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"Wenn es funktioniert, dann wäre es abartig geil"

Marcel Hirscher kann Geschichte schreiben. Er könnte der erste Fahrer werden, der den Gesamtweltcup zum vierten Mal in Serie gewinnt.

„Wenn es funktioniert, dann wäre es abartig geil“, funkeln seine Augen wenige Stunden vor dem ersten Saisonrennen wenn es um die große Kristallkugel geht.

Zahlreiche Fahrer werden etwas dagegen haben, Ted Ligety kündigte bereits an, dem Gesamtweltcup alles unterzuordnen.

Deshalb mahnt der ÖSV-Star: „Die Tatsache, dass es noch keiner geschafft hat, zeigt, wie schwer es ist.“

Davor habe er noch 25 Rennen zu fahren, die er erstmal gut absolvieren müsse. Der Auftakt-Riesentorlauf ist eines davon, aber nicht einfach irgendeines. Denn in Sölden ist der dreifache Gesamtweltcupsieger zum einzigen Mal in der ganzen Saison nervös.

Warum das so ist, er Ted Ligety analysiert, er sich durch den Erfolg verändert hat, und er im Flachen jetzt schneller ist, verrät der Salzburger LAOLA1.

MARCEL HIRSCHER ÜBER...

… DEN WELTCUP-AUFTAKT IN SÖLDEN: 

Grundsätzlich sage ich, jedes Rennen ist gleich schwer zu gewinnen. Warum wir jetzt schon neun Jahre auf einen Sölden-Heimsieg warten, weiß ich nicht. Wenn ich an die WM in Schladming denke, bin ich gegen Druck schon resistent und kann mit Herausforderungen wachsen. Es ist eher die persönliche Einschätzung. Ich merke, dass ich hier dazu neige, mehr zu fahren als notwendig und möglich ist. Die Lockerheit kommt einfach erst im Laufe des Winters, weil man dann seinen eigenen Speed einschätzen kann. Nach dem Rennen werden wir wissen, wo wir stehen und Ziele neu definieren. Es ist Anspannung aber auch Vorfreude.

… AUFKOMMENDE NERVOSITÄT: 

Es gibt nur ein Rennen im Jahr, wo ich nervös bin und das ist hier in Sölden. Ganz einfach, weil ich keinen Plan habe. Wie bin ich? Wo stehe ich? Es wird sich dann schnell ändern.

… DEN VIELEN NEUSCHNEE IN SÖLDEN: 

Was besseres kann nicht passieren. Wenn sie den Schnee raus bekommen – wovon ich überzeugt bin – gibt es nichts besseres. Erstens haben wir ein geiles Rennen, zweitens ist es für die Zuseher richtig geil. Das Wochenende hat einen riesigen Stellenwert, speziell weil heuer die Kulisse dazu stimmt.

Marcel Hirscher im Training aus der Vogelperspektive

… POBLEME BEI SCHLECHTEN BEDINGUNGEN: 

Letztes Jahr war es nie richtig eisig, sondern immer weich. Das ist mir sicherlich nicht entgegengekommen. Es macht nach wie vor keinen Spaß bei schlechten Verhältnissen. Aber wir haben probiert, das ein bisschen zu testen. Jeder hat andere Vorlieben. Die einen mögen es gerne eisig, die anderen weich. Ich habe probiert, meine Stärken weiter zu stärken und die Schwächen ins Mittelfeld zu rücken.

...SEINE „PROBLEMZONE“ GLEITSTÜCKE: 

Ich bin im Flachen definitiv schneller geworden. Meine Ski schieben jetzt einfach brutal an. Ich war immer schon ein Systemskifahrer, der versucht, sein Programm möglichst kontinuierlich abzuspielen. Die Geräte laufen wirklich. Im Steilen ist es noch nicht ganz optimal. Ich habe die Rennen immer im Flachen verloren, deshalb musste ich etwas ändern.

… DIE WAHL ZUM SPORTLER DES JAHRES: 

Das ist im österreichischen Sport die größte Auszeichnung, die man kriegen kann. Ich kann es schwer beurteilen, wie es ausgeht, weil ich nicht weiß, welche Kriterien für die Journalisten zählen. Die Goldmedaillen von Matthias Mayer und Mario Matt waren top, Olympiasieger wird man meistens auch nur einmal im Leben. Aber eine Leistung über die gesamte Saison zu bringen und am Ende den Gesamt-Weltcup zu gewinnen ist auch besonders. Dreimal in Folge Gesamtweltcupsieger, mehr kann ich wirklich nicht tun. Jetzt kann ich nur noch abwarten. Es würde mich unglaublich stolz machen, sollte ich die Ehre wieder bekommen. Ganz einfach weil es in dem kleinen Land Österreich brutal viele Sportler gibt.

 

Aus Sölden berichtet Matthias Nemetz

… TED LIGETY: 

Ich möchte ihn nicht kopieren oder nachmachen. Natürlich analysieren wir die Details, zerlegen seinen Schwung. Wir fragen uns, wie es möglich ist, dass er in solchen Positionen solche Schwünge fährt. Nur ist jeder Körper anders, deshalb muss jeder für sich den idealen Schwung finden. Ihn zu imitieren würde also gar nichts bringen.

… AKSEL LUND SVINDALS VERLETZUNG: 

Das ist eine richtig schwere Verletzung. Aksel ist nicht nur ein großer Skifahrer, sondern auch ein großartiger Mensch. Wenn er weg ist, hinterlässt das ein riesiges Loch, speziell im Speedbereich. Hoffentlich erholt er sich gut und schnell. Ich hoffe wirklich, dass er es tatsächlich bis zur WM schafft.

… DIE MÖGLICHKEIT DES VIERTEN GESAMTWELTCUP-SIEGES IN FOLGE: 

Die Tatsache, dass es noch keiner geschafft hat, zeigt, wie schwer es ist. Aber ich werde es wieder versuchen, das steht fest. Wenn es nicht gelingt, kann ich es eh nicht ändern. Aber ich werde wieder alles daran setzen. Nur das werden fünf, sechs, sieben andere Fahrer auch tun. Wenn es funktioniert, dann wäre es abartig geil, weil das hat bis jetzt noch keiner geschafft. Aber vorher sind noch 25 Rennen, die ich gut fahren muss.

… ERFOLG: 

Durch die Siege und Erfolge der letzten Saisonen heißt es heute nicht mehr: „Wie viel hat der Hirscher gewonnen?“ Sondern: „Was hat er nicht gewonnen?“ Die größere Sensation ist nicht mehr der Sieg, sondern die Niederlage. Das ist schade. Der Erfolg hat nicht mehr den selben Stellenwert.

… DIE BEGLEITERSCHEINUNGEN DES ERFOLGS: 

Alles, was ich erlebt habe und hinter mir habe, hat mich stark geprägt. Ich habe mich natürlich verändert. Ich konnte in diese Situation nicht hineinwachsen, ich bin ins kalte Wasser geschmissen worden. Ich habe in den letzten Jahren viel von meiner Lockerheit verloren. Das Leben hat mich stark eingeholt, ich habe sehr viel Verantwortung zu tragen, in gewisser Art und Weise auch für mein Team. Ich kann jetzt aber sagen, dass ich fest im Sattel sitze.