Speedpiloten groß begeistert, die eng gesetzten Tore im oberen Teil gefielen den wenigsten, doch dort gibt es möglicherweise noch etwas Spielraum.

Hilfe von Putin

Und dann erzählte Bernhard Russi noch jene kleine Geschichte, als ihm Putin geholfen hatte. Russi wollte wie vereinbart auf den Gipfel geflogen werden.

Man erklärte ihm aber, dass das nicht ginge, weil die Wetterprognosen schlecht wären. Doch der Himmel war strahlend blau - und ein Helikopter in der Luft. Russi wählte also die geheime Nummer und hatte Leonid Tjagatschow am Apparat. Der war früher Präsident des russischen Olympischen Komitees und ist Vertrauter Putins.

"Er war mit Putin gerade auf dem Weg zum Skifahren und lud mich ein", sagte Russi, der ablehnte. Und eine Viertelstunde später selbst in einem Helikopter saß, der ihn zur Arbeit brachte.